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Heidelberger Zeitung — 1866 (Januar bis Juni)

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Nr. 26-49 Februar
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Ueidelbtrgrr Zeilung.

KreisverküiiLigungsblatt für den Kreis Heidelberg und amtliches Zerlündigungsblatt für die Amts- nnd Amts-
Gerichtsbezirke Heidelberg und Wicsloch und den Amtsgerichtsbezirl Neckargemünd.



Samstag, 17 Februar


18««

* Politische Umschau.

Nach der „Bresl. Ztg." hat der ehemalige
Justizminister von Bernuth eine Audienz bei
Sr. Maj. dem Könige nachgesucht und erhal-
ten, behufs Vorstellungen wegen des Anklage-
beschlusses des Obertribunals.

Der Obertribunalsbeschluß ist noch immer
das stehende Thema in allen politischen Kreisen
der preußischen Hauplstadt. So sehr hat seit
Jahren in unserem Volke nichts gezündet, nichts
so sehr das Nachdenken angeregt. Jetzt beab-
sichtigt nun die Regierung, untersuchen zu las-
sen, durch wen die Abstimmung der Senate
des Tribunals in die Oeffentlichkeit gedrun-
gen ist.

Das Zuchtpolizeigericht hat in dem bekann-
ten Processe gegen Classen-Kappelmann, sowie
die Redacteure der „Köln. Ztg." und der „Köln.
Blätter", wegen der mit dem Abgeordnetenfeste
,in Verbindung stehenden Vorgänge, sämmtliche
Angeklagte freigesprochen. — Wie man ver-
nimmt, so hat der Vertreter des öffentlichen
Ministeriums in Betreff der freisprechenden Ur-
theile gegen die Herren Classen - Kappelmann,
Kruse unv Fried. Hoffmann, Appell eingelegt.

Das Gerücht, über ein Attental gegen den
Kaiser vön Oesterreich hät sich nach den angestell-
ten Untersuchnngen als grundlos erwiesen; der
betreffende Polizeibeamte, ein noch- sehr junger
Mensch, hat die Möglichkeit einer „Selbsttäu-
schung" zugegeben. (S. Feuilleton, Wien, 13.
Febr.)

Dem „Pesther Llvyd" zufolge sind sämmt-
liche Minister auf heute Freitag nach Pesth
beschieden worden.

Der Pariser „Abendmoniteur" meint, die
uUgarische Adresse sei der Form nach von der
größten Mäßigung durchdrungen; die österrei-
chische Regierung werde sich wohl in Bezug auf
die innere Gesetzgebung Ungarns versöhnlichen
Sinnes zeigen, wenn die Ungarn ihrerseits in
Bezug auf die gemeinschastlichen Angelegenhei-
ten Beweise von Versöhnlichkeit gäben.

Die Bank von Frankreich hat den Disconto
von 5 auf 4^/z pCt. herabgesetzt.

Unter der Pariser Stndcntenschaft haben
wieder verschiedene Verhaflungen ftattgefunden.

Die Nachricht von Zusammenziehung russi-
scher Truppen an der Grenzc Galiziens wird
von vcrschi«deneii Sciten^theils bezweifelt, theils
in Abrede gestellt.

Ein Mrst Aalimachi. *)

Paris, 26. Ianuar.

Die fürstlichr Famtlic Kalimachi ist bckanntlich
eine drr ersten Familien der Türkri; rines ihrrr
Mttglieder ist türkischrr Botschafter in Wirn. Untrr
diesem Namen traf AnfangS October v. I. mit
dem Dampfboote aus Alerandria in Marseille ein
Fremder ein, der im Grand Hotel der genannten
Stadt abstieg und die prachtvollen Gemächer bezog,
welche im vortgen Iahre der Kaiser von Rußland
auf seiner Reise nach Nizza inne gehabt hatte. Der
Fürst erklärte, daß er im Auftrage Ali Pascha's
nach Frankreich komme, um Pferde für denselben
zu kaufen. Dabei erzählte er, sein Vater, einer
der höchsten Beamten in Konstantinopel, sei uner-
meßlich reich, gebe jedem seiner Söhne monatlich
12,000 Franken und habe so ausgedehnte Brfitzun-
gen, daß er auf einem der Seen, die darin lägen,
mehrere Dampfboote hin und her führe.

