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Heidelberger Zeitung — 1866 (Januar bis Juni)

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Nr. 100-125 Mai
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Krcisiierkündigiillgsblatt fiir üen Kreis Heidelberg unü amtlichcs Zerkündigungsblatt für dic AiutS' und Auits-
Gerichtsbezirke Hcidelbcrg und Wicsloch unü dc» Anitsgerichtsbezirk Neckargciiiünd.



Sonntag, 20 Mai

Auf die „Heidelberger
Zeitung" kann man sich

.noch für dell Monal

Iuni mit 21 Kreuzeru abonniren bei allen
Postanstaltcn, den Boten und Zeitungsträgern,
sowie der Expedition (Schifsgasse Ar. 4).

* PvLitischc Umschau.

HeideLberq, 19. Mai.

* Jn neuester Zeit haben die Westmächte mit
Rußland vereint wieder einen Congreß bean-
tragt, um in Wien, Berlin und Florenz rvo
möglich einen friedlichen Ausgleich anzubahnen.
Werden diese Bemühungen jetzt noch Erfolg
haben? Und wird man namentlich vom deut-
schen Standpunkte aus dem Zusammeutreten
eines europäischen Schiedsgerichts ohne Besorg-
niß entgegensehen können, und nicht vielmehr
die Furcht hegen müssen, daß Deutschland schließ-
lich die Zeche der Herren Diplomaten zu be-
zahlen habe? Eine bestimmte Antwort auf diese
Frage zu ertheilen, wird selbst dem in die Staats-
geheimnisse Eingeweihten nicht möglich sein, und
gerade das Traurlge an der gegenwärtigen Lage
ist ja, daß sie ganz durch die Willensmeinung
einzelner Weniger bedingt ist. Einige Hofsnung
gewährt im Allgemeinen nur der Umstand, daß
keiner der streiteuden Theile die betreffenden
Vermittlungsvorschläge geradezu abweisen kann.
Einem Jeden muß vielmehr daran gelegen sein,
wenigstens dem Scheine nach die Friedensliebe
bis zur äußersten Grenze zu documentiren und
die gefährliche Gehässigkeit des ersteil krieger-
ischen Schrittes von sich abznwälzen. Auch ge-
nügt es nicht, daß jene ihre Geneigtheit zur
friedlichen Verständigung etwa blos in allge-
meinen Nedensarten darthun: jeder muß viel-
mehr Forderuilgen und Zugeständnisse bis zu
einem gewissen Grade bestimmt formuliren. —
Die Fragen, die auf dem Congresse vorzugs-
weise behandelt werden sollen, sind die venetia-
nische, die schleswig-holsteinische (deutsche?) und
die rumänische. Die polnische will man als ab-
gethan und aus Rücksicht auf Rußland hinweg-,
lassen. Die erstere wird nach Lage der Dinge^
am meisten Schwierigkeiten verursachen und
dürfte hieräll leicht das ganze Project scheitern.

Dem Nürnberger Corresp. wird geschrieben:
„Mit der Meinung der Weimar. Ztg., daß
von den deutschen Bllndesstaaten eine bewaff-
nete -Neutralität werde proklamirt und von

Bayern und einigell andern süddeutschen Staa-
ten ein Antrag dieser Art am Bund gestellt
werden, stimmen Andeutungen aus guter Quelle
über die Jntentiouen Bayerns und anderer süd-
deutschen Staa-ten keineswegs überein. Diesen
Andeutungen zufolge würde der von der ge-
dachten Seite zu erwartende Antrag am Bund
vielmehr auf folgenden Grundlageil beruhen:
Preußen und Oesterreich würden von dem Bunde
unter Hinweisung auf Art. XI der Bundesacte
aufZufordern sein, gleichzeitig abzurüsten, jedoch,
was letztere Macht anbelangt, unbeschadet der-
jenigen Vorkehruugeil, welche sie behufs ihrer
Sicherstellung an ihren südlichen Grenzen für
nothig erachten würde; um Preußens Bedenk-
lichkeiten in Betreff dieser Vorkehrungen Oester-
reichs zu heben, würde eine bew.affnete Garan-
tie von Seiten des Bundes oafür zu geben sein,
daß Preußeil durch diese Voxfehrungen Oester-
reichs nicht bedroht werde; zum Zwecke dieser
Garantieleistung würde der Bund die Mobil-
machung mehrerer Bundesarmeecorps anzuord-
nen und zu erklären haben, ^>aß er gegen das-
jenige Bundesglied sich wendeu würde, von wel-
chem ein Bruch des Bundesfrier>ens ausgehen
sollte." .

