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Heidelberger Zeitung — 1866 (Januar bis Juni)

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Nr. 26-49 Februar
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https://doi.org/10.11588/diglit.2795#0191

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Kreisverkündigungsblatt fiir dcn Kreis Heidelberg und amtliches Bcrlündigungsblatt sür die Amts- und Autts-
Gerichtsbczirke Heidelbcrg und Wicsloch und dcn Amtsgerichtsbezirk Ncckargcmünd.



Donnerstag, 22. Februar 18KK.

* Politifche Umfchau.

Die „Schlesw.-Holst. Zeilung." meldet aus
Schleswig, daß gutem Vernehmen zufolge im
Herzogthum Schleswig demnächst Ersatzwahleu
vorgenommen werden sollen.

Der „Karlsr. Ztg " wird aus Wien mitge-
theilt, daß die Nerhaudlungen über die Aus-
lieferung des uvglücklichen Nedacteurs May
in den diplomatischen Weg übergeleitet worden
seien. Hr. May wird vielleicht gut thun, das
Eude dieser Verhandlungen nicht iu Schleswig-
Holstein abzuwarlen.

Die Wiener „Presse" räth dem König von
Preußen, wenn er sich in der Herzogthümer-
ftage allzutief engagirt glaubt, um ohne Frie-
densstörung zurückzutreten, die Abdankung an.

Am 18. d. wurde in einer zweiten großen
Volksversammlung eine Adresse an den Präsi-
denten Grabow angenommen, die durch eine
Deputation von 25 Personen zu überreichen
ist. Ein dreimaligeS Hoch. auf daS Abgeord-
netcnhaus beschloß die Versammlung.

Die Berliner „Nordd. Allg. Ztg." tritt der
Auffassuug der liberalen Kammercorrespondenz
in Betreff des Ministerialschreibens vom 18.
Februar mit der Bemerkung cntgegen: Wenn
die Regierung in den erwähnten Fällen aus-
drücklich eine Verfassungsverletzung constatirt,
so ist die weitere Consequenz die Aufgabe, die
Verfassung gegen ferncre Angriffe sicher zu
stellen und diejenigen, welche stch dieser An-
griffe schuldig machten, zur Verantwortung zu
ziehen.

Die „Kreuzzeitung" sagt in ihrer ncuesten
Nummer: Jrrthümlich als officiös bezeichnete
Stimmen in Hamburgcr Blättern lassen an-
nehmen, als handle es sich für Preußen gegen-
wärtig um eine Handstreichpolitik in den Her-
zogthümern. Wir brauchen kaum zu versichern,
daß hieran bei bevorstehenden Entschlicßungen
Preußens, so ernst dieselben auch zu nehmen
sein dürften, nicht die Rede ist.

Sämmtliche schweizerische Bischöfe protestir-
ten bci der am 19. eröffneten Bundesversamm-
lung gegen den Ausschluß der Geistlichen aus
dem Nationalrath.

Jn Neapcl zählte man während des letzten
Monats fünf Verheirathungen von Priestern,
und glaubt, die Zahl der Fälld werde sich uun
stark vermehren.

Nach eincr Vorlage des Ministers an das
italienische Parlament betragen die Einkünfte

der zur Einziehung in Aussicht gcnommenen
Geistlichengüter jährlich 67,444,656'Lire. Der
Kapitalwerth dürfte darnach wohl zu 1500 Mill.
anzuschlagen sein.'

Deutfchl«rnd.

