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Heidelberger Zeitung — 1866 (Januar bis Juni)

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Nr. 76-99 April
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tidelbkrger Ztilung.

Kreisverkündigmgsblatt für den Kreis Hcidelberg und amtliches Verkündigungsblatt für die Amts- und Amts-
Gerichtsbezirke Hcidelberg nnd Wicsloch und den Amtsgerichtsbezirk Neckargeinünd.

M; »2- Samstag- 21. Aprit


18««.

* Politifche Umschau.

Heidelberg, 20. April.

* Wahrend 'die Kriegsbefürchtungen in
Deutschland die ungethcilte öffentliche Aufmerk-
samkeit in Anspruch nehmen, haben sich an der
untern Donau rasch und unermartet wichtige
politische Veränderungen zugetragen. Ein Sohn
des frühern souveräncn Fürsten und spätern
preußischen Ministcrs von Hohenzollern ist in
den beiden Fürstenthümern (Moldau und Wa-
lachei), welche .das vereinigte Rumänien bilden,
durch allgemeine Stimmgebung zum Hospodaren
erwählt worden. Rußland suchte durch einen
von seinen Anhängern bewirkten Allsstand im
entscheidenden Augenblicke zwar die ihm ergebcn
scheinende Moldau von dem staatlichen Ge-
sammtverbande loszutrennen, um im passen-
deu Zeitpunkt zu intervcnircn und jcnc zu an-
nexiren: Allein dcr Aufstand gelang nicht.
Was zu Anfang des erstcn Auftauchens des
Namens Hohenzollern an der untern Donau
kaum glaublich schien, hat sich als wahr be-
währt. Der biSmarck'sche Einfluß ist bis
dorthin thätig. Um Oesterreich den Nang
abzulaufen und gegen dasselbc allenthalben zu
iutriguiren, sucht man in Berlin — allerdings
mit Ucbereinstimmung und im Jntereffe Frank-
reichs — im Oricntc die prcußische Pickelhaube
und den türkischen Turban unter einen Hut zu
bringen, und geht so weit, sogar gegen die Jn-
teressen des sonst befreundeteu Nußlands, wenn
auch nur momentan, Front zu machen.. BiS-
marck übt das wichtigste Talent eines Diplo-
maten. Er weiß sich selbst zu nützen, wHhrend
er zugleich die Wünschc der Anbern fördert.
Napolcon wünschte die Fortdauer der Union
der Donaufürstenthümer um jeden Preis. Ruß-
land strebte diese Union an, allein es wird
wohl fühlen, daß dieselbe in diesem Augenblicke
nicht durchzusetzcn ist, so sehr sich auch seine
Agenten dafür bemühten. Da mag endlich
anch dem Czaren der Vorschlag, einen preu-
ßischen Prinzcn zum Haupte Rumäniens zu
ernennen, recht erscheinen. Der fürstliche Lieu-
tenant kann sich mit der Zeit viellcicht zu einem
russischen Statthalter umgestalten laffcn.

Nach der „N. fr. Pr." vom 18. soll Oester-
reich die preußische Depesche mit dem Vorschlag
der Festsetzung eines TerminS beautwortcn, bis
zu welchem beide Mächte abzurüsten hätten.

Die Uebereinstimmung dcs sächsischen und

Eine fehlgeschlagene Entdeckungsreise.

werden, geht ber „V. Ztg." von kundiger Seite
Folgendes zu: Die Gebrüder L. A. und C. A.
Spiegel, deren Gescbäftslocal sicb zuletzt tn der
Holzmarktstraße Nr. 54 befand, haben vor etwa
secbs Jahren beretts einmal Bankerott gemacbt,
wobei die Gläubiger wenigstens zwei Drittel ver-
loren. Jhr neuester Bankerott ergibt die bebeu-
tende Summe von 200.000 Thlr., wobet voraus-
fichtlich nur einige 20 Procent herauskommen wer-
den. Zu ibren Glävbigern zählen diesmal neben
nnem hiesigen auch ein Banquier auS Dessau, und
deträgt deren Forberung 32,000 Tblr.

