Htidtlberger Zeilung.
KreisverkSndigimgsblatt fiir den Kreis Hcidelberg nnd amtliches Verkündigungsblatt für die Amts^ und Amts-
Gerichtsbczirkc Heidelberg und Wicsloch nnd -cn Amtsgerichtsbezirk Ncckargcmünd.
Sonntag, 8. April 18««.
Bestellungen auf die „Heidelberger
Zeitung" nebst Beilage „Heidelber-
ger Familienblätter" für das mit I.
April 1866 begonnene 2. Quartal
werden fortwäbrend angenommen.
Die Expedition
^ NbchmaiS das Gefetz und das
öffentliche Gewiffen.
Unter den hohen Würdenträgern der Kirche
gibt es viele Rechtskundige. Ob ouch Freihcrr
von Ketteler seiner Zeit außer der Gottesge-
lahrtheit die Rechtswissenschaft studirt hat, wissen
wir nicht. (Der edle Hr. Baron begleitete- ja
früher eine Zeit lang die Stelle eines preuß.
Regieruugsrefcrendars.) Jm bejahenden Falle
muß er wohl vergesseu haben, daß der von ihm
angefochtene AuSspruch des Staatsraths Lamey:
„Das Gesetz ist das öffentliche Gewisscn des
LandeS", einer dcr ersten Sätze ist, die der
junge Jnrist, nur mit andern Worten, kennen
lernt und sich aneignet.
Das Gesctz ist nur der Aus'druck des allge-
meinen Rechtsbewußtseius. Dcr ihm entgegen-
stehende Willen des Einzelnen muß sich diesem
für Alle geltenden Auöspruch untcrwerfen. Der
Einzelne muß ehren, wqs die Gesammtheit
dnrch das Gesetz gewolll hat. Er darf uicht
seinen Willen an die Stelle dcs Willcns der
Gesammtheit stellen.
Die Form, in welcher der Gesammtwillen
das Gesetz ausgesprochen hat, ist in den vcr-
schiedenen Ländcrn und Zeiten eine verschiedene
gewesen. Bald geschah es in förmlich publi-'
citten Gesetzon, bald als Gewohnheitsrccht.
Beides aber war der Ausdruck der allgemeinen
Nechtsüberzeugung und als solcher Gesetz.
Die christlichen Kaiser in Konstantinopel
schrieben sich die ansjchließliche gesetzgebende
Gewalt zu. Auch ihre Gesetzgebung mit ihrer
Frömmigkeit gegcn »die allmächlig werdende
Kirche mit ihrer Verfolgung der Nicht-Recht-
gläubigen müssen wir für den Ausdruck der
damals allgemeinen Nechtsüberzeugung halten.
(Aberdoch mit einigerReservation!) Wirglauben
wenigstens nicht, daß, wenn wir noch im fünften
oder sechsten Jahrhundert n. Chr. leben 'würden,
Freiherr von Kettcler den Scctircrn erlauben
würde, unter Bcrufung auf ihr Gewissen eine
Ausnahmcstellung gegenüber den Gesetzen zu
beanspruchen.
Wenn wir die Wahrheit, daß das Gesetz der
Ausdruck dcr allgemeincn RechtSüberzeugung
ist, in das Volksthümlich - Verständliche über-
setzen wollen, so werdcn wir uns etwa so auS-
sprechen:
Die Gesetze entspringcn ans dem allgemeinen
Gewissen. Das Gewissen des einzelnen Men-
schen ist das von der Natur oder von Gott in
ihn gelegtc Gefühl für das Recht und gegen
daS Unrecht. Die Gesetze eines Volkes alr der
Ausdruck des allgemeinen Gewisseus sind darum
nicht immer die Meinung der Einzelnen, son-
dern immer nur im Ganzen das Gewisscn Aller.
