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Heidelberger Zeitung — 1866 (Januar bis Juni)

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Nr. 76-99 April
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https://doi.org/10.11588/diglit.2795#0379

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Wdelbkrgtr Zeilung.

Kreisverkündigmgsblatt für den Kreis Heidelberg unü amtliches Verlündigungsblatt für die Amls-- und AmtS-
Gerichtsbczirke Heidelberg und Wicsloch nnd dcn Anltsgerichtsbezirk Neckargeniünd.


Mtttwoch, II Aprll


18««.

Beftellungen auf die „Heidelberger
Zeitung" nebft Beilage „Heidelber-
ger Familienblätter" für das mit 1.
April 1866 begonnene 2. Quartal
werden fortwährend angenommen.

Die Expedition

X Zur Kennzeichnung der kriege-
rifchen Lage

Heut zn Tage wünscht wohl Jedermann —
mit Ausnahme etwa einzelner avanccmentS-
lustiger MilitärS — den Frieden erhalten zu
sehen. Nicht allein steigert die wachsende Civi-
lisation das Grauen vor dem Vergießen von
Menschenblut, sondern dic Völker sind anch zu
der Einsicht gekommen, daß der sichere Weg
zur innern Freiheit und zu einer imponirenden
Machtstellung nach Außen nicht durch die Pfade
kricgerischen Ruhmes führt, sondern die der
FriedenSkünste, der Arbeit, des FleißeS. Selbst
ein glänzend und glücklich geführter Krieg
fchwächt die Kräfte deS Slaates, der anhaltende
Frieden stärkt das arbeitende Bürgerthum, die
sicherste Säule der Freiheit und der Macht.
Jedermann hegt mit Recht den sehnlichsten
Wunsch, daß dem in Deutschland noch immer
drohenoen Bürgerkriege vorgebeugt werde. Fas-
sen wir die hier zu Grunde liegende Situalion
speciell genauer in's Auge, so finden wir: Jeder
der beiden streitenden Theile, Oesterreich und
Preußen, betheuert seine entschiedene Friedens-
liebe, jeder beschuldigt den andern kriegerischer
Absichten und behauptet, nur durch dessen Maß-
regeln zu Gegenmaßregeln veranlaßt worden zu
sein. Beide Staaten werben um Bundesge-
nossen, der eine auf die bestehende Bundesver-
fassung sich stützend, der andere, die Mängel
dieser Bundesvcrfassung betonend und ihre Re-
form fordernd, dadurch eine Seite berührend,
dte im Herzeü des Volks sehr lebhaft wider-
hallen wird^ wenn es uicht eben diese Ne-
gierung ware, die sie anschlägt. Gegeu diese
umhertastende, abspringende Art der Behand-
lung der politischen Frage"ist mit Recht die
öffentliche Meinung sehr erregt. Auch wenn
Oesterreich und Preußen den Krieg nicht ernst-
lich wünschen, erblickt man mit Recht eine er-
hebliche Gefahr in dicsen Spielen mit Feuer.
Jede der beiden Regicrungen gibt sich den An-
schein, zum Kriege gedrängt zu sein. Dadurch
ist eine so gespannte Situation herbeigeführt,

daß irgend ein Zwischenfall selbst gegen den
Willen beider Mächte den° Kriegsfunken zur
hellen Flamme anblasen kann. Hiergegen richtet
sich daS vollberechtigte Verlangen, daß mit dem
Kricge weder gedroht noch gespielt werde, und
daß von.Krieg zwischen den beiden Mächten
um so weniger die Rede sei, da nicht einmal
alle Mittel der friedlichen Unterhandlung er-
schöpft sinv. Es ist dies in der That um so
weniger der Fall, da Preußen bisher seine An-
forderungen an Oesterreich und seine Anerbie-
tungen, die es zum Ersatze macht, noch nicht
einmal genaü präcisirt hat. Mil Recht richtet
daher die öffentliche Stimme, die den Frieden
verlangt, ihren Druck hauptsächlich gegen
Preußcn.