Die hohe Standesperson stattete auf bem General-
Lonsulatr der Türkei, welchem der Vice-Lonsul

') A. d. F. Z."

Zu Take in Aegypten haben 4000 Mann
Negertruppen revoltirt, weil sie ihren Sold
nicht erhielten und nach Mexiko gebracht zu
werden befürchteten. Die Regierung übte blu-
tige Rache; neun Zehntel der Truppen wurden
getödtet oder als Sklaven verkauft. Der ge-
genwärtige Vicekönig hat eine Rohheit und
Grausamkeit dabei bewiesen, die ihn als wür-
digen Nachfolger Mehemed Ali's erscheinen läßt.

Deutschland.

-j-* Karlsruhe, 15. Febr. Sechste öffent-
liche Sitzung der H. Kammer. Wegen Un-
wohlscins des Präsidenten Hildebrandt über-
nimml der Vicepräsident KirSner den Vorsitz.

. Von mehreren Abgeordneten werden Motionen
angekündigt, deren Begründung in einer nächst-
folgenden Sitzung geschehen wird, nämlich von
Eckhard über Einführung der obliga-
torischen Civilehe, von Moll über Er-
richtung einer badischen Bank; von
-Pagenstecher über den Schutz der Rede-
freiheit in der Ständekammer u. a. Hierauf
werden eine Reihc von Petitionen vorgelegt,
namentlich von Wolfach und einer Anzahl Ge-
meinden, über die Weiterführung der Kinzig-
thalbahn. Von Stockach ist eine Petition über
die badische Bankfrage, sodann eine Petition
über allgemeine Einführung deS Turnunterrich-
tes in den UnterrichtSkreiS der Volksschule rc.
eingelaufen. Mehrere Abgeordnete erhalten Ur-
laub, so namentlich^ Bürgermeister Bittmann
von Lahr auf 6 Wochen. was die Kammer mit
Stillschweigen hinnimmt.

Am Ministertisch befinden sich die Vorstände
sämmtlicher Ministerien; der Minister des Aus-
wärtigen, v. Edelsheim, erscheint zum ersten
Mal in der Kammer. Von den Ministerialchefs
wird eine Reihe Gesetzesentwürfe vorgelegt,
nämlich von dem Kriegspräsidenten Gcneral-
lieutenant Ludwig ein Gcsetz, Abrundungen
des Conscriptionsgesetzes, namentlich des Ein-
ftandswesenS betreffend. Derselbe bemerkt hicrbei
in Kürze: die Absicht des Gesetzes gehe nicht
dahjn, das Einstandswesen abzuschaffen, da
dasselbe sich als wohlthätig erwiesen habe.

Der Präsident des Ministeriums des Jnnern,
Dr. Lamey, legt solgende drei Gesetzentwürfe
vor: 1. ein neues Preßgesetz, 2. ein Gesetz über
das Vercins- und Versammlungsrecht, 3. über
Abänderung einiger Bestimmungen der GemeiN'
deordnung. Der Finanzprästdent Dr. Vogel-

Dcr Fürst sollte, wie er sagte, für etwa 40,000
Franken Pferde kaufen, und setzte fich mit einem
der ersten Pferdehändler von Marseille, Larbonnel,
in Verbindung, welcher in Marseille, wie auch in
Avignon und Lyon Stallungen hat. Da dcm Für-
sten die in Marseille vorgeführten Pferde nicht ge-
fielen, ließ Carbonnel seine schönsten Pferde mit
großen Kostrn von Lyon nach Avignon schaffen,
und es wurde ein RendezvouS in Avignon fest-
gesetzt. Auf der Reise dorthin war der Fürft von
eincm Türkrn tn orientalischer Kleidung beglritet,
den er als einen der ersten Stallmeister Ali Pascha'S
vorstellte. Die Pferde wurdcn vorgeführt, eine Ans-
wahl getroffen und AlleS für eine demnächste Ab-
lieferung verabredet.

In Marseille zurück, ließ der Fürst von dem
Secretär deS Hotels eine telegraphische Depesche an
Ali Pascha aufsetzen, in welcher er dtesem den Ab-
schluß deS GeschäfteS meldete und um ZahlungSan-
weisung ersuchte.

