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Heidelberger Zeitung — 1866 (Januar bis Juni)

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Nr. 100-125 Mai
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tidtlbtrgcr Irilung.

KreisveMndigmgsblatt für den Kreis Heidelberg und amtliches Berkündigungsblatt für die Aints- und Auits-
Gcrichtsbezirke Heidelbcrg miö Wiesloch und den Amtsgcrichtsbezirk Neckargemünd.

R


Donnerstag, 17 Mai


* Politifche Umschau.

Heidelberg, 16. Mai.

Ei,l Leitartikel der „Wiencr Presse" weist
nach, daßPreußcn denFrieden nicht mehr wie vor
Wochen durch die Rückkehr zu jeiuer früheren
Position, sondern nur durch gänzliches Aufgeben
derselben erlangen kann. Hierin liege die Schwie-
rigkcit der Crhaltung des Friedens. Wenu Preu-
ßen nicht die Kraft habe, Deutschland zu beugen,
so werde es dießmal sich unter Deutschland
beugen niüssen.

Die „Patrie" vom 14. schreibt: F^alls Oester-
reich in Jtalien siegcn und demgemaß über-
triebene Forderungen stellen sollte, könnte Frank-
reich zur Jntervention veranlaßt werden. —
Die „France" bringt einen sehr hcftigen Artikel
gegen Preußcu. — Dasselbe Blatt meldet fer-
ncr, der Kaiser beabsichtige nächstcn Donnerstag
das Lager zu Chalons zu besuchen.

Die „Nh. Ztg." schreibt aus Düsseldorf, 14.
Mai: „Jn Folge von Excessen, die von Ein-
berufenen in Neuß bcgangen wurdcn, gingen
Nachmittags die 10. und 11. Compagnie des
ü 6. Jnfanterieregiments dahin ab. Nach Elber-
feld ist aus ähnlicher Veranlassung die 1. und
2. Compagnie dcsselben Regiments commandirt
worden, heute Morgen aber bereits zurückge-
kehrt."

Die „Altonaer Nachr." mclden aus Husum,
Gouverncur v. Mantenffel habe bei einem offi-
ciellen Diner in einer Rede hervorgehoben, wie
Norddeutschland von Natur an das proteftan-
tische Preußen gewiesen und daß für die Hcr-
zogthümer nur noch zweierlei möglich sei: ent-.
weder sie würden preußisch oder wieder dänisch.

Die Finanzberichtc auS London lauten schlecht.
Die Panique dauerl fort, neue Fallimente bre-
chen aus. — Das Deficit der 8 gefallenen
großen Häuscr wird auf 21 Mill. Pfd. Sterl.
angegeben. Dic Actien deS Hanses Overend
Gurney, auf wclche nur 15 Pfd. St. einge-
zahlt sind, werden mit 16 Pfd. St.l! Verlust
ausgeboten.

Die gut preußisch gesinnte „Danziger Ztg."
äußert sich in einer Weise über die Kriegs-
frage, wie sie wohl überhaupt im ganzen preu-
ßischen Staate aufgefaßt wird. Sie sagt: „Der
Kriegslärm trägt schon jetzt, noch ehe die Ka-
nonen spielen, seine schweren Folgen. Wie die
Stimmung des Volkes ift, das darf man Nie-
mandem jbesonders sagen. Sie gibt sich tag-

täglich auf. das unzweidentigste kund. Das
Volk will keinen Krieg; denn es begreift nicht,
weßhalb er geführt werden und wofür eS diese
colossalen Opfer bringen soll. Welche Frage
drängt denn dazu, das Schwerl zu ziehen?
Etwa die jchleswig-holsteinische? Preußen ist
in seinem vorläufigen Besitze in Schleswig «icht
bedrohl; und zu einer gewaltsamen Anncxion
der Herzogthümer hat es kein Recht. Auch der
entschiedenste Grsßpreuße wird nicht behauplcn
wollen, daß Preußen dieses Recht deßhalb habe,
weil es sie zu besitzen wünsche. Mag dic preu-
ßische Regicrung die Zustimmung der Bevölke-
rung in den Herzogthümern gcwinnen, dann
wird sich die Vereinigung mit Preußen von
selbst vollziehen. Der jetzigc Zeitpunkt ist zur
Lösung der schleswig-holsteinischen Frage nicht
geeignet. Preußcn hat kein Olmütz zu riskiren,
wenn es diese Frage in ststus quo läßt und
diejenigen Mittel ergreift, welchc gecignet sind,
ihm in Schleswig-Holstein Boden zu gewinnen.
Das Volk wiü diesen Krieg nicht, dessen Ziel
es nicht kennt, der einen großen europäischen
Brand herbeiführen und Deutschland mil der
Einmischung deS Auslanoes bedrohen würde.
Oesterreich mit Italien und zugleich Preußen
mit den deutschen Mittelstaaten und Oesterreich
im Kampf — eine bessere Situation könnte
sich in der That der Herrscher an der Seine
nicht wünschen! Er hätte die Eutscheidung
vollständig in der Hand."