* Politifche Umschau.

Heidelberg, 10. April.

Einem Wiener Telegramm der „H. N." zu-
folge, wird die österreichischc Regierung erst
dann die Verhandlungen mit Preuß^n wieder
aufnehmen, wenn der officiellen Mobilisirung
auch die officielle Demobilisirung gefolgt ist.

Nach der Berliner „Bank- und Handelsztg."'
überbrachte der russische General Nichter den
Vorschlag, dem Großherzog von Oldenburg die
Elbherzogthümer abzutreten, Preußen solle da-
gegen eine anderweitige Gebietsentschädigung,
Oesterreich eine -Geldabfindung erhalten.

Die „Kreuzzeitung" sieht sich veranlaßt, alle
Gerüchte über einen bevorstehenden Rücktritt
des Grafen Bismarck als unbegründet zu be-
zeichnen.

Jn einer von mehr als 1000 Personen be-
suchten Versammlung eines Berliner BezirkS-
vereins wurde die Resolution der Wittcner
Wähler (directe Bitte an den König nm Er-
haltung des FriedenS) angenommcn, und die
Erwartung ausgesprochen, daß auch die übrigen
Bezirksvereine von Derlin diesem Beispiel fol-
gen werden. Auch in Magdeburg und De-
litzsch fanden Urwählerversammlungen statl, in
welchen ebenwohl Protesterklärungen gegen einen
Krieg mit Oesterrcich beschlossen wurden.

Die „Eob. Ztg." schreibt mit fetter Schrift:
„Jn Bezug auf umlaufende Zeitungsgerüchte
glauben wir als zuverlässig mittheilen zu kön-
nen, daß der Herzog allerdings mit den Höfen
von Wien und Berlin in einen lcbhaften Ver-
kehr getreten ist, wie es ebensowdhl den än-
hängl'ichen Empfindungen Sr. Hoheit an beide

erlauchte Häuser, als auch der patriotischen
Sorge um daS Wohl der Nation entspricht."

Die Berliner Blätter vom 4. April veröffettt-
lichen eine lange Liste militärischer Avance-
ments in allen Chargen, die Landwehr nicht
ausgcschloffen. Die „Kreuzztg." macht jedoch
darauf aufmerksam, daß diese Veränderungett
alljähr.lich um diese Zeit stattfinden.

Der angcbliche preußischc Spion, der am
7. in Prag verhaftet wurde, ist der von Berlin
gekommene preußische Graf Waldersee.

Zuverlässigen Nachrichten zufolge erklärtPrinz
Napoleon in Florenz lediglich, Frankreich könne
die preußische Allianz weder an- noch abrathen,
da es zu stricter Neutralität entschlossen sei;
keineSfalls könne es irgendwclche Verantwort-
lichkeit sür den Fall übernehmen, -daß Jtalien
Oesterreich angriffe. Diese Erklärung kann iu
Florenz nur alS eine Verwarnung aufgefaßt
werden.

Zu Florenz ist am 31. März der preußische
Major v. d. Burg alS preußischer Militärbe-
vollmächtigter eingetroffen. Prinz Adalbert,
unter dem Namen eines Grafen NavenSberg,
wurde in Genua ünd Spezzicr zur Besichtigung
der Arsenale erwartet. Man schreibt diesem
Besuche keine politische Bedeutung zu.

Die Gespanntheit der Lage wird in diesem
Augcnblick noch erhvht durch die sogenannte
Vertagung der Pariser Conferenz, wie man be-
schönigend daS vollständige Scheitern derselben
nennt. Nach Berichten aus Paris soll es nicht
möglich gewesen sein, sich auch nur über einen
Punkt zu einigcn, und die Mitglieder zogen
es vor, lieber die Berathungen zu sistiren, um
zu verhütcn, daß die Differcnzen nicht durch
die Conferen; noch erhöht werden; nur über
das Princip der Jntegrität der Pforte ist man
einig.

