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Heidelberger Zeitung — 1866 (Januar bis Juni)

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Nr. 126-151 Juni
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Weidtlbergtr Zrilung.

Krejsverkündigmgsblatt ftir den Kreis Heidelberg und amtliches Verkündigungsblatt für die Amts" und AmtS-
Gerichtsbezirke Hcidelbcrg und Wicsloch nnd dcn Amtsgerichtsbezirk Neckargemünd.

R» 131. Domikrstag. 7. Zuni , 18««.

' Politisch« Umschan

Heidelberg, 6. Juni.

Der „Eonstitutionnel" sagt: Wir kennen be-
reits den Eindruck, den die östdrreichische Ant-
rvort in PelerSburg und London gemacht hat.
Man hgt sich da und dort alsbald gefragt: Zu
was ein'c Conserenz, wen» Oesterrelch aus sei-
nen Entschließungen dcharrt? Zwci Fragen
wcrden «om Programm verschwinden: die Her-
zogthümcrsrage, welche Oestcrreich dem Bunde
zugewiesen hat, und die oenetianische, deren
Discusfion es nicht will; es würde bloß die
BnndeSreform übrig bleiben, für die als eiüe
lediglich eoentuelle Frage Enropa »icht zusam-
mentreten kann. Wir bcdauern lebhaft Oester-
reichS Haltung. Ohne Zweisel bctrachtet jede
Macht ihre Pflichten u»d Jnteressen auS ihren
eigenen Gesichtspunkten; aber eS scheint unS
doch, daß Enropa daS Rechte hatte, von einer
conservativen Großmacht andere Entschlüssc zu
erwarten.

Die Rachricht vvn einem bevorstehenden Ein-
marsch der Prcußen in Holstein dürfte wohl
verfrüht sein, da solche bis jetzt aus directsr
Ouellc nicht bestätigt ist, nnd nachdem Oester-
reich seine Abstcht, sein holsteinisches Corps zu
vcrstärken, wieder aufgegeben hat.

DaS liberale Wahtcomite in Königsberg stellt
hinstchtlich dcr deutschen und schleSwig-holstei-
' nischen Frage fvlgendes Programm auf: „Jn
Belrest der deutschen nnd schlcSwig-hvlsteinischen
Frage halten wir grundsätzlich fest an dcm
SelbstbestimmungSrecht der Elhherzoglhümer.
Wir wollen keine anderc als eine sreie und
frciheitliche Einigung des deutschen Vater-
landes ohne irgrnd eine Art von Oberherrschaft
deS einen Staates über die andern. Wir er-
achtcn jcdoch die Beseitigung deS Lerfasfungs-
conslicteS in Prcnßen für die unerläßliche Vor-
bedingnng der dentschen Einheit. Kämpfen wir
als MLnner für unser VersassnngSrccht, und
wir kämpsen zngleich für DeutschlandS Freihcit
und Einheit l" Nach innen wird Rücktritt des
MiuisteriumS, Systemänderung und Bürgschaf-
ten fir Anerkennung und gewissenhaste Beach-
tung der Volksrechte verlangt. Ziemlich gleich-
lautende Beschlüsse wurden in der Provinz
Sachsen gefaßt.

Die „Hess. Morgen-Ztg." erfährt, daß die
angemeldeten Ertrazüge znr Besörderung vster-
reichischer Truppen nach Hamburg wicder ab-
bestellt worden seien.

Eine preußische Depesche an sämmtliche Ge-
sandten bezeichnet Ocstcrrcichs Erklärung in
Franlsurt wegen Berufnng dcr holjteinischen
Slände als einen Vertragsbruch und die Be-
rufung nur rechtsgiltig dnrch Zustimmung bei-
der Liouveräne.

Die Westmächte haben in Berlin und Flo-
renz ihre Anerkennung für die Annahme des
ConferenzvorschlagS ausgedrückt.

Der „LimeS" wird telcgraphisch auS Wien
gemeldet: Prcußen hat Oesterreich benachrich-
tigt, durch die Ueberweisung der Herzogthümer-
frage an den Bund wcrde der Gasteiner Ver-
trag annullirt. Preußen wcrdc in Holstcin ein-
rücken. Die Brigade Kalik hat dcn Bcfehl er-
haltcn, stch nach-Altona znrückzuziehen.

Der „Times" vom 5. zusolge hat dic sran-
zöstsche Regierung der englischcn die t-Iegraphi-
sche Mitlheilung gemacht, dic Conferenz könne
nicht staltftndrn, da Oestcrreichs Vorbcdingun-
gen ste fruchtlos machcn würdcn.

