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Heidelberger Zeitung — 1866 (Januar bis Juni)

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Nr. 126-151 Juni
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Heidtlberger Zeilung.

KreisveMndiMgsblatt fnr den Kreick Heidelberg und amtlichcs Derkündigungsblatt fiir die Amts- und Amts-
Gerichtsbczirkc Hcidelberg nnd Wiesloch nnd den Amtsgerichtsbezirk dieckargeniünd.



Dienstag. 26 Zuni


18«6

* Politifche Umscheru.

Heidelberg, 25. Juni.

* Jn außerordenllichen Zeiten bekommt man
ungervöhnliche Dinge zu sehen und zu hören:
Jtalien hat nicht nur Oesterreich, sondern auch
Bayern den Krieg erklärt. Und weshalb? Hat
etwa Bayern im österreichisch-italienischen Con-
flicte eine drohende oder feindselige Stellung
gegen Jtalien eingenommen? Keineswegs!
Bayern — so wird diese Kriegserklärung mo-
tivirt — stehe im deutschen Conflicte auf Seite
Oesterreichs; weil aber Jtalien nicht blos sei-
nen Kampf um Venetien führt, sondern sich
auch am deutschen Collflicte wegen dem Bünd-
nifse mit Preußen betheiligt fühlt, sieht es sich
veranlaßt, auch sofort Bayern den Krieg zu
erklären, und seine Truppen, wenn es ihm ge-
lingt, in's Herz von Deutschland hineinzufüh-
ren! Aber noch mehr sollen unsere Augen
sehen, unsere Ohren hören: Die officiöse Presse
in Berlin hat Deutschland schon ganz aus
ihrem Wörterbuche gestrichen, sie spricht von
den deutschen Ländern außerhalb Preußens nur
unter dem Titel einer „mitteleuropäischen Staa-
tengruppe". Und um das Maß voll zu machen,
gibt das Bismarck'sche Leiborgan bereits zu
verstehen, daß das verbündete Jtalien allerdings,
wenn es glücke, nicht blos in Tyrol, sondern
auch in Bayern fußen werde. Wer bisher
glaubte, daß das Entsetzlichste ein Krieg Deut-
scher gegen Deutsche sei, hat sich geirrt. Es
wird diese ungeheure Calamität weit übertrof-
fen, wenn der Minister eines deutschen Groß?
staats, der angeblich für eine Reform Deutsch-
lands schwärmt, dem Auslande einen Kampf-
platz mitten in Deutschland zur Ordnung
der „mitteleuropäischen Staatengruppe" ein-
räumt. Der Ausdruck hiefür kanu in keinem
deutschen Wörterbuche gestrichen werden: Er
heißt einfach: „Landesverrath"

Nachrichten aus Sachsen besagen, die Be-
setzung Sachsens durch österreichische Truppen
sei nicht erfolgt, weil der König von Sachsen
dies ausdrücklich gewüuscht habe, um seinem
Lande die Schrecken des Krieges zu ersparen.

Die französische Besatzung in Rom wird un-
verzüglich vermehrt auf Kriegsdauer.

Die ungarischen Blätter treten aus
ihrer bisherigen Zurückhaltung bezüglich des
Krieges hervor. Das Organ Deaks, „Pesti
Naplo", sagt von dem kaiserl. Manifest: - Jn
ruhigem würdevollem Ton stellt es den Ur-
sprung der gegenwärtigen Verwicklung dar und ^
gibt mit dem Ausdruck tiefen Schmerzes eine
Uebersicht der Thatsachen, welche Oesterreich zu
diesem Krieg nöthigten. „Hirnök" (Organ der
Altconservativen) schreibt: Dem gegen die Jn-
tegrität der Mouarchie combinirteu italienisch-
preußischen Angriff gegenüber wird die unga-
rische Nation nicht allein ihrer ritterlichen Treue
und ihrer aus der pragmatischen Sanction er-
fließenden heiligen Pflicht zufolge, soudern auch
aus dem Trieb der Selbsterhaltnng auf das
erste Wort ihres Königs sich wie ein Mann
erheben und zum Schutz der Monarchie her-
beieilen.