-j-* Karlsruhe. 21. Febr. (Achte öffent-
liche Sitzung der zweiten Kammer. Vorsitzen-
der: Vicepräsident Kir sner.) Unter den heu-
tigen Einläufcn erregt die Petition der Stadt
Baden, dic Spielfrage und künftigen Kucan-
stalten betreffend, ein besonderes Jnteresse.
Es wird vcrlangt: 1) Wegen der unbenützt
vcrstrichencn drei Jahre seit Kündigung des
Spielpacbts diesen bis 1870 zu verlängern,
während welcher Frist die nöthige Fürsorge
für das fernere Gedeihen der Stadt Baden
getroffen werden könne; 2) dic von einer nie-
dergesetzten Commissiou und den Badener Aerz-
ten gemachten Vorschläge- zur Hebung der
Stadt Baden zu einem Kurort ersten Ranges
zu genehmigen und baldigst zur Ausführung
bringen zu lassen. Die Petenten berufen sich
hauptsächlich auf den Kammerbeschluß von
1862, uach welchem der Spielpacht in Baden
aufhören solle, sobald für das fernere
Gedeihen des Kurortes die nöthige
Fürsorge ge troffep sein werde. Letztere
Bedingung sei nicht befolgt, wofür Thatsachen
sprechen sollen. Die Regierung selbst habe
durch Verlängerung des Spielpachts bis zum
Jahre 1867 die Moral der Nothwcndigkeit
untergeordnet, was also auch jetzt nochmals zu
Gunsten Badens geschehcn könne und solle.

Äuf der Tagesordnung stehen die Berichte
der Budgetcommission über die Nechnungsnach-

1866—67. Es ist ein offenbarer Mißstand,
daß solche Nechnungsnachweisungen, beziehungs-
weise deren Abhör, vor die Kammer gebracht
werden; jenes sollte durch die Commission
selbft geschehen, und die Sache nur dann vor
das Plenum der Kammer gebracht werden,
wenn es sich um bedeutende Anstände oder
Principienfragen handelt, was nur selten der
Fall ist. Es würde viel Zeit und damit auch
Geld erspart; auch würde das Ansehen der
Kammer durch Fernhaltung solcher bloßen For-
malien nur gewinnen. Die württcmbergischen
Stände haben in dieser Beziehung eine viel
zweckmäßigere Einrichtuug, indem. solche Dinge
einem Ausschuß überwiesen sind, der der Kam-

mer darüber einen Generalbericht erstattet, und
nur daS der Beschlußfassung der Kammer vor-
behält, was von besonderer Wichtigkeit. Bei
unS verliert die Kammcx ein bis zwei Wochen,
bis sie über solche bloß formelle Sachen weg-
kommt. .

Auch heute vermochte das Ablesen der Rech-
nuugsnachweisungen kein besondereS Jntcresse
zu erregen. Einnahmen und Ausgaben in den
verschiedencn Zweigen des Handelsmini sterium
werden ohne Anstand genehmigt. Jn Bezug
auf den Postbetrieb wollcn wir nur die Er-
fahrung hervorheben, die sich auch bei unS be-
währt hat, daß jcde Erleichterung deS Verkehrs
in der Regel auch die Einnahme vermehrt.
Mit Einsührung ejner einzigcn Brieftaxe von
3 kr. sür das ganze Land hat sich die Zahl
der von der Post beförderten Briefe schon nach
einem Jahre von rund 11 Millionen auf 15
Mill. Stück gehoben, und ist verhältnißmäßig
auch der Ertrag der Briefpost gestiegen.

Bei dicsem Änlaß' erklärt der Präsident des
Handelsministeriums, Staatsrath Matthy:
Die Regierung habe bei der gegenwärtig hier
tagenden Poftconferenz die Einführung eines
einzigen Briefansatzes und zwar zu 3 kr. für
den gesammten Postverein beantragt, sei aber
damit nicht durchgedrungen; doch habe man
erreicht, daß ein zzoeifacher Ansatz, zu 3 kr.,
und über 20 Meilen Entfernung zu 6 kr., be-
schlossen worden sri. Doch habe er gegründete
Hoffnung, daß der einheikliche Satz zu 3 kr.
in nicht ferner Zukunft erreicht werden könne.

Anläßlich der Rcchnungsnachweisungen über
den Eisenbahnbetrieb brachte der Abg. Moll
die Kohlenfragc zur Sprache, und empfahl
diese für die deutsche Jndustrie so wichtige
Sache dringend der Regicrnug. Staatsrath
Matthy erwiderte: Die Regieruug kenne hier
ihre Aufgabe; er hoffe insbcsondere 'auf ein
Arraügement von Stuttgart, mit dem alle
billig Denkenden zufrieden sein können. Diese
Erklärung wurde mit großer Bcfriedigung auf-
gkuommen.