Nach Wiener Nachrichtcn -rhebt j-tzt Ztalien
anch schon Ansprüche aus Dalmaticn.

Deutschl»rnd.

Karlsruhc, 2. Juni. Die von Staats-
rath Dr. Lamey in dcr gestrigen Sitznng
dcr zweiten Kammcr anläßlich der eingckom-
menen Petitionen um Beschränkung des
Rechts der Berehelichung gesprochenen
Worte lauten ausführlich, wie solgt:

Es sind in der vorliegenden Discnssivn zwei
verschiedene Dinge zur Sprache gebracht wör-
den: einmal daS Gesctz selbst und seine Be-
deulung und Wirksamkeit, und sodann die An-
wcndung des Gesetzcs, wie sie bei den Bezirks-
räthcn und dem Verwallungsgerichtshos statt-
gcsundcn hat. Jn der letzten Beziehung besindet
sich dis Regicrung in der Lage, cine Verant-
wortlichkeit für diese Amvendung nicht weiter
übernehmen zu können, weil sie, wie der Abg,
Kusel bereits erwähnt hai, keinen Einfluß aus
diese Anwendung besitzt; di- BezirkSräthe spre-
chen dabei cbenso wie der VerwaltungShos in
der Art der Gerichte ihren RechtSspruch. Zn-
zwischen habcn wir anch keinen Grund, anzu-
nehmen, daß iu den Entschcidungcn dcm Gcsctz
irgendwie zu nahe getreten wurde. Wp saktische
Verhältnisse zur Bcurtheilnng vorlicgcn, kann
man immer einem Jrrthnm unterworscn sein;
diesem Jrrthum stnd auch dic BezirkSräthe nn-
terworjen, und diesem Jrrthum wird auch un-
ter Umständen einmal der Verwaltnngsgerichts-
hvf unterworsen sein, weil die faktischen Ver-
hältnisse natürlich nicht so benrtheilt werden
können, daß nicht die Entscheidung im einzelnen
Fall einmal als Fehlgriff bctrachtet werden
könnte, insbesonderc wenn diese factischcn Ver-
hältnisfe erst in der Zukunft, in dem künstigcv
Benchmen eines ManneS, ihre Prüfnug und
Kritik finden. — WaS das Gesetz selbst betrifft,
so war die Regierung ihrerseits, »ud ich glaube
auch die Abgeordneten, im Allgemeinen der
Ueberzeuzung, daß es nicht das glänzendste
Gcschenk ist, das wir mit diesem Gesetz den
Gemcindcn bringen, »ämlich »icht das glän-
zendste Geschenk, das wir der Meinung, dem
Gesühl der Gemejnden bringen, die zunächst
von ihren Zntereffen und Standpunkt aus-
gchen; dagcgen waren wir der Meinung, daß
es eine Forderung deS Rechts sei, ein solches zu
erlaffen, nnd in der That, wenn Sie in dieser
Beziehung die Urtheile Anderer lesen wollcn
über dic Art und Weise, wie in Süddeutsch-
land dicje Frage der Bürgerannahmen und
Heirathserlaubnifsc behandelt wird, so können
Sie sich diesclben nicht schrofs gcnug denken.
Jch kann mich erimiern, daß ich im Laufe des
WintcrS cine Rcde, ich meine des französischen
MinistcrS Duruy, gclesen habe, über die Art
der Anschauungen, wie wir sie vorzugSwcise in
Süddeutjchland und eincm Thcil dcr Schweiz
vo» dem Recht der Verehclichung habcn, der
stch dahin aussprichtd daß cr diese Anstchten
dem BarbariSmus, dcm mittelalterlichen Bar-
bariSmus gleichsctzt. Jch weiß nicht, wie diese
Frage der Hrt der Verehelichung in die Welt
so hereingekommen ist, wie sie sich entwickclt
hat; es ist mir inpAugenblick nicht geschichtlich
bckanut, wie das gekomme» ist. Am meisten
hat mich erstaunt, daß bei dem Gesetz übcr die
Erleichterung der Verchelichung gerade von
einer Seitc die hestigsten Anfechtnngen gckom-
men sind, von der ich es am allerwenigsten cr-
wartet HLtte, daS ist von Seite der ultramon-
tanen'Partei, von seite' der ultramontancn
Prcsse, die dic Regicrung und dieseS HauS
stetS bcschuldigt, daß wir dem Reichthmn, der
Bourgeoisie huldige», welche stetS die Armuth
zu »erthejdigen vorgibt, — eS hat mich er-