Zn Ncgierungskreisen der preußischen Haupt-
stadt ermartet man nächster Tage dic dcsinitive
Entscheidnug der Kriegs- oder Friedensfrage.
Diese Entscheidung werdc herbeigeführt merden
durch dcn Abschluß preußischer Aüianzverhand-
lungen mit Jtalien und Nußland. Mündlichc
Vcrhandlungen zwischen Bismarck und Karolyi
dauern nach dem „Sl. - A. f. W." resultatlos
fort. — Bismarck hat Beschwerde geführt mcgen
Vorbereitungen zur Vereinigung der österrci-
chischen Brigade in Holstein mit hannover'schen
Lruppen.

Der hcute am Bunde zu stellcnde Antrag
soll iu Gestalt eines Vermittlungsvorschlages
erst die allgemeine Rückkehr auf den Friedens-
fuß iu Deutschland verlangen. Erst uach Ab-
lchnung dieser Vermittelung sollen meitcre An-
trägc von mehreren Negierungen dcr BaMbergcr
Conferenz beabsichtigt sein.

Die österreichischen Abgeordneten werden
einem Beschlusse vom -18. gemäß zum Abgeord-
netentag nicht erscheinen, nachdem eine Verstan-
dignng unter denselben wcgen der verspäteten
Einberufung unmöglich geworden.

Die „Zndependance belge" vom 18. bringt
als angeblich authentischcs Programm Frank-

Ein Abenteuer Vssenbach's.

Ein deutsckes beüetristisches Blatt erzählt von
dem produktiven Maestro folgeude heiterc, einen
gewiffen Künstlerstolz recht ergötzlich perfifflircnde
Anekdote: In einer kleinen naffauischen Ortschaft
wurde vor einiger Zcit ein Denkmal enlhüllt und
der Ort wie die ganze Umgegcnd betrachtete dicS
als cin Fest. Man erwartete nur noch eincn der
obersten Regierungs-Beamten aus Wiesbaden; die
Völker standen bereit und die Artilleristen harrten
des SignalS, um den Präfidenten mit einhundert
und ein „Kanonenschüssen" zu begrüßen, aber wer
nicht kam, das war der Präfident. Nach zwet Stun-
den ungeduldiger Erwartung entschloß man sich
endlich, sechs Abgeordnete nach Wiesbaden zu stn-
den, die den Präsidenten im Triumph rinholen
sollten. So vergingen abermals dret Stunden,
allein weder die Abgeordneten, noch der Präfident
erschienen; Nachmittags langte jedoch eine telegra-
phische Depcsche an, welche folgendermaßcn lautete:

„Deputatiou Pech gehabt; schickt Geld zur Rück-
kehr!"

Die sechs Unglücklichen hatten den Präfidenten

unwohl im Bett gefunden und waren zur Unter-
haltung ein wenig in den Lursaal spaziert, wo fie
auck am grünen Tisch ihr Heil versucht und ihrc
Baarschaft bis auf den lctzten Gulden verloren
hatten.

Währcnd dieser Zeit wartete daheim die enthu-
siastische Volksmenge, welche nicht um ihr Fest
kommen wollte, immerfort noch, obwohl daS Fest-
essen schon ziemlich kalt geworden war. Endlich
gegen sieben Uhr Abends signalifirte man die Rück-
kehr der Deputation, welche auf dem Dampfschiffe
ohne Präfidenten anlangte. Der Zufall hatte
Jacques Offenbach gletchfallS an Bord deffelben
DampfschiffeS geführt; in dem Augenblick, ais das
Schiff anlegte, stimmte dte Mufik gerade die
Orphcus-Quadrille an.