Sie hatten burch die Polilei von London in Er-
fahrung gebracht, tn welcher Straße dort die Flüch-
tigen, welche ansehnliche Summen mitgenommrn,
wobnten, und indem die genannten Gläubiger ge-
dachten, wenn sie selber sich nach Lonbon versügten,
ihr Guthabcn virlleicht noch zu retten, wenbeten fie
sick an den hiesigen Polizei-Präsidenten mit der
Bitte, ihnen denienigen Beamtrn der Lriminal-
Polizei, welchrr vcreits in der Sache gearbettet
hatte, zur Unterstützung mttzugeben.

baycrischen CabinetS in der deutschen Frage
wird von dem „Staatsanzeiger für Würtem-
berg" für vollkommen begründet gehalten.

Da jeder ernsten Sache immer eine komische
Seite abzugewinnen, so stellt sich heute der
Pariser „Chärivari" den erften Zusammenstoß
Oesterreichs und Preußens bildlich so vor:
Wegen der ungeheureu Kosten der gegenseitigen
Kricgsbereitschaft, stoßen der Preuße und der
Oesterreichcr, jeder mit einem dicken Bündel
untcr dem Arme an der Thüre des Leihhauses
aufeinander.

. Die Vorgänge in Deutschland stnden in der
Schwciz theilnahmsvolle Beachtung. Die Kriegs-
frage zwischen Oesterreich und Preußen aber
findct bei unserm Volke kein Verständniß. Jn
der Schweiz hat allein die Volksvertrctung das
Rccht, Krieg zu beschließen; sie wird aber, ohne
Uebereinstimmung mit der öffentlichen Mei-
nung, nie von diesem Nechte Gebrauch machen,
selbst dann nicht, wenn,es sich um einen ge-
rechten Krieg handclt. Vollenvs aber einen
ungerechten Krieg, würdc weder Bundesver-
sammlung noch Bundesrath beginnen können.
Ein' Sturm der öffentlichen Entrüstung würde
sie auf der Stelle hinwegfegen, wenu nicht
schon der Geist der Verfassung hinlängliche
Bürgschast böte. (Wäkc die öffentliche Mei-
nung bei unS doch auch einc solche Macyt.)

Wie man aus Cattaro schrcibt, wird die
montenegri'nische Grenze von türkischen Trup-
pen besetzt, welche Omer Pascha commandiren
soll.

Die russische Negierung schickt cinen General
in außerordentlicher Mission nach Jassy.

DeurfchltTttd.

Karlsruhe, 18. April. 25. Sitzung der 2.
Kammer. Präsidium: Hildebrandt. (Schluß.)
Abs.ZdesArt. 1 des Negierungsentwurfes besagtc:
„Die Größe der VertretungSsumme beträgt 600
fl.; sie kann aber nach den Vcrhältnissen durch
das Staatsministerium erhöht werden." — Den
letzteren Satz nun: „sie kann aber nach den
Verhältnissen durch das Staatsministerium er-
höht werden", hat die Commission zu streichen
beantragt, und dafür einfach gesetzt: „Die Größe
der Vertretungssnmme beträgt 600 Gulven."
Hieraus eutquoll eine Streitfrage, welche
ihrem Kerne näch sich eigentlich nur um den
.Punkt spielte, ob die für außerordentliche Ver-
hältniffc und Nothfälle vorgcsehene Erhöhung

Dieser Bitte wurde entsprochcn und dcm betref-
fenden Beamten Urlaub ertheilr, wobei derselbe
aber keincn amtlichen Auftrag oder einen Verhafts-
befehl gegen die Gebrüder Spiegel hatte, sondern
nur mit den nötbigen Papieren zu seiner Legiti-
mation und deN Bewcisen des betrügerischen Ban-
kerotts versehen war. Jn London erfuhren sie, daß
vie Flüchtigen in der ^10^^^00^0,000 Thlr.

den, in Liverpool eine Seirenfabrik anzukaufen,
ihre ansäugliche Wohnung jedoch bereitS wieder
verlasscn hatten.

D>e Gebrüder Spiegel müssen aber Kenntniß von
der Ankunft der Hcrren aus Berlin erlangt haben,
indem sie das in der Bank deponirte Geld dort
nicht mehr für ficher scheinen gehalten zu haben,
sondern eö erhoben und anderSwo hinbrachten.
Auch schickten sie einen MittelSmann zu ihren bet-
den Gläubigern und ließen ein Arrangement an-
bteten, das aber so geringe Entschädigung für die
32,000 Thlr. bot, daß es turückgewiesen wurde.
Unterdessen hatte man mit Hülfe der Polizei die
neue Wohnung der Gebrüder Spiegel erfahren,
welche sich in einer übelberufenen Straße befand,
indem dort lautrr flüchtige BankerotteurS, Betrü-
ger und Schwindler ihr Quartier oaben, die sich,
wenn Notb am Mann ist, gegenseitig beisteben,
während eine Nachbarstraße eine Menge von Ad-
vokaten der schlechtesten Sorte, sogenannte Schel-
men-Schttdhaltrr, beherbergt, die gegen Voraus-

