Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1866 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 76-99 April
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2795#0387

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Htidtllmgrr Ieilung.

Kreislierkündigungsblatt für den Kreis Hcidelberg und aintliches Verkündiguiigsblatt sür die Amts^ und AmtS-
Gerichtsbezirkc Heidelbcrg und Wicsloch und dcn Anitsgcrichtsbczirk Neckargeuiünü.

Besteüungen auf die „Heidelberger
Zeirung" nebst Beilage „Heidelber-
ger Familienblätter" für das mit 1.
April 18«6 begonnene 2. Quartal
werden fortwährend angenommen.

Die Expedition

* Politifche Umfchau.

Heidelberg, 12. April.

* Während dem der große „politische Guck-
kästner" in Berlin sich bemüht, der staunenden
Wclt ein neues Bild mittelst der BundeSreform
zu zeigen, geht der diplomatische Notenwechsel
zwischen dem Wiener und Berliner Cabinete
ununterbrochen, in immer kürzern Zwischen-
räumen, fort. Wir erwähnten nculich deS tele-
graphischeu Jnhalts der prcußischen Note auf
die unmittclbar vorangcgangene friedliebende
österreichische. Nachdem der v alle W ortlaut
jener Note bekannt geworden war, fand man
denselben anfänglich nicht so verletzend, als er
nach dem summarischen tclegraphischen Jnhalte
erschcinen mochte. Allein sie ergab sich doch
als ausweichend, und bei näherer Betrachtung
auch zuglcich als ironisirend, fast höhnend ge-
gen Oesterreich. So viel ist sicher, §aß man
sich in Wien ernstlich durch dieselbe verletzt
fand , imd es hat nach neuesten Nachrichten
Oesterreich seine frühere Erklärung, daß es
nicht gerüstet habe, auf das Bestimmteste wie-
derholt, und zugleich an Prenßen die Anffor-
derung gerichtet, die angeordnete Mobilmachung
oder Kriegsbereitschaft rückgängig zu machen.
Dieser Aufforderung soll man jedoch in Berlin
nicht nachzukommen gesonnen sein. Zugleich
ist bekannt geworden, daß Bismarck seit dem
38. Febr. d. I. (dcm Tage des in Berlin ab-
gehalteneu großen Minister- und KricgSraihs)
den König schou zu wicderholtenmdlen zum
Eutschlusse, dcn Krieg au Oesterreich zu erklä-
ren, vermocht hatle, daß dieser aber immer
wieder von Mitgliedern sciner Familie und an-
dern einflußreichen Personen hievon momeutan
abgebracht wurde.

Daß der Bismarck'sche Reformvorfchlag über-
all nur Mißtrauen hervorrufen werde, war
vorauSzusehen und bestätigt sich dies nunmehr
durch ben vcrwcrfenden Ton, welchen die be-
deutendsten der deutschen Blätter über denselben
äußern. Wir führen nur die Naisonnemcnts
einigcr norddeutschen Blätter an, da über die

