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Heidelberger Zeitung — 1866 (Januar bis Juni)

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Nr. 126-151 Juni
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Uei-elbrrgtr Ieilung.

Kreisvcrkündigungsblatt für den Krcis Heidclberg und amtliches BerlündigungSblatt für die Amts^ und Amts-
Gerichtsbezirke Hcidclberg und Wicsloch und dcn AmtsgcrichtSbezirk Neckargemünd.



* Pokitische Umschau.

Heidelberg, 23. Juni.

* Während in Deutschland die Augen Aller
auf die Entwicklung der Kriegsereignisse ge-
richtet sind, tragen sich auch in anderen euro-
päischen Ländern, sowie in Amerika Vorgänge
zu, welche zu feder anderen Zeit die Aufmerk-
samkeit in hohem Grade gefesselt hätten. Wir
zählen hiezu vor Allem die Ereignisse an der
uuteren Donau: 80,000 Türken stehen in
der Nähe des aus dem Kriege von 1853/56
bekannten Kalafat und bedrohen die Walachei.
Ob der neue Fürst Hohenzollern, der mit 60,000
Rumänen ihnen entgegengeeilt ist, im Stande
sein wird, den drohenden Angrisf abzuschlagen,
mnß sehr dahingestellt bleiben. — Jn Rußl and
neigt sich der .Kaiser, nach dem auf ihn ver-
übten Attentate, den Einflüsterungen der alt-
russischen Partei und in Folge dessen einer po-
litischen Reaction hin, dereu Folgen immer
fühlbarer werden. — Jn England droht in
Folge der Reformfrage das schon sehr lange
(seit Frühjahr 1858) bestehende Whigministe-
rium zu fallen, und wird dann den Tory's
den Platz einräumen. — Die vor einigen Mo-
naten vielfach erwähnte Fenier-Verschwörung
ist jenseits des Oceans zum offenen Ausbruche
gekommen. Von der Nordgrenze der Union aus
sind die Fenier mit bewaffneten Schaaren in
Canada eingefallen, und konnten bis jetzt von
den Landeseinwohnern nnd den wenigen eng-
lischen Truppen nicht vollständig überwältigt
werden. Wir müssen uns begnügen, diese nicht
unwichtigen Ereignisse kurz anzndeuten. Grvs-
sere und bedeutungsvollere Begebenheiten stehen
dem deutschen Gesammtvaterlande ganz nahe
bevor und werden die Aufmerksamkeit unserer
Leser bald ungetheilt in Anspruch nehmen:
Der Einmarsch der österreichischen Armee in
Schlesien ist nämlich erfolgt, und entscheidende
kriegerische Ereignisse sind jetzt unausbleiblich.

Die „Presse" erklärt den aügeblichen neuesten
Tagesbefehl Benedek's, der jetzt die Runde durch
die deutsche Presfe macht, für eine „plumpe
Fälschung". (Wir unsererseits haben denselben
bis jetzt nicht mitgetheilt, weil uns dessen Au-
thenticität zweifelhaft schien. D. R.)

Die „Wiener Neue freie Presse" glaubt als
wesentlichen Lnhalt der Mittheilung Gram-
monts an Mensdorff Folgeudes verbffrgen zu
können: Frankreich erkläre bestimmt, daß zwi-
schen ihm, Preußen, Jtalien keinerlei Abmach-
ungen bestehen, welche Frankreich nöthigen könn-
ten, an Kriegsereignissen Theil zu uehmen.
Frankreich habe oollkommen freie Hand, werde
auch hinsichtlich Jtaliens aus seiuer Reserve
nicht heraustreten, so lange der Bestand des
Königreichs im gegeuwärtigen Umfange durch
einen Waffensieg Oesterreichs nicht geradezu in
Frage gestellt werde. Wenn Oesterreich Jtaliens
Angriff siegreich abwehrt und auf italienischem
Boden vordringend vor M'ailand steheu zu
bleiben sich verpflichtet, so werde Fraukreich
nicht nur nicht interveniren, sondern bei dem
Friedensschluffe dahin wirken, daß nicht nur
das Verhältniß zwischen Oesterreich und Jtalien
definitiv geordnet werde, und Oesterreich von
Jtalien dauernd Ruhe erhalte, sondern auch
daß Oesterreich für seineu Verzicht auf die
Früchte des Sieges vou Jtalien ausreichend ent-
schädigt werde. Napoleon wünsche, daß das
Wiener Cabiget seinem aufrichtigeu Wunsche,
dem nnvernieidlichen Kriege möglichst enge Gren-
zen zu ziehen, entgegenkommen und ei^sprechende
Entscheidungen treffen möge.