Je nach dcm Grade der Bildung eines VolkeS
und dcn bei. demselben herrschenden Begriffen
wird das Gesetz nach Gegenstand und Jnhalt
ein ganz verschicdenes scin.
Und wenn wir dieses mit einem bündigen
Worte sagen und mit demselben zugleich die
nothwendige ConseqUenz andeuteu wollen, so
werden wir es am einfachsten mit den Worten
des Staatsräths Lamey thun.
Zedenfalls dürfte aus dem Gesagten hervor-
gehen, daß der fragliche AuSspruch keine Er-
findung des modernen Staates ist, sondern zu
allen Zeiten, weil in dcr Natur des GesetzeS
liegend, gegolten hat.
* Politifche Umsckau.
Heidelberg, 7. April.
* Die Antwort deS preußischen Ca-
binets auf die letzte österreichische Note ist in
Wien eingetroffen, und nach dcm bis jetzt be-
kannt gewordenen kurzcn telegraphischcn Jnhalt
so ausgefallen, wie man vermuthet hatte. Prcu-
ßen bestreitet die Anwendbarkcit von Art. 11
der Bundesacte, und weist wiederholt auf die
(wirklichcn oder vermeintlichen) Nüstungen
Oesterreichs hin. Die Situation ist daher wie-
der so ernst wie früher; Preußen scheint nicht
nachgeben zu wollen, und wenn sich Oestcrreich
nicht zu bedeutenden Concessionen herbeiläßt,
so können sich leider doch noch die Geschicke
erfüllen und dem deutschen Vaterlande großen
Jammer bereiten. Auch an den innern Krieg
in Nordamerika glaubtcn nur Wenige, bis die
ersten Schüsse bei Fort Sumter gefallen wareu.
Und selbst dann glaubte man noch nicht an die
lange Daucr des Bürgerkriegs. — Aber eben
auf jene österreichischen Zngeständnisse ist immer
noch einige Hoffnung zn baucn DaS Wiener
Cabinet hat namentlich anch von den preußisch-
italienischen Beziehungen eine genaue Kenntniß,
und muß wissen, daß cin solches Bündniß nur
mit Genehmigung Frankreichs zu Stande kommt.
Oesterreich tst durch andere Täuschungen Frank-
reichs schon zu sehr gewitzigt, um zu wissen,
daß es trotz aller von daher kommenden Neu-
tralitätserklärungen verrathen und verkauft ist.
In Erwägung dieser Verhältnisse setzt vielleicht
Oesterreich AlleS — was eS Ehren halber thun
kann — daran, um sich den Frieden zu er-
halten.
Nach der „Wiener Abendpost" vom 6. sei
der russische General Richter Tags vorher in
der österr. Hauptstadt eingetroffen, um dem
Kaiser ein Schreiben des Kaisers von Nußland
zu übergeben. Ein derartigeS Schreiben sei
dem Vernehmen nach von dem genannten Ge-
neral auch dem König von Preußen übergeben
worden.
Das „DreSdner Iournal" bestätigt die Exi«
stenz- eincr österreichischen Circulardepesche vom
16. März, welche die Anrufung des Bundes
in Aussicht stelle. Derselben sei jedoch, nachdem
auf deS Grafen Karqlyi mündliche Ansrage der
Graf v. Bismarck kriegcrische Absichten Preu-
ßens verneint habe, vorerst keine Folge gegeben
worden. Mit Karolyi's Note vom 31. Marz
stehe dicse Depesche in keinem Zusammenhang;
die erstere sei durch die preußische Circular-
depesche vom 24. März veranlaßt. UebrigenS
hättcn beide österreichische Schriftstücke bei der
überwiegenden Mehrzahl der deutschen Regie-
rungen die beifälligste Aufnahme gefunden.
