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Heidelberger Zeitung — 1866 (Januar bis Juni)

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Nr. 126-151 Juni
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Utidtlbergtr Zrituiig.

Kreisvcrkündigungsblatt für den Kreis Heidclbcrg nnd amtliches Perkünüigungsblatt für üic Amts- und Aaits-
Gerichtsbezirkc Hcidelbcrg und Wicsloch und dcn Amtsgerichtsbezirk Ncckargciiiünü.

Nk- I3L. Sonntag. K» Zuni


I8«rr.

-s Ein Mnhnruf.

Jn dem Augenblicke, in welchem sich die Ge-
schicke der deutschen Ntation vielleicht für lange
Zeit erfüllen, wo es sich darum handelt, ob aus
dem mehrjährigen Streite der Cabinette die von
dem Volke fo lang ersehnte Freiheit und Ein-
heit unseres Vaterlandes hervorgehen, oder ob
es vielleicht dem Schicksale Polens gleich die
Beute habgieriger Mächte werden soll — wo
es an der Schwelle eines fluchwürdigen bruder-
mörderischen Kampfes steht — in dem näm-
lichen Augenblicke erlebt die deutsche Nation
das unerquickliche Schauspiel, daß die liberalen
Parteien sich gegenseitig anfeinden, und zum
Erstaunen des Auslandes, zu herzlicher Freude
einer Clique, deren Vaterland von jeher jenseitts
der Alpen lag — in ihren Führern sich be-
kämpfen. Wenn zu irgend einer Zeit, so in
der jetzigen hat die Nation ein Necht, von den-
selben zu verlangen, alle persönlichen Anfein-
dungen und Verdächtigungen ein für allemal
ruhen zu lassen, dagegen in dem einzigen Be-
streben sich wiederzufinden, dem geprüsten Volke
ein Organ zu schaffen, durch welches seine For-
derungen und Wünsche zur Geltung und die
verschiedenen Jnteressen zur Ausgleichung ge-
langen konnen. Wir rufen daher allen libe-
ralen Parteien,die schon so oft gehörten Worte
unseres großen Dichters zu: Seid einig, einig,
einig! Wir Alle sind ja beseelt und durch'-
drungen von dem Gedanken für ein freies,
einiges, mächtiges Deutschland, nnd bereit, zur
Erreichung dieses Zieles selbst unter den höch-
sten Opfern mit Begeisterung in den Kampf
zu gehen. Sind auch die Mittel und Wege,
wie die deutsche Nation zu der ihr gebühren-
den Machtstellung in dem Herzen Europa's ge-
langen kann, verschiedene, so dur'chdringt doch
e i n Ziel Alle mächtig, nach diesem streben wir
Allel^Lasset daher ab, deutsche Pätrioten, von
dem kleinlichen Gezänke, lasset all von persön-
licher Fehde und vereinigt Euch sämmtlkch in
dem, alle Schichten des deutschen Volkes begei-
sternden Rufe für ein deutsches Parla-
ment!

* Politische Umschau.

Heidelberg, 9. Zuni.

* Die Lage der Dinge wird allmältg
sehr ernst. Nach neuester Nachricht sind preus-
sische Truppen in Holstein eingerückt. Bekann-
termaßen steht Oesterreich wie Preußen nach dem
Wiener Frieden das „Condominium" über beide
Herzogthümer (Schleswig und Holstein) ge-
meinschaftlich zu. Nach dem Gasteiner Vertrage
wurde nun freilich der „Besitzstand" dahin nor-
mirt, daß Oesterreich Holstein und Preußen
Schleswig provisorisch zu besetzen und zu ver-
walten habe. Allein Preußen behauptet nun,
daß Oesterreich diesen Vertrag, durch Unter-
breitung der Herzogthümer-Angelegenheit an
den deutschen Bünd selbst, gebrochen habe, und
.dckß hierdurch der Zustand vor dem Gasteiner
Vertragß wieder eintrete, wodurch die Real-
Abtheilung in Bezug auf die Herzogthümer auf-
höre, und das „ideale Condominium" beider
Mächte wieder in Kraft trete. (Hiernach hätte
denn freilich umgekehrt auch Oesterreich ein
Recht auf Schleswig.) Ein Kriegsfall liegt
zur Zeit auch jetzt nicht vor. Doch scheint
nach der ganzen Sachlage Preußen jetzt ent-
schlossen zu sein,. die Annexion durchzuführen,
entstehe darans, was da wolle. Die Jtaliener
aber treffen solche Anordnungen, als wollten
sie schon in den nächsten Tagen über Vene- I

