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Heidelberger Zeitung — 1866 (Januar bis Juni)

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Nr. 126-151 Juni
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https://doi.org/10.11588/diglit.2795#0625

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Kreisverkiiiiüiguilgsblatt fiir üen Kreis Heivclderg uilü auitliches Berküiivigungsblatt für üie Amts^ unü AmtS-
Gcrichtsbezirke Hcidelbcrg unü Wicsloch unv ücn AuitSgcrichtsbczirk Nelkargeniünd.

M- 1SS. Dienstag. 12 Zuni

Neueste ?tachrichren.

Rendsburq, 10. Mai, Abends. Dcr
Gvuverneur v. Mantenffek hat an die Einwoh-
ner Holsteins eine Proclamation erlasien, in
welcher derselbe das ruhige, besounene Verhalten
der Holsteiner beim Einmarsch der preußischen
Truppen ancrkennt, übrigens sämmtliche poli-
tischen Vereine schlicßt, alle seithcr ohne Con-
cession herauSgegebenc Blätter für so lang, als
die gesetzlich vorgeschriebene Concession nicht ein-
geholt und ertheilt sein wird, vcrbietet und die
durch Bekanntmachung des östexrcichischen Statt-
halterS vom 15, Sept. 1865 eingesetzte holstei-
nische Landesregiernng in Kiel anflöst: Der
Baron von Scheel - Plefsen zum Oberpräsi-
dentcn beider Herzogthümcr ernannt^ über-
nimmt unter der Autorität der höchften Militär-
Gewalt die Leitung der Geschäfte der Civilver-
waltung und wird seincn Wohnsitz in Kiel ha-
ben. Der König bcabsichtigt, dem Prinzip der
Zusammengehörigkeit entsprechend eineGesammt-
vertretung der Herzogthümer SchleSwig und
Holstein in's Leben zu rufen. Zur Anbahnung
einer solchen sollen die Stände eines jeden der
beiden Herzogthümer einberufen werden, wozu
' die nöthigen Einleitungen bereits getroffen sind.

Jtzehoe, 10. Juni, Nachmitt. Dcr Gou-
verneur v. Mantcuffel trifft um 1 Uhr hier
ein. Dcr Civiladlatus v. Hoffmann und Herr
Lcffer tteffcn heuteAbend ein; dieBürgerschast be-
reitetdenselben einen Empfangvor. Die Bureau-
beamten Leffers sind schon eingetroffen.

Jtzehoe. 10. Juni, Abends. Der Gouver-
neur v. Manteuffel ist um 5 Uhr Abcnds hier
angelangt. Die Predigt zur Eröffnung der
Ständeversammlung ist auf mkvrgen Vormittag
11 Uhr anberaumt. Untcr den Eingetroffenen
werden genannt: Wiggers ans Rendsburg,
Behn aus Kicl und v. Scheel-Pleffen.

Paris, 10. Juni, Abends. Die Rente ging
um 40 Centimes herunter in Folge starker Ver-
käufe von großen Bankhäusern. Die Specu-
lanten sind sehr unruhig.

Heidelberg, 11. Juni. Nach einem Ex-
trablatt dcs Württembergischen StaatSanzeigers
wird in der nächstew Bundestagssitzung au thrn-
tischen Nachrichten zufolge der Antrag
gestellt werden, gegen Preußen, wclches durch
deu Einmarsch in Holstein den Bundesfrieden
verletzt hat, indem es sich gcgen ein Bundes-
mitglied «Lelbsthilfe nahm, nach § 19 der Bun-
desacte mililärisch vorzugehen — daher
nicht auf Bundescxccution, welche zu lang-
weilig wärc^

* Pokitifche Umschau.

Heidelber^, 11. Juni.

Die sämmtlichen in Frankfurt garnisoniren-
den preußischen Bundestruppen verlaffen näch-
sten Montag oder Dienstag diese Stadt. Die-
selben werden auf Sonderzügen nach Wetzlar
befördert.

Dievom2ten datirendeNachrichtdes „Temps",
daß eine österreichische Protestdepesche gegen den
Eimnarsch der preußischen Truppen in Holftein
übergeben worden sei, ist unrichtig. Ucher die
Abreise des österreichischen Gesandten in Berlin
Grafen Karolyi ist nichts bekannt. (Vergl.
dagegen Wien, 9. Juni.)