Sonntag, 24 Zuni

Dem „Frkf. Journ." ift aus Kasscl, 20. Jnni,
folgende pikanlc Mitthcilung zugckommcn, die
gedachtcS Blatt jedoch nur unter aller Neserve
wicdcrgibt: „Die Audicnz, in wclcher der preu-
ßische Gesandte, Hr. v. Röder, dem Kurfürften
die Annahme der preußischen Sommation zu
empfehlen kam, ist bekanntlich für den Diplo-
maten sehr unglücklich ausgefaÜen. Wir habcn
über dic Unterrednng nach authentischen Qucl-
len nachstehende Einzelheiten mitzutheilen. Die
Garantien dcs jetzigen Bcsitzstandes wies der
Kurfürst mit den Worteu zurück: „Jch brauche
keine Garantien von Preußen, bin deutscher
Bundcsfürst, wie König Wilhelm auch." Hier-
auf stellte der Gesandte eine mögliche Vergrö-
ßerung Kurhessens durch die darmstädtische Pro-
vinz Oberhessen in Aussicht, worauf der Kur-
fürft entgegnete: „Diese Provinz ist meinem
Herrn Bruder in Darmstadt!" Hierauf soll der
Gesandte auf den möglichen Erwerb von Rhcin-
hessen hingedcutet habcn, worauf der Monarch
sehr bestimmt erwidert haben soll: „Preußen
hat nichtö zu vcrschenken, kann Deutschland
nicht erobern; sciner halben Million Soldaten
steht eine Million Oesterreicher entgcgen." End-
lich fiel die Drohung: Prenßen werde Kurhes-
sen besetzcn und unter dem Vorsitz deS Prinzen
Friedrich Wilhelm eine Regentschaft einsetzen,
worauf der Kurfürst in höchster Aufregnng
entgegnete: „Das kann der Prinz nicht thun,
darss nicbt thnn, nnd wenn er's thäte, ließ Jch
— Jch, sein Souveran, ihn vor Gericht steüen
und als Hochverräther todtschießen oder ihm
den Kopf abschlagen. Ja, ja, das geschieht —
sagen Sie das dcm Prinzen. Es geschicht! L>ie
sind entlassen — Adieu!" Eö soll eine höchst
aufgeregte Scene gewcsen sein. Wir enthalten
uns jedes Commentars über diese Mittheilung;
sicher ist, daß diese encrgische Aaltung des Kur-
fürsten gar Manches im Gedächtnisse seiuer
Hcssen verwischen wird.

Die geschäftsleitende Commission des Sechs-
unddreißiger-AuSschusses war anr 20. in Frank-
furt zu eiuer Sitzung vereinigt. Wie wir hö-
ren, hat dieselbe bcschlossen, auö den noch vor-
handenen Mitteln die Beamten in Holstein zu
unterstützen, die in Folge der neuen Vorgänge
oder deshalb entlassen werden, weil sie den
ncuen Eid für Preußen nicht leistcn wollen.

Die in Hohenzollern auf den 2. Juli ange-
ordnete Aushebung dürfte schwerlich zu Stande
kommcn, da wohl der Bund dieses preußische
Gebict sofort in Bcschlag nehmen und von der
! Verwaltung der rebellischen Negierung loStren-
nen wird.

Der Wiener „Kamerad", ein militärischeS
Fachblatt von Bedeutung, faßt seine Ansicht in
Folgendem zusammen: „Die allgemeine Vor-
rückung unserer Nordarmee und der verbünde-
ten Truppen dürfte erfolgen, sobald die Verei-
nigung dcr bayerischen Truppen mit den sächsi-
schen, der südwestdcutschen Contingente mit dem
CorpS des Prinzen von Hesscn erfolgt und die
Verbindung überall hergestellt ist. Das Ziel ist
Berlin, der Mittelpünkt des von den Verbün-
dctcn besetzten KreiseS." Inmittelst hat, wie
der Telegraph berichtet, die österreichische Armce
bereitS die preußische Grenze an nn'hreren Punk-
ten überschritten. Damit in-Verbindung stehen
die Opcrationen des bayerisch-sächsischen und
des 8. Buudesarmeecorps, wie man dies am
18. d. M. trotz des unangenehmen Eindrucks,
den die Bcsitznahme von Dresdcn durch die
Preußen hervorrrief, rccht gut wußte. „Prinz
Alexander von Hcffen, schreibt die „Ostd. Post",
dürfte sehr bald die preuß. Truppen, welche in