Die „Postztg." bringt „aus sehr beachtenS-
werther Quelle" folgende Miltheilung: Ein
vertrauliches Schreiben auS den Berliner Hof-
kreisen an eine hochgestellte Persönlichkeit in
Wien meldet, seit dem Attentat auf den Grafen
Bismarck sei der König augenscheinlich ganz
verändert, sein Geist sei verdüstert. Slunden-
lang verharre er in dumpfem Schweigen, dann
wieder breche er in Klagen aus, in Aeußerun-
gcn tiefen Kummers und trüber Ahnungen.
Man spricht von Abdankung.

Deurfchl», nd.

Karksruhe, 15. Mai. Se. Königl. Hoheit
der Großherzog haben der auf den großh.
Baurath Sternberg gefallenen Wahl zum
Director der polytechnijchen Schule für das
Studienjahr 1866/67 die höchste Bestätigung
zu ertheilen; den Professor Rauch am Lyceum
ik Freiburg zum Honorarprofessor der Philo-
logie an der Universität daselbst, den Referen-

där Philipp Greiff in S'nsheim zum Uni-
versitätSamtmann in Heidelberg zu ernennen

Karlsruhe, 12. Mai. (13- öffentliche
Sitzung der I. Kammer. Schluß.)

Prälat Holtzmann hat Gelegenheit, bei den
Prüfungen dic Ansichten der Kandidaten kennen
zu lernen und von Heuchelei nichts gesunden.
Das Seminarium habe vielmchr bis in die
lctzte Zeit segensreich gewirkt.

Geh. Rath Bluntschli ist der Ansicht, daß
die erste Kammer sich mit Theologie nicht zu
beschäftigen habe.

Staalsrath Lamey betont, daß die Rcgie-
rung sich von allem Dogmatisiren fern halten
werde und daß höchst wahrscheinlich schon im
nächsten Budget die Forderung für das Semi-
nar wegfallen, vielleicht aber als Anforderung
für die Universität Heidelberg erscheinen werde.

Bei der Forderung für Lyceen, Gymnasien
und Pädagogien legt der Prälat Holtzmann
ein gutes Wort für die Lyceallehrer ein.

Staatsrath Lamey erklärte, daß es die Ab-
sicht der Regierung sei, durch Erhöhung des
Schulgeldes auch hier Aufbesserungen cintreten
zu lossen.

Bei der Forderung für Schullehrerseminarien
hat Prälat Holtzmann einige Bedenken; er
glaubt, daß möglicherweise durch den 3jährigen
SeminarkurS, sowie durch die neue Gehaltsre-
gulirung, die nicht von allen Lehrcrn als vor-
theilhaft angesehen würde, eine Verminderung
der Lehrer stattfinden werdc.

Staalsrath Lamey kann nicht begreifen, wie
bei eiyem Mehraufwand von etwa 200,000 fl.
die Lehrer sich schlechter stellen könnten als
seither.

Ministerialrath Jolly weist nach, wie die
eminente Mehrzahl der Lehrer bcdeutend auf-
gebessert werde, wenn auch vielleicht zufällig
einer oder der andere momentan benachtheiligt
würde.

Gegen das ganzc Budget stimmen schließlich
nur Frhr. v. Stotzingen und dic beiden Gra-
fen v. Kageneck. Frhr. v. Andlaw hatte
vor der Abftimmung den Saal verlassen.

Der Gesetzentwurf, die Besteuerung der sog.
Wanderlager betr., wird ohne Discussion mit
den Abänderungen der zweiten Kammer ange-
nommen.