tien hersallen. Wenn der Krieg zwischen Oe-
sterreich und Preußen zum Ausbruche kommen
sollte, so wird es nicht nur ein Bruderkrieg
zwischen Deutschen und Deutschen sein (was
nnsBzunächst am schmerzlichsten berührt),
sondern auch zwischen Polen und Polen, da
Anhänger dieser Nation, die mit Bezug auf
Galizien und Posen in der österreichischen und
preußischen Armee eingereiht sind, auf beiden
Seiten fechten würden.

Die „Berliner Volkszeitung" be-
kämpst die von dcn ministeriellcn Blättern auf-
gestellte Behauptung, die Einberufung dcr hol-
steiuischen Ständeversammlung enthaltc einen
Vertragsdruch von Seiten Oesterreichs. Das
Blatt stellt dem ncucsten Schritte Oesterrcichs
die bekannle preußische Zuchthausverordnuug
vom 11. März d.Z. gegenüber und sagt hierüber
wörtlich Folgcndes: „Zn dem cinen urplötzlich
ohne Vorwissen deS Milbcsitzers erlassenen Ge-
setz wird mit Gefängniß bis zu 5 Zahren be-
droht jede mißliebige Kundgebung, in dem an-
dern Act wird die Aussichl eröffnet, daß die
Wünsche und Rechtsanjchauungen der Bcvölke-
rung Holsteins durch eine längst verheißene und
landesgesetzlich sogar nothwendige Einberufung
der Slände vernommen werden sollen! — An-
genommen, es sei formell der eine einseitig er-
lasscne Act ebenso bercchtigt oder unberechtigt
in Bezug auf daS Hoheitsrecht des Mitbesitzers
wie der andere, — angenommen, dies würde
sich compcnstren, so wird man doch zugeben,
vaß der Jnhall beider Acte sie himmelweit von
einander trennt. Zst es denkbar, daß der Zn-
halt gar nicht im Urtheil eineö europäischen
Tribunals beachtet werden jollte? — Zst es
dcnkbar, daß der Congrcß vor den Augen Euro-
pa's sagey wird: Ein HochverrathSgesetz ohne
Vorwissen deS Milbesitzers überraschend zü pu-
bliciten gcgen Gesinnnngsäußerungen der Be-
völkerung sei lcgal; jedoch eine einseitige An-
ordnung zur Einberufung einer Landcsvertre-
tung, um die Gcsinnnng der Bevölkerung zu
bekundcn, sei ein berechtigter Kriegsfall!?"

Der neue preußische Finanzminister Herr v.
d. Heydt befürwortet statt einer Staatsanleihe
die Emission verzinslicher Kammerschatzscheine.

Aüer Orten und Enden in Preußrn finden
jetzt Urwählerversammlungen zur Vorbcreilung
der bevorstehenden Wahlmännerwahlen statt.
Es herrscht in densclbcn nahezu auSschließlich
ein sehr cntschiedener Opposilionsgeist vor.

Die „Wiener N. Fr.Pr." vom 8. bringt eine
Analyse der Nückäußerung Frankreichs auf die
österreichische Note vom 1. Juni, welche lautet:
Die französische Negierung befinde sich nicht in
der Lage, die Voraussetzungen, an welche Oester-
reich seine Betheiligung an der Konferenz ge-
knüpft, erfüllen zu können, sie verzichte demnach
darauf, ihrer Einladung weitere Folge zu geben.
Sie könne es b?dauern, daß jene Voraussetzungen
formulirt wurden; aber sie begreife sie und
achte sie. Jm übrigen halte sie an der Hoff-
nung fest, daß der Augenblick komme, wo es
ihr vergönnt sein werde, ihre uneigennützigen
Anstrengnngen zur Auftichtung eines dauern-
den Friedens in Europa unter Mitwirkung
aller Großmächte zu erneuern und dem erwünsch-
ten Ziele zuzuführen.