Hicrauf nahm die Kammer die beantragte
Verstärkung mehrerer Commissionen vor. Diese
-Wahlen sind insofern von besonderer Bedeu-
tung, als bci ihnen die beiden Hauptparteien
in der Kammer ihre Kräfte maßei?. Die selbst-
ständig liberale oder sogenannte Fortschritts-
partei vereinigte auf ihre Candidaten ^urch-
gängig und consequent 24 Stimmen; die Par-

-j-* Ernft Moritz Arndt.

(Fortsetzung.)

So wurde Arndt 17 Jabre alt, und jetzt hieß
es, was soll aus dem Iungen werden? Er wußre
ftlbst nicht, was? Es schien, daß ihn setne Gaben
sür den gelehrten Beruf tauglich machleu, dazu
aber fehlten dem Vater die Mittel. Plötzlich stellt
fich eine Summe Gelves ein von unbekannter Gön-
nerhand, und jetzt wird es möglick, ihn nach Stral-
sund auf die gelehrte Schule zu bringen. Die Mut-
ter rüstete ihn mit cinem grünen, selbst gemachten
Rocke aus, und als der Bauernjunge so in seine
Claffe trat wnrde er allseitigst ausgelackt. Das
wiederholte sich einige Mal und gefiel ihm gar nicht.
Einmal holt cr sich den stärksten und vornehmsten
der „Stadtpfauen", schüttelt ihn tüchtig, wirft ihn
nieder und kehrt ihm den Rücken.

Ietzt gab es Ruhe und Respekt. Der Bauer
Arndt holte mit eisernem Fleiße nach, was an
ihm versäumt worden war; mit eisernem Fleiß
warf er fich auf die alten Sprachen, denn er er-
kannte das mächtige Bildungselement, das in ihnen
ltegt. Nun aber schien auch die Versuchung ihren

sen, der Versuchung nicht zu unterliegen, er wurde
ein „Ascet", er lebte fast mönchisch. Vor Allem
gelsbte er sich, sein Leben lang keinen Kaffee und

einem unbesonnenen Augenblick that er auch das
Gelübde, keinen Wein zu trinken, und er hat'S
nicht gehalten. Dann stürmte er fast täglich hinaus
in's Freie, ganze Nächte wanderte er, er kasteite
fich auf jede Weise, badete bis in den Winter
hinein, die störrische Natur, die in ihm war, sollte

„düsteren Kauz" nannten.

Er war jetzt 1'/, Iahr auf der Schule. Eines
Tages geht er in sich gekehrt spazieren vor dem
Frankenthor von Stralsund; quf einmal ergretft
ihn eine unnennbare, fast dämonische Gewalt.
Wandern! Wandern! spricht es ihm zu, und er
läuft und läuft, weiter und wetter, bis er auf
einem Heuhaufcn ermüdet niederfinkt. Er erhebt

now anlangt. Er bot sich ihm als Pächtersjunge
an, der aber übersah feinen Zustand augenblicklich,
schvirb an seine Eltern, und als gehorsamer Sohn
kehrte er in das väterliche Haus zurück, in die
Sckule aber wollte er nicht wieder.

. Anderthalb Iahre lag er zu Hause den Studien
ob und fuhr fort, seinen Leib zu bändigen. Ein
junger Mensch in seinem Alter, meinte er, dürfe
nicht jm Bette schlafen, und so legte er fich bald
auf ein Brett, bald auf ein Bündel Reiser, bald
unter einen grünen Baum, und trieb es so fort,
bis er seinc Studien vollendet, um die Univerfität
beziehen zu können.

Er wußte nicht, was er studiren sollte, und wahr-
scheinlich darum ward er Theolog. Er börte dte
Profefforen in Greifswalde ohne allcs Intereffe,
in Iena dagegen mit großem Pntheil Griesbach,
Paulus, Fichte. Allein zur eigentlichen Bewegung,
zu jenen Kämpfen, zu welchen edlere kräftige Na-
turen auf der Univerfität, namentlich durch daS
theologische Studium angeregt werdrn, kam eS bei
ihm nicht.
 
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