derVcrtretungSsumme mittelst Staatsministerial-
verfügung oder im Gesetzgebungswege eiuzufüh-
ren sei, die aber während der Debatte rücklau-
fend zur Vcrbreitung über alle Gesichtspunkte
und Anfechtungen wegen des Gesctzes an und
für sich führte, wie sie in der gestrigen Gene-
raldiscnssion zum AuSdrucke gekommen waren.
Nach dreistündiger Debatte war man noch nicht
zur Abstimmung des ersten Paragraphen des
amendirten Gesetzentwurfes gelangt. Es waren
drei verschiedene Anträge zu § 47, Absatz 2
gestellt worden, vsn den Abgg. Schaaff, Kirs-
ncr und v. Noggenbach, welche nach Beschluß
des Hauseö der Commission zugewiesen wurden,
um im Einvernehmen mit den Regierungscom-
missären darüber zu berathen, eine Vermittlung
zu suchen, und das Ergebniß derselben der Be-
rathung der Kammer in einer folgenden Siz-
zung zu untevbreiten. Dic Berathung des frag-
lichen Gesetzes ist nun ausgesetzt, damit die
Commission Zeit behalte, ihrer Aufgabe obzu-
liegen; die heutige Sitzung wurde gcschloffen;
und für did morgige der Bericht des Abgeord-
ncten Moll über das Budget des Kriegsmini-
steriums pro 1866 und 1867 aus die Tages-
ordnung gesetzt.

Karlsruhe, 19. April. 26. öffentliche
Sitzung der 2ten Kammer. Vorsitz: Hilde-
brandt. Am Ministertische: Generallieutenant
Ludwig und Geh. KriegSrath v. Froben.
Nach Eröffnung der Sitzung erhebt sich der
Präsident, um eine Ansprache zu halten bezüg-
lich des jüngsten EreigniffeS in St. Petersburg.
Das verabfcheuungswürdige Attentat auf Se.
Maj. den Kaiser von Rußland sei von der
Vorsehung gnädig abgcwendct wordcn. Jn Gc-
sellschaft des Kaisers habe 'sich die von unS
Allen hochverehrtc Fürstin, die Gemahlin un-
seres geliebten Prinzen Wilhelm, befunden, und
somit, wenn nicht die Gefahr, doch den Schrecken
getheilt, welche daS Attentat im Gefolgc haben
mußte. Das badische Volk, gewöhnt, Leid und
Frcud zu theilen, dic sein verehrtes und gelieb-
tes FürstcnhauS treffen, danke der Vorsehung
für dcn gnädigen Schutz, den sie dem hochver-
chrten Mitglicde unseres FürstcnhauseS und
dcm demselben so nahe verwandten Haupte des
russischen Kaiserhauses zugewendet habe. Er
gebe, indem er dies'eL ausspreche, sicher nur dcn
Empfindungen Aller, die sich als Vcrtreter deS
badischen Volkcs in diesem Hause bcfinden, Aus-
druck. Er bitte sie, sich zum Zeichen desicn von

genommene Geld bei sich hätten, wobet man zu-
gleick hoffte, daß sie sich zur Befriedigung der bei-
dkN Gläubiger bequemen würden. Jhr Empfang

weigert und einer der Gebrüder Spbjegel öffnete
ein Fenster und rief gegenüber wobnende Nachbarn
von der angegebenen Sorte um Hülfe, worauf der
Detcctive sich zurückzog, der Berliner Beamte fich
jedock nicht abhalten ließ, auf eigene Gefahr hin
die Wohnung sowohl als die Personen der Gebrü-

aber nichbgefunden wurde. 'Damit hatte der Bramte
AUes gethan, was in seinen Kräften stand; er
nahm einen Cab und verfolgt von einem andenr

harn der Gebrüder Spiegel befanden, erreichte er
bald seinen Gasthof, und eine Stunde später be-
fand er fich mtt den beiden Banquiers auf dem
Wege nach Dover, um Hber CalaiS nach Berlm
zurückzükehren.
 
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