Einem Telegramm der „Frkf. Börs.Ztg." aus
Wien zufolge ist die Brigade Kalik augewie-
sen, Altona nöthigenfalls zu räumen und sich
über Hannover zurückzuziehen. Der Abbruch
der diplomatischen Beziehungen zu Prertßen
wird ftündlich erwartet.

Der preußische Staatsanzeiger vom 9. mel-
det: Jndem der Minister des Jnnern die sämmt-

lichen bisher eingegangenen Friedensadreffen im
Auftrag des Königs beantwortet, hebt derselbe
hervor, der König vermisse darin ungern den
AusdruckderOpfe rfreudigkeit, welchen die
BreslauerAdreffe enthalten habe. Der Minister
wiederholt die auf die Breslauer Adreffe ertheil-
ten königlichen Versicherungen, welche sämmt-
lichen Adressen zur angemeffenen Erwiederung
dienen mögen. Der König erwarte Angesichts
der wachsenden Gefahren eine rückhaltslose Hin-
gabe des Volkes.

Das „Dresdener Journal" sagt: Vön einem
französischen Rnndschreiben, welches die Mittel-
staaten ermahnte, im ofterreichisch-preußischen
Conflict neutral zu bleiben, ift der sächsischen
Negieruikg bisher nichts bekannt geworden.

Die „France" will wiffen, der letzte vom
Herzog von Grammont in Wiew gemachte Ver-
söhnungsversuch hätte nur die Folge gehabt, daß
man dort einfach die in der Antwort auf die
Confersnzeinladung dargelegtew Gründe aüfrecht
erhalten habe.

Der Großherzog von Mecklenburg - Strelitz
ist nach England abgereist, wo sich die übrigen
Familienglieder bereits befinden!

Jn Florenz hat am 9. Juni in der Depu-
tirtenkammer die Beralhung des Gesetzentwurfs
,über die Aufhebung der religiösen Genoffen-
schaften begonnen. Der erste Artikel, welcher
die Aufhebung ausspricht, wurde fast einstim-
mig angenommen.

D e u t f ch l a n d.

Karlsruhe, 7. Juni. (19. öffentl. Siz-
rung der erslen Kammer.) Wir kheilen aus
oerselbcn noch den Schluß der Erklärung des
Hrn. Geh. Naths Bluntschli auf die gegen
ihn erhobenen Angriffe mit. Derselbe
sagt: 6. Werden mir vorgeworfen angebliche
Verfolgungcn, Verhaftungen, Haussuchungen,
die „geregnet" haben sollen. Jn dcr Schweiz
war eS wie hier zu Land, gerichtlich verfolgen,
verhaften, Haussuchungcn vornehmen konnte
nur, wer entweder je nach Umständen die Po-
lizeigewalt besaß oder daS Amt des Staatsan-
walts halte oder Nichter war. Niemals hatte
ich eines dieser Aemtcr bekleidet, war also gar
nicht in der Lage, die Dinge thun zu können,
die man mir zuschrcibt. Mein Dcpartement war
das des Jnnern, welches damit gar nichtS zu
schaffcn hatte. Nur in zwei Beziehungen von
eminent politischer Seite hatte ich als Mitglied
der Negierung gegenüber von fremden Personen
eine gewlsse Mitwirkung. Die eine war die der
politischen Flüchtlinge. Das Prinzip, welches
ich hicr jederzeit befolgte, war kurz folgendes:
Gewährung des AsylS in liberalster Weise ge-
genüber allen politischen Flüchtlingen, gleichvicl
von welcher Farbe, aber zugleich Nichtduloung,
daß die sichere Zuflucht in der Schweiz miß-
braucht werdc zu feindscligen Handlungen wi-
der befreundete Staaten von gesichertem Ver-
stecke auS. Es ist das der Grundsatz, nach wel-
chcm auch die hcutige Schweiz verfährt. Wir
vernehmen soeben aus 'der Zeitung, daß der
Bundesrath auch jetzt schon in demselben Geiste
gegcn diejcnigen Deutschen einschreiten werde,
welche elwa versuchen solltcn, in der Schweiz
die rothe Nepublik für Deutschland zu procla-
miren und von da aus Einfälle gegen Deutsch-
laud zu machen. Gerade weil die Schweizer
wirkliche und praktische Republikaner stnd, ha-
ben sie kein sondcrlichcS Vertrauen zu diesen
thcoretischen deutschen Nepublikancrn.