Ansichten der süddeutschcn Zeitungen kaum ein
Zweifel obwalten könnte. Jn Hannovcr sagt
die /,Ztg. für Norddeutschland", daß der Bis-
marck'sche Ant.rag, zunächst ein Schachzug gegen
Oestcrreich, in der jetzigeu Lage allerdingS ge-
fährlich werden könne, weun daS deutsche Volk
kurzsichtig genug wäre, in demsclben etwaS An-
deres zu erblicken, alS ein Manöver, durch wel-
ches GrafBismarckDeutschland in Verwirrung
und Zwicspalt stürzen will, währeud er seinen
Strauß mit Oesterreich ausficht. „Jst er damit
zu einem glücklichen Ende gekommen: dann wird
er freilich auch die Bundcsversassung reformi-
ren, aber mit seinen Soldatcn und seinen Jun-
kcrn, so daß dem deutschen Volke dabei die
Augen übcrgehen. Jm glücklichstcn Falle wür-
den unS junkerliche Präfectcn und MaireS leh-
ren, wie wir das allgemeine Stimmrecht und
directe Wahlen auszuübcn haben. Wir aber
glauben, daß Graf Bismarck sich vcrrechnet hat,
wenn er an eine rcvolutionäre Partei in Deutsch-
land Berufung einlegt* * die ihn zum Führer
wählen möchte." Jn Preußen selbst gcsteht
die „Köln. Ztg." und sogar auch die „Kreuz-
zeitung" ein, daß sie nicht wisse, was sie zu
dem Bismarck'schen Vorschlage sagcn solle. —
Die „Nhein. Ztg.", von jeher durch ihre echt
deutsche Gesinnuug sich auszeichnend, kcnnzeich-
net den Antrag als eine Phase jener Abenteu-
rerpolitik, untcr der Preußen schon so viel ge-
litten habe und viclleicht noch leiden werde, zu-
gleich aber als eincn wohlbercchneten Schachzug
gegen Ocsterreich. Oesterreich aber „möge die
ganze Schwcre der Versuchung abwägen, der
eS ausgesetzt wird, nicht das gleiche Vertrauen
zu dem deutschen Volke zu beweisen, daS sein
Gegner kündgibt." Es.möge die Herausforde-
rung ruhig acceptiren und dadurch der Welt
offen legen, inwieweit der Biümarck'sche Antrag
chrlich gemcint sei. Das Project, schlicßt die
Rhein. Ztg., liegt in den Wünschen der Nation,
aber eS bcdingt, um eine Aussicht zur Durch-
führung zu gewinnen, den Nücklritt dcS Man-
nes, der es zum Vorschcin gebracht hat! —
Die „Berliner Neform" sagt: „Ein deutsches
Parlamcnt aä doo, zur Unterstützung der Po-
litik tür die Ueberweisung dcr Elbherzogthümer
an Preußen und die Schöpfung einer Bundes-
krieasverfassnng, durch welche die Thcilung
DeutschlandS vorbereitet werden soll, ist ein
Unding, das in sich scheitern muß, selbst wenn
dessen Verwirklichung versucht wird." — Eud-

lich die „Weser-Ztg.", ein in Bremen erschei-
nende« großpreußischcs Organ: „ES bedarf nur
einer leisen Erinnerung an die Gcschichte deS
preußischen Verfassungsconflicts, um die Ueber-
zeugung zu gewinnen, daß dieses Ministerium
nicht den Wunsch haben kann, durch ein auS
einem demokratischen Wahlgesetz hervorgegange-
nes Parlament im Geringsten beschränkt zu
werden."

Nach einer Privatdepesche des „F. I." auS
Berlin vom 11. April ist die Kriegsaugmenta-
tion dcr Handwerkercompagnien undFeuerwerkS-
abthxilunge^, sowie die Beendigung der ganzen
projectirten materiellen Artillerieorganitzttion
in Preußen angeordnet.

Die officiöseu Berliner Correspondcnten der
„Börsenhalle" und des „Hamb. Corresp." che-
stätigen, daß Bayern die von Preußen bean-
tragte Bundcsreform unterstütze.

Der „Kreuzzeitung" will das deutsche Par-
lament noch nicht behagen. Sie.Lußert über
die kühne Jdee des Herrn von Bismarck: „WaS
nun aber den Vorschlag betrifft, daß die von
der Bundesversammlung beschlossene Verfassung
einem direkt gewählten deutschen Parlamente
zur Berathung vorgelegt werden soll, so müssen
wir sagen, daß wir dies biS jetzt nicht verstehen
können. Wir habcn zu der politischen Schwung-
kraft und Einsicht unsereö jctzigen Cabinets so
großes Vertrauen, und wiffen seine Verdienste
„um das Vctterland" so hoch zu schätzen, daß
cs uns nicht einfällt, kurzwcg abzuurtheilen in
dieser schwierigen Sachc. Aber wir wünschen
und bitten, daß dem Lande — zumal den Con-
servativen — fo weit mögltch eine Aufklärung
gegeben werde über diesen Schritt der Regierung,
der sonst vielleicht gerade treue Freunde irre
machen möchte."

Die „Berliner Zeidler'sche Corresp." stollt
binnen acht Tagen bedeutungsvolle Ereigniffe in
Sachsen in Aussicht. Die preußische Regierung
habe enorme Geschützbestellungen bei Krupp
angeordnet; auch erwähnt sie einen bevorstehen-
den Aufruf an die Nation.