Nach der Berliner Börsenztg. sollen noch im
Laufe des gegenwärtigen Mouats vorbereitende
Schritte zur Einberufung eines sog. „Deutschen
Parlaments" nach.Berlin erfolgen, und zwar
nicht nur in Preußen, sondern auch in den
übrigen von preußischen Truppen besetzten
Ländern.

Das unterm 23. Juni erschienene großh.
hessische Reg.-Blatt enthält u. A. ein sofort ins .

Leben tretendes Verbot, die Ausfuhrvon Schlacht-
vieh, sonstigen Proviantvorräthen und Kriegs-
material nach Preußen und den von ihm be-
setzten Ländern.

Vorn Kriegsfchauplatz.

Aus Eisenach wird gemeldet: „Hier ist die
Nachricht eingegangen (warm?), daß die Han-
noveraner von Heiligenstadt (südlich von
Göttingen) her auf dem Marsche hieher begrif-
sin seien, um sich vermittelst der Werrabahn
mit den Oesterreichern und Bayern zu vereini-
gen. Um dieß zu verhindern, sind preußische
und KoburgerPionniere hier eingetroffen.
Der Wagenpark nebst deu Locomotiven der
Thüringer und Werrabahn ist nach Erfurt ge-
schickt worden. Dem Vernehmen nach sollen
noch sechs Bataillone Preußen hier einrücken.
Die Vorposten der Hannoveraner sollen in
Kreuzburg, zwei Stunden von hier, stehen.
Der Verkehr von Gerstungen an mit Kassel
und von hier mit Coburg ift zerstört. Dagegen
sind die Postwagen von hier via Eschwege nach
Kassel überfüllt.

Die „Cöln. Ztg." bringt folgende Nachricht:
„Das schlesische Armeecorps hat den Reigen
eröffnet. Gestern früh rückten Detachements
zur Recognoscirung gegen Zuckmantel, Fried-
berg und Freywaldau aus. Letzteres stieß zwi-
schen Breitenfurt und Sandhübel auf ein gan-
zes Husaren-Negiment. Die Zündnadel-Ge-
wehre bewährten sich vortrefflich. Die Füsiliere
des iD. Regiments warfen die Husaren-Attaque
mit großer Ruhe zurück. Der.Feind verlor
8 Todte und 5 Verwundete; unsererseits ist
kein Verlust zu beklagen."

Die „K. Z." berichtet: „Der kurhessische
Kriegsminister, General v. Meyerfeld ist in
Minden als Staatsgefangener internirt.

Von Jtalien fehlen seit dem schon gemeldeten
Beginne der Feindseligkeiten alle Nachrichten.
Nach einer Korrespondenz der Wiener Abend-
post beträgt die Stärke der am Mincio unter
Durando und Cuchiari aufgestellten italienischen
Armee 68,000 Mann. Am Po stehen 98,000
Mann unter Della Nocca und Cialdini. Von
den Freischaaren stehen 16,000 Mann bei Como
und. Varese und 15,000 Mann bei Barletta.
Außerdem verfügt der italienische Oberbefehls-
haber über eine Reseroe von 78,000 Mann,
wovon die Hälfte im Toskanischen zusammen-
gezogeu und auf den Kriegsschauplatz gebracht
werden sollen. Die Garnisonen von Südita-
lien betragen etwa 80,000 Mann, 40.000 Ne-
kruten werden soeben eingeübt. Jm Ganzen
seien also über 400,000 Mann auf den Beinell,
„eine wahrhaftig nicht zu verachtende Zahl!"
Der.Plan des Feindes sei nicht ffchwer zu er-
rathen; der Miucio soll durchbrochen und Pe-
schiera forcirt werden.

Aus dem hannover'fchen Lager bei
Göttingen, 19. Juni, schreibt der „Württb.
Staatsanzeiger": „Sämmtlichen hannooer'schen
Truppen ohne eine einzige Ausnahme ist es
gelungen, theilweise nach wahrhaften Parforce-
Märschen, vor den andringenden Preußen sich
um Göttingen zu konceutriren. Dieselben sind
vom allerbesten Geiste beseelt. Das unter den
höheren Offizieren des Königs entdeckte landes-
verrätherische Komplott umfaßt etwa 6 Theil-
nehmer. Gestern war in den Straßen Göttin-
gens ein gedrucktes Plakat angeschlagen, dem-
zufolge der Generaladjutant Sr. Majestät, von
Tschirnitz, heute erschossen werden sollte. Die
Exekution wird in diesem Augenblick bereits
stattgefunden haben. (Von anderer Seite wird