„Sieh, fieb!" dachte Offenbach, „man bereitet
mir einen Empfang." Die am Ufer daherströmende
Menge brach in anhaltendes Hurrah- ünd Vtvat-
rufen aus; dte sechs Abgesandten bemühten fich
fortwährend, den Leuten zu erklären, daß ver Prä-
fident gar nicht mit sei, allein die seit dcm Morgen
unterdrückte Freude und Begeisterung der Masse
wollte ihr Recht haben, und ihre Ausbrüche ließen


reichs fiir den beabsichtigten Congreß Folgen-
des: Die Lösung der Elbherzogthümerfrage mit
Ausnahme näher zu bestimmender Details den
Bevöikerungen zu überlassen; die deutsche Bun-
vesreform, soweit dieselbe das allgemeine Gleich-
gewicht berührt, zu vereinbaren; Oesterreich
tritt gegen Entschädigung Veneticn ab und cr-
kennt Jtalien an, welches seinerseits den Kir-
chenstaat in seinen gegenwärtigcn Gränzen ga-
rantirt.

Nach der „Ocsterr. Gen.-Corresp." und den
„Drcsd. Nachr." hat dcr König von Sachsen
von dem König von Preußen ein eigenhändiges
Schreiben erhalten, „welches dic versöhnlichste
Gesinnung der preußischen Majestät in un-
zweideutigster Weise ausspricht". Dicß und
das gleichzeitige Eintreffen des Grasen Seebach
aus Paris wird von den „Dresd. Nachr." alS
Hoffnung zur Erhaltung des Friedens gedeutet,
zumal auch zugleich das freilich unverbürgte
Gerücht von einer Zusammenkunft der Monar-
chen von Oesterreich und Preußen in Pillnitz
umläuft.

Die „Schleswig - Holfteinische Ztg." meldet:
Oesterreichische Officiere haben bei vcrschiedenen
DampfschiffSinhabcrn Erkundigungcn eingezogen
behufs e^waiger Truppenbcförderung über die
Elbe. — Die „Altonaer Nachrichten" schreiben:
Es verlautet, Las österrcichische Obercoürmando
habe mit der Stadcr Dampfschifffahrtsgesell-
schaft (die vier Dampfschiffe zwischen Stade und
Hambnrg hat) hinsichtlich cventueller Ucberfüh-
rung der jchweren Armeegegenständc nach der
hannover'schen Küste eine Vereinbarung ge-
troffen.

Die gesammte italienische Presse wehrt sich
auf das Entschiedenstc gegen jedes friedlich lau-
tende Gerücht und dic Blätter aller Farben
wünschen einen sofortigen Ausbruch der Feind-
seligkeiten, um jcder Hoffnung auf das Zustande-
kommen eines Congresseö, dem sie jede praktische
Bcdeutung absprechcn, zuvorzukommen.

Die italienische Armee ist längs der Ufer
des Po aufgestellt und zählt in diesem Augcn-
blicke 200,000 Mann mit 400 Kanonen. Am
Ende dieses Monats wird sie eine Reserve von
150,000 Mann haben. Was Garibaldi be-
trifft, so glaubt man, daß er sich immer noch
in Caprera befindet; man ist deffen aber nicht
gewiß, und es könnte sehr leicht der Fall sein,
daß man plötzlich erfährt, daß er ins Feld ge-
rückt ist.

, Niemand zu Worte kommen. Offenbach war fest
! überzeugt, daß der ganze Iubel thm gälte; er
grüßte huldreich nach allen Seiten, so daß die Leute
dcr fcsten Meinung waren, er sei der erwartete
Präfident. So hielt er unter dem Kanonendonner
und Betfallsgeschrei des Volkes seinen Einzug in
dem Flecken, höchlich bkfriedigt von der Anerken-
nung, dte ihm hier zu Tbeil wurde. Von Zeit zu
Zeit hörte er den Ruf: „Der Herr Prästdent soll
leben! Vivat hoch!"

Dann grübelte er wohl einen Augenblick lächelnd
i darüber und dachte: „Warum in aller Welt nen-
nen fie mich nur Präfident?" Er machte einen
brillanten Triumphzug mit.

Endlich hält der Zug vor dem Rathhaufe still,
und Offenbach sprtcht mit sehr gerührtem Ton:
„Meine lteben Freunde, Dank, tausend Dank für
euern herzlichen Empfang!"

Nun tritt der Bürgermeister vor, nähert sich dem
Eompontsten und hält eine wohlgesetzte Anrede, tn
der er von allem Möglichen spricht, vom Fortfchritt,
vom Dampf, von der Gnade der Regierung rc.,

! bis er zuletzt damtt schließt, daß er den Präfiven-
> ten bittet, sein Kürwort dahin einzulegen, daß der
 
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