Die „Opinion nationale" hat eine zweite
Verwarnung erhalten.

D e u t s ch l a n d.

Karlsruhe, 9. April. Se. Königl. Hoheit
der Großhexzog haben den an der Universität
Freiburg erledigten Lehrstuhl der Philologie
dem Dr. Wikhelm Brambach in Leipzig, unter
Erncnnung zum außerordentlichen Profeffor,
zu übertragen geruht.

Wegen Ablebens des Landgrafen Ferdinand
von Hessen-Homburg legt der großherzogliche

Eine Bifttenkarte.

Victor Hugo ist nun ein. alter Mann und lange
Iahre im Eril. AlS er es noch nicht war, als er
noch französischen Boden und französische Lüft hatte,

schreitet er dann hastig auf das Portal zu und be-
findet fich nicht viel später im Vorzimmer, wo etn
junges Mädchen ihn empfängt.

„Mein Herr?"

Dcr junge Mann blickt zu Boden und erröthet;
er dreht seinen Hut mit ungeheurer Schnelligkeit
in den Händen und — schweigt.

„Sie wünschen — mein Herr —-?"

„Ja wohl — ich — ich wünsche."

„Nun ja, aber — ?"

„Ganz recht! Ich — ich —"

„WaS denn aber?"

„ksräon, Hlsckemoi^etle — ich — Herrn Hugo."

> „Herrn Hugo! -- O, Herr Hugo ist vor fünf
! Minuten fort."

Der junge Mann drehte seinen Hut fortan ntcht
i mehr, sondern hob langsam sein Auge zu dem
Mädchen empor, daS nun seinerseitS die Wimpern
senkte.

„Haben Sie die Güte, Slsäemoiselle, mtr zu
gestatten, daß ich warten darf."

„Unmöglich, Herr Hugo kehrt erst am Abend
wieder."

Die Wangen deS Fremden begannen jetzt blaß
zu werden, und nach einigen vergeblichen Versuchen,

ein Blättchen, auf welckeS er mit Bleistift EtwaS
schrirb. Er gab dies Blättchen dem Mädchen und
ging schweigend hinaus. Als Victor Hugo am
Abend heimkehrte, fand er auf seinem Ttsch daS
Blättchen. Er warf einen oberstächltchen Blick
darauf, dann einen aufmrrksameren und nahm eS
endlich zur Hand. — Vine halbe Minute darauf
war daS ganze HauS in Aufruhr. Nirmand tndrß
wußte mehr zu sagen, alS daS junge Mädchen,
und bieseS konnte srine Neugier durchauS ntcht be-
friedigen. Victor Hugo lirf nach der Polizet —

daß'der Träger deS NamenS, welchen er nannte,
nicht mehr in Paris sei. Er kehrte heim und laS
wieder die Karte.

Dich bäte, spende meinem Schoße^

Ein Tröpfchen WafferS, um zu blühn;

. Wenn eine Schwalbe, matt die Schwinge,
Vom kaltcn Wmterfrost versehrt,

Leis' flehend Dir am Fenster hinge:

O girb mir Platz an Deinem Herd; —

Die Rose dürstete nicht länger,

Der Schwalbe würdest Schutz Du leihn:
Warum barf ich für Dich, o Sänger,

Dte Rose nicht, das Vöglein sein?

„Das tst ein Dichter, bei Gott, ein Dichter!
Wo — wo finde ich thn?!" rief Hugo.

Aber er hat ihn nie wieber gefunven.

Mannheim, 3- April. Gestern Abend gegen
5 Uhr kamrn in ein hiefiges Gasthaus zwei Rei-
sende, worunter ein Auswanderer aus Bretten. Im
Gastzimmer gesellte fich ein dritter Gast zu ihnen,
welche drei Fremde sich hettrr unterhielten und grgen
 
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