Unterdrffen genoß der Kürst eineS anfehnlichrn
LredttS und sprach von der bevorstehenden Ankunft

mann: ein Gesetzentwurf, die Besteuerung soge-
nannter Wanderlager betreffend. Endlich der
Vorstand deS HandelsministeriumS, Staatsrath
Matthy, ein Gesetz, den Bau einer Eisenbahn
von Rastatt nach Gernsbach betreffend.

Dicse sämmtlichen Vorlagen werdey ohne
weitere Bemerkungen der Kammer übergeben,
und von dieser zur Vorberathung in die Ab-
theilungen verwiesen.

Die öffentliche L-itzung wurde hierauf kurze
Zeit unterbrochen, indem die Wahlcommissivn
die' von Staatsrath Lamey vorgelegten Wahl-
acten der beiden noch rückständigen Wahlen, die
des 13. Aemterwahlbezirks und der Stadt Hei--
delberg zu prüfen hatte. Nach Wiederaufnahme
der öffentlichen Sitzung werden beide Wahlen,
der Abgeordneten Sachs (Oberamtmann in
Pforzheim) und Krausmann (Obcrbürger-
meister in Heidelberg), von der Kammer ge-
nehmigt.

Der Tagesordnung gemäß berieth die Kam-
mer hierauf die Berichte der Budgetcommission
über die Rechnungsnachweisungcn aus der vor-
letzten Finanzperiode, 1862—63, und zwar zu-
nächst über die Rechnungsnachweisungen deS
Ministeriums des Großherzoglichen Hauses und
der auswärtigen Angelegenheiten, sodann übcr
die des Justizministeriums. Beide geben keiner-
lei Anlaß zu Bemerkungen, und werden daher
die Rechnungsnachweise nach dem Antrage der
Commission für unbeavstandet erklärt.

Schließlich dürfen wir nicht unerwähnt lassen,
daß unserer Kammer heute die seltene Ehre
widerfuhr, mit einer Pctilion auS den Kreisen
deS schönen Geschlechtes überrascht zu werden,
indem „Frauen und Zungfrauen" von Obrig-
heim mil einer Vorstellung über die Civilehe
und deren Einführung in Baden sich an die
Verlreter des Landes wendeten. Je seltener
eme solche Theilnahme an öffentlichen Angele-
genheiten aus der Mitte des weiblichen Ge-
schlechts zu geschehen pflegt, desto größere Theil-
nahme hat dieselbe gefunden. Ob indeß die
ehrsamen Obrigheimer Frauen und Jungfrauen
selbstständig zu einem so muthigen Schritt sich
erhoben haben, oder ob sie lediglich der beredte
Mund hochwürdiger Jmpfer gewordcn, daS
werden natürlich sie selbst am besten wiffen.

):( Karlsruhe, 15. Febr. Der frühere
Staatsminister v. Meysenbugh ist heute
Nacht plötzlich gestorben, nachdem er gestern
Abend noch eine Oescllschaft hxj stch gesthen.

einiger seiner Verwandten; der Wirth becilte fich
immer mehr, jedem Wunsche seine< hohen GasteS
zuvorzukommen, der auf daS Fürstlichfte logirt und
bewirthet wurde. Auch lieh ihm der Wirth 4000
Franken in baarem Gelde.

Der Pferdehändler Carbonncl, glücklich über den
Vorzug, den der Fürst ihm vor selnen Concurren-
ten gegrben hatte, lteh demselben in Erwartung
der bevorstrhendcn Zahlung 1500 Franken. Ein
Schneider lieferte für 1500 Franken Anzüge, ein
Hutmacher fünf bis fechS Hüte, ein Schuster ein
Dutzend Paar Stiefel u. s. w. Alle Liefcranten
aufzuzählen, würde zu weit führen. Gehcn wtr

Fürst, bezaubert von der Schönheit Marsetlle'S,
faßte den Entschluß, dort einen längeren Aufent-
halt zu nehmen und zu heirathen. Aber etn Fürst
geht nicht auf AlltagSwegen, ein Fürst darf dem
Alltäglichen Trotz bieten und felbst dem Zufalle
bei einer so wichtigen Angelegenheit eine Mitwir-
kung gestatten, bei der gewöhnliche Sterbliche mit
der größten Genauigkeit zu verfahren pflegen.

(Schluß folgt.)
 
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