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Heidelberger Zeitung — 1866 (Januar bis Juni)

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Nr. 126-151 Juni
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Undelbrrgtr Zrilung.

Kreiooerküudigungsblatt für dcn Kreis Heidelberg und amtliches Verkündigungsblatt für die Amts- und Amts-
Gerichtsbezirke Heidelberg unü WieSloch und den Amtsgerichtsbczirl Neckargciiiüiiü.



Doiinerstag, 28 Iuni


-k Das Ziel des Kampfes.

Kaum mehr alö eine Woche ist verflossen seit
der denkwürdigen Bundestagssitzung vom 14.
Juni, in welcher Preußen „den bisherigen Bun-
deövertrag für gebrochen und deöhalb nicht mehr
verbindlich" erklärt hat. Rasch die Consequen-
zen aus dieser Erklärung verwirklichend, über-
zog die Armee dieseS StaateS feindlich die Län-
der Sachsen, Hannover und die beiden Hessen,
welche sich Hilse suchend wieder an den Bund
wandten und dort Hilfc zugesagt erhieltcn. Mit
' einer Energie, wie man sie vielleicht nicht hätte
erwarten dürfen, wurde in neuesten Tagen die
Concentration der BundcStruppen zum Schutze
der Bundes-Hauptstadt, evcntuell der gefährde-
ten Nachbarstaaten inS Werk gesetzt: ein tapfe-
rer Führer trat rasch an ihre Spitze. Jndessen
große Zeitcn schreiten schnell und heischen drin-
gend, daß, wer sie mit zu leiten gewillt ist,
nicht einen Augenblick hinter dem rapiden Gange
der Ereignisse zurückbleibe! Erst seit 10 Ta-
gen hatPreußen seineVergewaltigungsactc gegen
treue BundeSstaaten in Scene gesetzt. Allein
die hochfahrende Erklärung eineS BundeSgliedeS,
der Bund sei gcsprengt, die Fahnenflucht einiger
preußischer Satelliten, die wohl bald bevor-
stehende Trennung einiger klcinerer Staaten
vom Bunde, da sie sich preußischem Drucke nicht
entziehen können, die preußischen Sommationen,
die den bundestreuen Ncgierungen nicht nur
den Beitritt zum Sonderbund, sondern schmäh-
licher Weise die Mitwirkung zur Verwirklichung
des aller Freiheit spottenden Bismarck'schen Ne-
formentwurfS anmutheten — das Bündniß Preu-
ßens mit dem das Bundesgebiet rücksichtslos
verletzenden Jtalien—, dics AUes beweist: hier
haben wir es nicht mehr mit zu besorgenden
oder wirklich ausgeübten „Thätlichkeiten zwischcn
BundcSgliedern", also nicht mehr mit Art. 19
der Wiener Schlußacte zu thun; nein, hier voll-
zieht sich in schreiendem NechtSbruch ein mäch-
tiger Angriff auf den Bund alS solchen, auf
die „in polilischer Einheit verbundene Gesammt-
macht" (Wiener Schlußaclc Art. 2), in welchcr
doch biS jetzt das EinhcitSbedürfniß der deut-
schen Nation allcin seincn Ausdruck gefunden
hat. Dcr prcußische Angri'ff ist, wie die Abwehr
dagegen, kein „Krieg": eln solcher ist zwischen
BundcSgliedern unmöglich! Preußen aber stcht
noch im Bunde: dcnn das deutschc Volk wurdc
durch die von Preußen mituntcrzeichneten Grund-
verträge dcs Bundes zusammengefaßt in eincn
„beständigen, nnauflöSlichcn" Vercin, „aus wel-
chem deshalb der Anskritt keinem Mitgliede des-
selbcn frcistehen dürfe". Somit ist Preußens
Gewaltact ein widerrechtlicher Angriff
auf die politische Einheit dcr deut-
schen Nation! Dicse dggcgen zu schützen,
die SecessionSgelüste PrenßcnS und sciner Ge-
noffen zu zerstören, die bcrechtigte Gewalt ge-
gen die unbercchtigte Gewalt ins Fcld zu füh-
rcn, das braucht nicht erst ein Artikcl der Bun-
deSacte zu gestatten. Hier tritt die Noth-
wehr in ihrc h eilig en N cch te, wie über-
all da, wo das Unrecht unsere köstlichstcn Gü-
tcr bcdroht. Also nicht mehr die Anwcndung
dcS Art. 19 drr Wicner Schlußacte: cine ganz
andere Parole muß für dcn entbranntcn Kampf
auSgegeben werdcn, u.nd wir erstauncu,
daß siederBundeStag noch nicht aus-
gegcben hat. Denn jetzt wahrlich gilt es,
rasch zu denken. rasch im Volk dic ricktigcn
Anschauungen zu verbrcitcn, vor allem aber
schnell zu handeln! Soll die Losung dcS
KampfeS lediglich die Aufrcchthaltung
deutscher Einheit sein? Frcilich muß diese