versichert, daß derselbe bürgerlich gekleidet nord-
wärts abgereist sei). Außer ihm soll noch ein
Lieutenant erschossen werden. Der Kommandeur
des 3. Jnfanterieregiments fing eine an von
Tschirnitz gerichtete Depesche auf, erbrach sie
und überreichte sie dem König. Dieselbe soll
aus dem preußischen Lager gekommen sein und
seine verrätherische. Korrespondenz mit dem
Feinde verrathen haben. Auch der Kriegs-
minister v. Brandis hat im Zusammenhang
mit diesem Vorgang seine Entlassung erhalten.
Ein Lieutenant soll im Gefängniß sich entleibt
haben durch Aufschneiden der Adern. Ein
anderer, Frhr. v. Grote, soll entflohen, aber
wieder eingebracht, ein dritter durch die Flucht
nach Hannover gelangt und bei den dort stehen-
den Preußen bereits als Offizier eingetreten
sein.

Olmütz, 20. Juni. Die Berichte der Wie-
ner Blätter aus dem österreichischen Haupt-
quartier bringen auch heute nichts Neues vom
Kriegsschauplatz, sie vertrösten die Leser auf die
nahe Zukunft. Einem Berichtc der „Presse"
entnehmen wir folgende Stelle: „Die letztcn
beiden Nächte waren bitter kalt, heute Vormit-
tags fiel heftiger Regen; da die ganze Armee
in Bewegung ist -und die Cantonnements, in
wclchen die Truppen bisher, wenn auch ge-
drängt, so doch unter Dach und Fach, unter-
gebracht waren, großentheils verlassen wurden,
so mag das Wachtfcuer in den Bivouacs trotz
der Sommcrszeit recht wohlgethan haben. Der
Gesundheitsznstand ist übrigens vortrefflich.
Nach den angestrengtesten Märschen sah ich kaum
bei einem Manne Zeichen von Ermüdung; die
Ordnung der Colonnen ist fest gekittet, wie
bei Märschen vom Exercierfeld, der Schritt ift
lang und elastisch, die Bewegung so rasch,
daß der gewöhnliche Spaziergänger tüchtig
ausschreiten muß, um in der Begleitnng nur
eine Strecke weit Stand zu halten.

Jch sah ein Ulanen- und ein Kürassierregi-
ment hier durchpassieren, welche beide weite
Märsche zurückgelegt hatten; die Pferde waren
in der vortrefflichsten Condition, der Park lag
gut und ruhig, und bei keinem der beiden Kör-
per zählte ich mehr als 5 gedrückte Pferde. Bei
den meisten Negimentern ist die Zahl noch weit
geringer; bei vielen, wie bei Preußen-, bei
Palffy-Husaren, nur eineS oder gar keines per
Regiment. Der Sieg liegt in den Beinen, sagte
der Marschall von Sachsen, und er gchört den
marschirendcn Armeen, bestätigte Napoleon. Es
lacht Eincm däs Herz im Leibe, wenn man
unsere Truppen marschiren sicht!"

Prag, 20. Juni. Dresden ist zu zwei
Millionen Thaler Contribution herangezogen.
Die auSgehobencn waffenfähigen Mannschaften
wurden nach Görlitz zu transportirt; die Trans-
porte dauern sort mit der Bestimmung nach
Ostpreußen. Gerüchtweise vcrlautet, König
Johann von Sachsen habe die Abdankungs-
Urkunde zu Gunsten deö Thronfolgers unter-
zeichnet und Beuft sei nach Paris gereist.
Andere Gerüchte prognosticiren Letztexem eine
Beschästigung im Wiener auswärtigen Amte.

(N. Fr. Pr.)

Prag, 21. Juni. König Johann inspi-
zirte heute die hier angelangte sächsiiche Kaval-
lerie auf dem Ning unter dcm Jubel des
Publikums. Die Königin von Sachsen und
die königl. Kinder reisen ab. Die anderen
sächsischen Prinzessinnen bleiben hier. — Die
Preußen zerniren die Festung Königstein;
die Beschießung scheint beabsichtigt. — Aus
Teplitz wird der „Prag. Ztg." telegraphirt.
 
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