Nach der „Wiener Presse" ist die preußische
Erwiderung abgegangen. Sie lehne entschieden
das Demobilisirungsverlangen ab. Nach der
„Neuen fr. Presse" wäre dem Artikel 11 die
Bundcsmajorität gesichert, sobald das Reform-
project resultcttlos für die TageSfrage bleibe.

Die „Constitutionclle österreichische Zeitung"
schreibt: „Wenngleich der Moment für ein

Verhütung eines Iustizmordes.

merkwürdigen Eriminalfall, der an ähnlicbe Vor-
gänge jüngstcn Datums in England erinnert. Vor
rinigen Wochen wurde rtwa zwei Meilen von der

nam im Walde aufgefunden. Jn der alsbald rin-
gelriteten Untersuchung gab die Jury daS Verdict
ab, -daß die aufgefundene Leiche von einem srit

Henry Mahorn yerrühre; man schloß dies aus der
Vermrintlich festgestellten Identität der Kleidungs-
stücke, in denen der Vermißte zuletzt gesehen war,

nessce wohnenden Eltern nichts mehr von ihm ge-
hört; fie hegtcn keinen Zweifrl, daß die aufgefun-
dene Leicke die ihreS SohneS sei. Mahorn war mit
einem seiner Kameraden, NamenS Henry Williams,
aus Benton in der Absicht abgereist, sich zur con-
föderirten Armee anwerben zu lassen; nach einigen

Wochen aber kehrte Williams allein mit der Nacb-
richt zurück, daß sein Freund in dem 10. Regiment
von Missouri eingrtreten sei. Niemand zweifelte an
der Wahrheit dieser Angabe, biS nach Beendigung
des Krieges jene Leiche aufgefunden wurde, und
die von der Bchörde ausgeschriebenen SignalementS
die Aufmerksamkeit der Vcrwandten erregten. Auf
Williams lenkte sich alsbald der Verdacht des Mor-
des; er wurde verhaftet und vor die Assisen gestellt.
Seine Betheuerungen, daß er unschuldig sri, fan-
den Angesichts der vorlicgenden Verdachtsgründe

allgemein eine Verurtheilung. Die Verhandlungen
gingen ibrem Ende entgegen, als plötzlich etner
jener wunderbaren Zwischenfälle eintrat, durch welche
die Vorsehung oft dcr Kur^sichtigkcit der mensch-
lichen Richtcr zu Hilfe kommt. Zn drm Augenblick,
alS der Staatsanwalt sein Plaidoyer gegen den
Angeklagten hirlt, öffnete sich die Thüre des Ge-
richtssaales und Henry Mahorn trat grsund und
wohlbehalten herein. Seine Jdentität wurde ohne
Schwierigkett festgestellt, und der arme Williams,
deffen Verurtheilung vtrlleicht in der uächsten Stunde
erfolgt wäre, ward in Freiheit gesetzt. Er war von

^ diesem plötzlichen Wcchsel stiner Lage so erscbüttert,

I daß er beim Hinausgehen aus dem Gericktssaal

Herr Prabody, der großherzige Amerikaner, hat
sich, in der englischen Hauptstadt lebend, durch seine
Wohlthätigkcit um die Armen London's ein un-
sterbliches Vercienst erworben, tndem er, wie schon
erwähnt, nicht weniger als etne Viertel Million
Pfd. St. zur Lindcrung der Noth tn den ärmeren
Schicbten der Bevölkerung auSgesctzt hat. Die Ge-
legenheit, daß er auf einige Zeit tn sein Daterland
zurückkehren will, hat die Königin Victoria ergrif-
fen, um dem Bürger der Vereinigten Staaten,
welcher in Titel und Orden leeren Tand erblickt,
mit Hintansetzung der Regeln steifer Hofetiquette
ein viel sprcchenderes Zeugniß ihrer persönlichen
Hocbachtung und Dankbarkeit zu geben, und zwar
in folgrndem Schreiben: „Schloß Windsor, 28. März
1866. Die Königin vernimmt, daß Herr Peabody
 
Annotationen