erhalten werden : allein sie ist doch nur Mittel
zum Zweck! Und dieser Zweck ist ein höherer!
Die Nothwendigkeit seiner Erreichung hat das
deutsche Volk schon lange erkannl; sic habcn die
deutschen Fürsten auf dem Fürsteytage, die Mi-
nister der bundestreuen Staaten neuerdings
wieder in ihren jeweiligen Kammern zügestan-
den, selbst der preußische Neformentwurf gibt
sich dcn Anschein, ste zu begreifen, was er aber
seinem Ursprunge nach nicht kann; dieser Zweck
heißt: UmgestaltungdesdeutschenBun-
des unter Mitwirkung ciner Volks-
vertretung, um einen auf die Macht
der nationalen Einheit gegründeten,
die nationale Freiheit — besonders
durch die Vertretung des Volks in
einem, mit Nechten würdig auSge-
stattetenParlamente —gewährleisten-
den Bundesstaat he r zustellen! —
Die freimüthige Anerkennung desselben und das
feierliche Versprechen, dieser Nothwendigkeit je-
demallS Nechnung tragen zu wollcn, — daS ist
der andere und wohl der Hauptpunkt
der auszugebendcn Losung! Für das
Recht gegen dic Gewalt, für die Ein-
heit gegen die Zerreißung, für die
wahrhaft freiheitliche Entwicklung g e-
gen die Segnungen des selbst des eig-
nen Volkes nicht schonenden preußi-
schenMililär-Absolutiömus: das sind
dannGüter, die, daderKampf nöthig,
des Kampfes werth sind. Dassind die Gü-
ter, die ein hohcr Bundestag in einem Manifeste
an daS deutsche Volk dicsem als die Ziele des
Kampfes aufweisen und dadurch dem Kampfe
seine Wcihe crtheilen muß. Das stumme, ernst-
prächtige Sinnbild dieser idecllen Güter, die
schwarz-roth'-goldene Fahne, die jctzt wicder auf
dem Bundespalast weht: sie gehct auch im Kampfe
voran; das deutsche Abzeichen unterscheide das
BundeSheer von den Gegnern! So steht die
Parole fest: wann aber wird sie gegeben? Der
Kampf ist da: wo aber ist noch der Feldherr?
Slattliche Truppenmassen sind versammelt: wer-
den sie eilen, den bedrohten Hannoveranern die
Hand zu reichen? Die Preußen stehen in Sach-
sen, Hannovcr: wann wird Hohcnzollern besetzt?
wann wird die wohl noch immer in der Luft
liegende Scheu, preußischeö Gedict zu betretcn,
preußisches Gut mit Beschlag zu belcgen, durch
die entschiedene Thatkraft dcr Gegner gebrochen
werden? Also Energie wider die Ener-
giedeSFeindes! Jm dentschen Sinn geführt,
kann dem Kriege für unsere gute Sache der
Sieg nicht fehlen, nach welchem nicht uur uns,
sondern, so sehr dic Fcinde es jctzt leugnen
werden, auch ihncn wohl bessere Zustände win-
ken würden. ES licgt eine furchtbare Jronie
darin: daö prcußischc Volk kämpft jetzt für daS-
selbe Negimcnt, wclchcS zn bckämpfen eS Jahre
lang für seine hciligePflicht crkannte; cS hilft
der Macht, daS Necht niedcrzuwcrfen, wohl um
von der siegenden Gewalt zu erbcttcln, was cö
von der früher isolirten zu ertrotzen nicht vcr-
mocht hat. Höhnisch aber würden ihm dann die
Gewalthaber — errängen sie, waö Gott verhüte,
den Sicg — dic letztcn Fetzen dcr Vcrfaffung
vor die Füße werfen und ihm noch sagcn kön-
nen: du hast'S so gewollt! Aus dcn Nc-
beln der Jdeenverwirrung treten hellleuchtcnd
die Ziele hcrvor, für die wir kampfcn: jemchr
wir aber gepackt werdcn von dcm Bcwußtscin
der Nothwendi'gkcit, sie zu errcichen, dcsto ener-
gischer wcrden wir für sie cintrcten, dcsto drin-
gendcr aber fordern wir von dem Bunde rasches
Vorgehen, entschlosscnes Handeln

und das Hochhalten der dcutfchen
Fahne!