Ebenso wird der Gesetzentwurf, die neue Ka-
tastrirung der Gebäude im Großherzogthum

(EinevortrcfflickeRevanche.) Ein Braut-
paar in Frankreich kam zur Mairie, fich trauen zu
lassen. Beim Hinaufsteigen trat der Bräutigam der
Braut aus Versehen aufs Kleid; „Tölpel!" ver-
setzte die aufgebrachte junge Dame. D^r Brautigam

Code, setzt bie Brille auf^und sagt: Herr B., find
Sie gewillt, Ieanne Marguerite A. zur Frau zu
nehmen? „Bin kein solcker Tölpel!" antwortet der
gewesene Zukünftige. Man kann fich die Wirkung
des Wortes denken. Dte Mütter wcrden etwas

wieder zu. Enblick verstandigt man fich; ber junge
Mann erklärt, daß die Heftigkeit seiner Braut ihn
wegen etwaiger künftiger Ungeschicklickkeiten in Angst
gesetzt, daß er nun als Hagestolz sterben, daß er
aber galant setn wolle und ihr die Aufgabe, zu-
rückzutreten. überlaffe, bamit fie fick künftig ver-
-eirathen könne. Man trttt also nack dieser Ueber-
einkunft wieder zum Maire, der seine Brille wieder
aufsetzt, seinen Code nock etnmal öffnet und von
Neucm fragt: Herr B., fin* Sie gewtllt u. s. w.
DteSmal sagt der Bräuttgam lachend: „Ia!" Als
aber dte Reihe an die Braut kommt, sagt fie statt
deS verabredeten Nein gleichfalls freundlich und
laut Ia! Mitten tm allgemeinen Erstaunen sprickt
der Mairc: Im Namen des Gesetzes, Sie find
verbunden! „Aber daS ist nicht möglich, ruft Herr

B.. daS isr gegen die Verabrednng, das kann nicht
Ihr Ernst setn!" Hier ist alleS Ernst, sagt der
Maire, nimmt die Brille ab und schließt den Code,
Comödie wird hier nicht gespielt.

* LLterarifches.

Die Apostel von E. Renan. I. Lief. Leipzig
und Paris 1866. — Der berühmte Verfaffer deS
„Leben Iesu" gibt unS hier in einer autorisirten
deutschen Ausgabe die Fortsetzung seiner urchrist-
licken Studien, die zunäckst auf die Gesckichte der
Apostel gerichtet find. Derselbe Geist der Freiheit,
der aus ;enem berühmt gewordenen Werke hervor-
sprtcht, weht uns auck auS dieser Sckrift entgegen,
die in vorliegender Lieferung eine Critik der ur-
sprünglichen Documente deS Apostelthums in kur-
zem Abriffe und dann die Gesckickte der Auferstehung
Iesu, dte des Verf. „Leben Iesu' nicht in fich
schließt, in ihren Anfängen, denen eine weitere
Ausführung folgen wird, enthält. Besonders wohl-
thuend spricht unS die zarte Rückfichtsnahme deS
Verf. auf die Glaubensüberzeugungen Anderer an,
die er durch diese unb seine übrigen crittschen Schrif-
ten durchauS nicht stören oder verletzen will. ES
würde ihm, bemerkt er u. A-, den größten Sckmerz
verursachen, wenn man ihm dir Abficht nachweisen
könnte, daß er seinen Gedanken einem einzigen An-
hänger hätte verschaffen wollen, der nicht durch fich
selbst zu demselben gekommen wäre. „Der Gevanke,

den Glauben von irgend Irmand erschüttern zu
wollen, liegt tausend Meilen weit von mir", S.46.
^er^Le^ ist^ wie a^b^e ^^^be^ei^st,^ m^^

Geschichtsansckauung hervor. Die Gesckickte der
Mensckheit ist für ihn ein weites Ganzes, wo alleS
Wesentlicke ungleich und verschieden, aber wo AUeS
von derselben Ordnung ist, aus denselben Ursachen
hervorgeht, denselben Gesetzen gehorcht. Den Eng-
herzigen, zunächst in seiner eigenen Ktrche, gibt er
scharfe Lehren, so u. A. S. 53: „Wenn unsere
Kirche uns zurückstößt, so werden wir uns nicht
räcken; wurdigen wir die Sanftmuth der neuern
Sitten, welcke btesen Haß unschädltck gemackt haben.
Trösten wir uns, indem wir an die unfichtbare Kirche
denken, welche die excommunicirten Heiligen, die
edrlsten Geister des Jahrhunderts in fich schließt.
Die Verbannten einer Kirche find immer dte auS-
erwählte Sckaar; fie eilen der Zeit voran, der
Ketzer von heute ist der Orthodoxe drr Zukunft."
Das Buch verlangt vorurtheilsfreie verständige Le-
ser; solchen gewährt cs vielfache Anregung und Be-
lehrung.
 
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