I den hessischen Ländern eingerückt sind, ebenso wie
die combinirte bayerisch-sächsisch-österreichische
Armee die in Dresden eingerückten Preußen
aus den betreffenden Ländern trciben. Die
Hauptactiou wird jedoch allem Anscheine nach
in Schlesien crfolgen, und läßt einmal unser
Benedek seinen wuchtigen Säbel über die preu-
ßischen Pickclhauben schwirren, so wird diesen
auch die Lust zu Sonder-Unteruehmungen nach
allen Richtungen der Windrose bald vergehen.
Die preußischen Kräfte werden dann in Schle-
sien nothwendiger werden, und es dürfte dann
zu Unternehmungen, wie die genannten, kaum
etwas übrig bleiben."

Die „Ostd. Post" berichtet: Gras Karolyi
hat nach seiner Nückkunft aus Berlin auf das
Entschiedenste sich dahin ausgesprochen, daß
nach seiner Ueberzeugung der Kaiser Napoleon
noch in keiner Weise in ein Arrangement mit
Bismarck sich eingelassen habe, und daß am
allerwenigsten von einer Allianz zwischen Frank-
reich und Preußen zur Zeit die Rede sein
könne.

Die „Oesterreichische Zeitung" schreibt: Jn
wenigen Tagen, so glauben wir die Dinge an-
sehen zu dürfeu, werden in einer combinirten
Bewegung gleichzeitig die österreichische Nord-
armee, die baycrischen Truppen und daS noch
weiter weftlich stehende 8. BundeSarmeecorps,
die Streitkräfte der übrigen bungestreuen Staa-
ten in sich ausnehmend, in voller Vorwärtsbe-
wegung sein und in einem mehr ugd mehr sich
vcrcngcnden Halbkreise unmittelbar auf Berlin
marschiren.

Der Gesandte Bayerns, Graf Montgelas,
hat Berlin bereits verlassen.

Der „Morgcn-Moniteur" enthält eine Note
gegen diejenigen Personen und Journale, welche
über Kriegsereignisse und über die industriellen
Gesellschaften falsche Nachrichten verbrciten.

Vom Kriegsschaupkatz.

Nach den Münchener „Neuesten Nachr."
ist am 20. d. Feldmarschall Prinz Karl nach
nach dem Kriegsschauplatz abgegangen. Jn
Begleituug des Prinzeu befindet sich der Ge-
neralstabschef Freiherr v. d. Tann und der
österr. Feldmarschalllieutenant Graf Huyn,
welcher von Oesterreich als Controleur dem
bayerischcn Gcneralstab beigegeben ist, während
bayerischerseits zu Controleuren beim östcrrei-
chischen Generalstab die Generalmajore v. Ow,
Graf Malaise und Regierungsrath Buchener
bestimmt wurden.

Frankfurt am Main hat das Ansehen
eines Lagers. Truppen aller Waffengattun-
gen kommen und gehen; am 21. d. passir-
ten hessische Truppen in starker Anzahl hier
durch. Vier Bataillone Ocsterreicher und. eine
Batterie sind bereits in der Umgegend ange-
langt und werden von zwci zu zwei Stunden
um ein Bataillon verstärkt.

Hauptquartier Göttingen, 19. Juni.
Die um den König in KriegSbegeisterung für
Deutschlands und Hannovers schmählich ver-
letztes Necht versammclte Armee umfaßt bereits
mchr als 20—25,000 Mann, wozu sortwäh-
rend, trotz der v. Vogel-Falkenfteinschen Procla-
mation, nicht blos die Einberufenen so voll-
zählig, wie in dcu ruhigstcn Zeiten, sondern
auch Massen von Freiwilligen in hellen Hau-
fen stoßcn. Die Ausrüstung ist in j:der Be-
zichung vortrefflich und vollständig ausrcichend
vorhanden. Die Armee hat sich in 1*/, Tagen
vollstäudig gesammelt, nicht ein Corps fehlt.
Die Bayern sind bereits über Fulda herauf-
gerückt.
 
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