* Politische Umfchau.

Heidelberg, 26. Zuni.

Ueber die augenblicklichen Stellungen der
verbündeten Armeen, die größtentheils schon
im Marsche begriffen sind, entnehmen wir einem
in der „N. B L. Z." enthaltenen, wie es scheint,
von einer militärischen Feder herrührenden
größeren Artikel, Folgendes: Das Centrum
der österreichischen Nordarmee, -der sich jetzt das
gesammte sächsische Heer angeschlossen, steht am
Fuße des böhmischen Riesengebirges und stützt
sich auf die Festung Josephstadt — ihr Weg
sührt über Görlitz oder Liegnitz. Das Heer
der Bayern steht im östlichen Franken und seine
Bestimmung ist Leipzig und Halle. Das achte
Armeecorps mit den Kurhessen scheint vorerst
nach Kassel und später zur Vereinigung mit
den Bayern nach Halle bestimmt zu sein. So
scheiuen uns die Operationslinien zu liegen.
Wir mögen uns täuschen, allein die bis jetzt
vorgenommenen Concentrationen berechtigen uns
zu dieser Annahme. Jst diese richtig, so wirft
sich die Frage auf: ob dieser Plan ein guter
wäre und Aussicht auf Erfolg hätte. Entschie-
den läßt sich diese Frage weder bejahen, noch
verneinen. Wenn die Streitmächte der beiden
Gegner sich gleich stnd, so wäre der eben an-
gedeutete Operationsplay jedenfalls verwerflich
und schlecht Preußen, welches auf der Defen-
sive wäre, erhielte in dem großen Halbkreise,
in welchen der Krieg ausstrahlen würde, die
innere und deshalb kleinere Linie; es könnte
leichter Concentrationen bewerkstelligen als seine
auf der größeren Außenseite des Halbkreises
sich bewegenden Feinde. Während es z. B. nur
schwachen Widerstand den Oesterreichern ent-
gegensetzte, könnte es den Bayern einen ver-
nichtenden Streich versetzen und nach diesem
Streiche seine Gesarmntmacht gegen die Oester--
reicher concentriren. Sind jedoch die Maffen
der Bundestruppen den preußischen Heeren
überlegen, so wäre der eben angedeutete Plan
der beste und radicalste, weil er mit allen
preußischen Vertheidigungsmitteln total auf-
räumen und bei einer erfolgreichen Occupation
Berlin's eine tsbuls 1-033 hinter sich laffen
würde. Ueber die numerische Stärke der Bun-
destruppen, von denen die Offensivbewegung
gegen Berlin ausgehen soll, hält der Corre-,
spondent alle bisherigen Angaben für übertrie-
ben, bei seiner Annahme hat er nur die wirk-
lichen Combattanten im Auge und nicht den
in den Hospitälern und Depots zurückzublei-
benden Troß. Die Erfahrungen der letzten
Kriege haben uns gelehrt, daß von der auf
dem Papiere stehenden Truppenzahl einer Armee
nicht mehr als drei Fünftel auf's Schlachtfeld
geschickt werden können; zwei Fünftel bleiben
im Hospital und in Festungs- und Depotgar-
nisonen zurück. Die zur activen Operation be-
stimmte österreichische Nordarmee schlagen wir
mit Einschluß des gesammten sächsischen Heeres
auf 145,000 Mann an; ein kleines Truppen-
corps bliebe bei Oderbcrg und ein anderes bei
Theresienstadt zur Deckung der Grenzen zurück;
ersteres hätte Olmütz, letzteres Prag zum Stütz-
punkt. Die bayerische Armee in Franken kann
mit 50,000 Mann ihren Marsch beginnen und
das achte Armeecorps mit Zuziehung der kur-
hessischen Truppen kann eine Effectivstärke von
65,000 erreicht haben. Es ergäbe sich dem-
gemäß (ausschließlich der in zweiselhafter Lage
befindlichen Hannoveraner) eine Macht von
 
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