Sodann trat ich dem Versuche des Schnei-
ders Wcitling, in dcr Schweiz mit dem Com-
mnnismus Ernst zu machen, entgegen. Es ging

dabei ganz ausgesprochen auf Theilung der Gü-
ter, Zerstörung des Privateigenthums und eine
vollständige sociale Umwälzung aus. Jn Folge
dessen wurde er vom Staatsanwalt verhaftet
und von dem Gerkchte verurtheilt. Die politische
Bcdeutung der Sache klar zu machen, erhielt
ich die Aufgabe uud löste dieselbe in der ein-
fachsten Form, indem ich die Papicre publicirte,
welche man bei ihm vorgefnnden hatte.

^7. Mein Ucbcrgang nach Bayern wird in
dem Pasquill vorerst so geschildert, als sei meine
Stellung in dcr Schweiz unhaltbar gewesen.
Jn dieser Hinsicht kann ich nur sagen, daß
noch lange Zeit, nachdem ich von Zürich weg
war, meine Professur an der Universität nicht
besetzt wnrde, in der Erwartung, daß ich doch
vielleicht wicder nach Zürich zurückkehre, und
darauf hinweisen, daß die endliche Ausarbeitung
deö Civilgesetzbuchs für Zürich in diese spatere
Zeit fällt und ich von München aus in fort-
währender freundlicher Verbindung blieb mit
der neuen liberalen Behörde. Sodann wird be-
hauptet, ich sei von dem klerikalen Minister
Abel nach München bcrufen worden und habe
die „Mission", dort in klerikalem Sinne zu
wirken, eifrig crfüllt. Thatsache ist, daß das
Ministcrium Abel längft gestürzt war, alS ich
nach München berufen wurde, daß meine ersten
Unterhandlungen mit dem Fürsten Wallerftein,
als Minister, Ende 1847 gepflogen wurden, und
daß meine endliche Berufüng erst unter der
Regierung des Königs Maximilian H. im Jahr
1848 zum Vollzug kam.

Wie sehr ich aber in München in klerikalem
Geistc gewirkt habe, das beweist am besten der
„Münchener Volksbotc"; in diesem ultramon-
tanen Blatt wnrde ich fortwährend ebcnso lei-
denschaftlich verfolgt, wie gegenwärtig in dem
„Badischen Bcobachter", dem „Pfälzer Boten"
und dem „Kath. Kirchenblatt."

Wenn ich mein frühereS politisches Lebcn
überblicke, so kann ich allerdingS nicht von mir
sagen — wie unser früherer College. der Frhr.
v. Andlaw, sich hier öfters zu rühmen pflegte,
daß er während 40 Jahren sich völlig gleich
geblieben sei — daß ich während meiner 37
immer genau dieselben Ansichten gehabt und
vertreten habe. Jch verzichte auf diesen zwei-
deutigen Ruhm; ich habe im Gegcntheil manche
Vorurlheile mciner Geburt und meiner Umge-
bung nach und nach abgestrcift. Jch habe auch
manche Meinnngen, die mir während meiner
Erziehung auf deutschen Universitäten beige-
bracht wordcn sind, im spätern Leben nicht be-
währt gefunden und weggeworfen. Jch habe in
mcinem Leben manches neue erfahren und man-
ches neue gelernt. Jch habe auch meine Ansich-
ten vielfältig berichtigt; ich bin nicht st e h e n
geblieben, sondern habe Fortschritte gemacht und
bin gewachsen in der Erkenntniß; und ich hoffe,
noch mehr zu lernen und weitere Fortschritte
zu machen. Jch besitze auch die Eitelkeit nicht,
zn mcinen, daß ich keinen Fchler und keine
Mißgriffe gemacht habe; ich würde manches viel-
leicht heute beffer machen als in frühercnJahren.

Aber daS behaupte ich, ich war vou Anfang
an bis heute ein Gegncr der Ertreme; niemalö
ein Freund der Ncaction, niemals ein Freund
des revolutionären Umsturzes, aber alle Zeit
nn Freund der nationalen Entwicklung und der
besonnenen, aber entschiedenen Neform.

Der Entwicklungsgang meines Lebcns ist be
urkundet durch eine Ncihe. von Gesctzen und
Schriften. Wer diese kennt, der wird mir be-
zeugcn, in diesem Leben und.seinem Wirken ist
ein innerer Zusammenhang und eine organisch
natürliche Entwicklung, ein fester, entschloffener
 
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