Die>„Presse" schreibt aus Wien: Jn hiesigen
gut unterrichteten Kreisen wird behauptet, daß
der durch das Einrücken der Preußen in Hol-
stein gesetzte Kriegssall nicht die sofortige Aktion
Oesterreichs herbeiführen werde, sondern daß
bei dem Umstande, daß Oesterreich die holstei-
nische Angelegenheit dem Bunde überantwortet

hal, auch die erste Action gegen Preußen dem
Bunde überlassen werden soll.

Die officiöse „Wiener Abendpost" vom 8. d.
sagt: „Dcr Einmarsch der Preußen in Hol-
stein ist cine überaus schwerwiegende That-
sache: sie bezeichnet den einseitigcn Rücktritt
von der Gasteiner Convention — einen ecla-
tanten^ beispiellosen Vertragsbruch. Wir con-
statiren, daß es lediglich der Mäßigung Ler
österreichischen Regierungsorgane zu verdankcn
ist, wenn cin blutiger und in seinen Folgen
unabsehbarer Eonflict sich. nicht sofort an den
ungerechtfertigten Schritt Preußens knüpfte."

Die amtliche „Wiener Zeirung" veröffentlicht
die österreichische Antworts-Depesche auf die
Einladung zum Congreß an die Gesandten in
Paris, London und Petersburg, vom 1. Zuni
d. I., deren weseutlichen- Jnhalt wir bereits
in Nr. 132 mitgetheilt haben.

Zn Prag wurde die Kundmachung einer
zweiten Hecresergänzung an den Straßenecken
affichirt. Der Tag der Vornahme ist uoch
nicht angegeben.

Ein Rundschreiben des Herrn Drouyn de
Lhuys an die Vertreter Frankreichs bei den
deutschen Höfen ermahnt zur Neutralität in
in dem bevorstehenden preußisch-österreichischen
Kampfe._ _

D e u r f ch l 6 n d.

Knrlsruhe, 8. Juni. Seine Hoheit der
Herzog von Gotha ist heute 11 Uhr 24 Min.
angekommen, von Sciner Königlichen Hohcit
dem Großhcrzog am Bahiihof empfangen und
in daS Nesidenzschloß gclcitet worden.

Karlsruhe, 7. Zuni. 19. öffentliche Siz-
zung der erstcn Kammer. (Schluß.)

Staatsminister Dr. Stabel: Er wollte
nur, daß uns eine Armee zur Seite stände,
welche so muthig, angreifslustig und zuversicht-
lich wäre, wie die erste Rede, die wir gehört
haben. Jm Uebrigen könne er auf das Spe-
zielle weder erster noch zweiter Rede eingehen,
beide seien vom Parteistandpunkt aus gehalten,
und die Regierung wolle ja uuparteiisch blei-
ben. Jm Bericht werde alles Gewicht auf die
Lösung der Schleswig-Holstein-Frage und der
Bundesreform-Frage gelegt. Die großh. Re-
gierung hä.tte dieser Frage von jeher ihr größtes
Jntereffe zugewendet, aber sie habe noch andere
Rücksichten zu beachten. Ein Schiffer auf sturm-
bewegter See werde zunächst nicht darauf den-
ken, wie schnell er sein Endziel erreiche, son-
dern zunächst darauf, daß er das Schiff rette.
Auch uns sei die Jntegrität und Erhaltung
unseres Landesgebiets und Thrones das Nächste.
Daß uns' in dieser Nichtung Eventualitäten
drohen können, sei unzweifelhaft und auch in
den jüngsten Thronreden ausgesprochen worden.
Deßwegen müßten wir so handeln, wie wir
glauben, daß die Jntegrität und Existenz un-
seres Landes nicht in Frage gestellt werde.
Dieser Punkt sei zu sehr übersehen oder über-
gangen worden. Auch die Auslegung, welche
Hr. Ministerialrath Jolly dem Negierungspro-
gramm gegeben habe, könne die Negierung nicht
unbedingt als die ihre anerkennen; sie werde
darin ihre eigenen Wege gehen.

Hoftath Dr^Schmidt: Niemand werde in
diesem und im andern Hanse sejn, der nicht
anerkenne, daß die Jntegrität und Existenz des
Landes ein wesentlicher Faktor sein müffe. Wir
.seien in einer Lage, daß wir keine Veränderung
derselben zu wünschen hätten.

Ein Krieg an sich ein Uebel, sei besonders
zu verurtheilen, wenn er in einen Bruderkrieg
ausarte, und dazu noch andere Fährlichkeiten
 
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