staunt, daß gerade von dieser Seitc die Ein-
sührnng dieseS GesetzeS als eine Verletzung dcs
VolkeS bezeichnet wordcn ist. Jch glaube, c»
wäre vor Allem gerade die Psticht der Scel-
sorger gewcsen, dcn Leuten in ihren Ecmein-
den nachzuweisen, daß der Arme, der Taglöh-
ner, der Arbeiter auch ein Rccht hat auf dcr
Wclt. Sie dürfen durchauS, nicht glauben,
daß die Motive allemal sv rein stnd, wie wir
ste hören; oft ist eS auch der Bürgernutzen,
der in Frage kommt, und den man dem armen
Tcufel auch noch nchmen will, weil ihn Gott
nicht schon von vornherein mit Glücksgütern
gesegnet hat. Jch bin fest entschlosscn, keiner
jog. Stimme des Volks in dieser Bezichung
nachzugeben, und mit meiner Bewilligung wird
diescs Gesetz- nicht abgeändert, sondern wenn
eS mir möglich wäre, wirde ich in diejer Be-
ziehung noch weitcr fortjchreiten. L>ie werden
übrigenS die Rcgierung künftig entjchnldigen,
wcnn ste noch kleine Anwandlnngen von poli-.
zeilichen Zdecn hat, wie z. B. bei dcr Preß-
gcsctzgebung; denn Sie sehen, wic tief ste im
Blute der Bevölkerung stecken. Geradc hier ist
dies der Fall. Nicht das Menschengesicht,
nicht d-r Mann soll gelten, nicht etwa, daß
man sagt, Dn bist kci» rechter Mensch, Du
kannst keine Familic auS den oder jenen Ur-
sachen qründen, sondern man verlangt, dcr
Mann selbst solle, ehe cr das natürlichstc Recht
des Mannes übcn darf, er müsse selbst zuvör-
derst stch ausweisen, daß cr ein rcchter Mana
ist, ehe MLN ihm das thm angeborene Recht
gibt, i» einc Gemcinde als Bürger einzutreten;
aber meines Dafürhaltens müssen cS sehr er-
hebliche Gründe. sein, die eiuc solche svciale
Berechtigung gcben, daß man sagt, Dn hast
dieses Recht nicht, waS Dir angeboren ist; Du
hast dieses Recht nicht, was Du von Gott,
von der Religion, von der Kirche hast; Du
hast daS Recht nicht, Dich zu verheirathen.
Da müssen gewichtige und schwere Gründe
vorhanden sem, wenn ma» Jemand DaS ver-
sagen will; und keine Fabrikarbeiter-Noth,
nichts könnte mich bestimmen, zu sagen, dicjer
vder jener Klasse von Leuten, den Taglöhnern,
dcn Arbeitern muß daS Recht beschränkt wer-
den, das die Andercn haben.

lSchlntz i-lga)

Karlsruhe, 4. Juni. (48. öffentl. Siz-
zung der zweiten Kammer. Schluß.)

Abg. Beck wird sür den Strich „anerkannt",
nicht sür den Strich deS Wortes „grober"
stimmen. Er stcllt, von Pagenstecher nnter-
stitzt, den Antrag. zu srtzen: „durch die Ver-
sassung anerkannte Rechte."

Staatsrath Dr. Lamey: Es stnd über den
AuSdruck „ancrkannt" Conlroversen erhobcn
wordcn; will man diese fortsctzcn, so kommt
man dahin, daß es eigentlich gar kein aner-
kannlis Rechl gibl. Die Adsicht ift nur, unter
dem Wvrt „anerkannt" ein unzweifelhaft »er-
sassungSmäßiges Rkcht zu bezeiehnen, ein Rccht,
das ma» ntcht erst durch Schlüsse alS ein jo
qualificirtks herausfinden Mllß.. Es ist niemals
gut, an lange beslehenden Ausdrückcn, welche
cinen gewiffen festcn Bcgriff in sich vereinen,
zu rütteln. Redner erklärt sich gegen den
Strich „grober"; denn wegen leichtcn Verschul- '
dens dürfe die Anklage nicht statthaben.

Frhr. v. Rdggenbach stelll den Antrag,
nach den Worten: anerkannt verfaffungsmäßi-
ger Rechtk noch beizusügcn: „oder grober
Mißregierung".

Ueber dcn Antrqg Schaaff's sprechen noch
v. Feder, StaatSrath Dr. Lamey, Beck,
 
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