Nach einer Corresp. des „Fr. I." aus Berlin
vom 4. April ist Bismarcks StellUng bedroht,
weil Personen seine Entlassung auf das drin-
gcndste anrathen, deren Worte ins Gewicht
fallen. Zu sagen, daß Bismarck's Positioy
schon erschüttert wäre, würde das. Richtigc nicht
treffen; allein niemals sci nachdrücklicker von
einflußreichster Seite Bismarck's Entsernung
angerathen worden, wie in den lctzten Tagen.
Und 'die Dinge liegen nach unsern Informa-
tionen so: viel wahrscheinlkcher ist ein Bruch
des KönigS mit Bismarck, als-ein Bruch mit
Oesterreich, der den Krieg zur Folge hätte.
Die „Hamb. Nachr," bringcn ein Telegramm
aus Wien vom 6. April, dcmzufolge eine Ein-
stellung weiterer Dcfensivmaßnahmen angeord-
Schauerticher Selbstmord.
Ucber einen scbauerlichen Selbftmord in Wien
Pollak, Stieftochter des Schriftstellers Leopold
halb meineS Zimmers befindliche Fenster Jhrer
Wobnung macht stets einen so störenden Lärm; ich
wollte Sie daher um Erlaubniß bitten, nach der
kommenbsten Weise führre Frau Vinier Fräulein
Zda zu dem fraglichen Fenster. Dte junge Dame
gtng Anfangs mit langsamen Schritten gegen das
Kenster zu, beschleunigte dann plötzlich ihren Gang,
riß daS Fenster weit auf, schwang fich auf die
Brüstung und mit dem Rufe: „So ist'S recht!"
stürzte fie fich in den Hofraum hinab. Die zu Tode
erschreckte Nachbarin sank ohnmächtig zusammen.
. Die entsetzliche That war mit einer solchen Hast
vollkracht worden, daß fie grschehen war, bevor.
noch Frau Vinier eine Ahnung von dem Vorhaben
dcr unglücklichen Sclbftmörderin hatte. Frau Vi-
nier gewann bald die nöthige Fassung und schtckte
ihr Mädchen in die Wohnung deS Herrn Kompert
hinab, um dte Angehörigen der Unglücklichen von
dem Geschehenen tn Kenntniß zu setzen. Das im
Comptoir des Herrn Skcne beschäftigte Personal
hatte den Sturz der Unglücklichen bemerkt und war
in den Hofraum hinausgestürzt. Dort lag bereits
der zersckmetterte Körper der jungen Selbstmörde-
rin inmitten einer großen Blutlache, mit dem Ge-
fichte auf dem Pflaster. Der Schädel war zertrüm-
m'ert. Der linke Arm zersplittert. Ein leiseS Röcheln
hob ihre Brust. Man trug die Sterbende an den
Brunnen und begoß fie mit frischem Wasser. Jn
demselben Momente trat Dk. Kompert tn den Hof-
raum. Er kam von auswärtS, wußte noch nickts
von deni Vorgefallenen, und neugierig gemacht
durch dte große Änzahl der ty, Hofe befindlichen
Personen, war er hinzugetreten. Auch als er die
blutige Masse bemerkt hatte, ahnte er nicht, daß
eS setne Tochter war, welche die vielen. Leute so
bemerkten. Plötzlich fällt sein Auge auf den Shawl
des unglücklichen Mädchens. Mit einem Sckrei des
Entsetzens stürzt er über den unkenntlichen Ueber-
resten seines Kindes zusammen. Dte Leiche wurde
in die Kompcrt'sche Wohnung gebracht, woselbst
auch die Obduction vorgenommen ward. — DaS
Fräulein soll, wie die Obduction ergab, an Er-
weichung der Gehirnhäute gelitten haben.
Ein sehr charakteristischer Anfug
herrscht in dem frommen Salzburg zur österlichen
Zcit, über welchen wir .einer Correspondenz der
Wiener „Prcsse" in deren neuesten Nummcr Kol-
gendes entnehmen. Die katholische Kirche sckreibt
bekanntlich die „österliche Beichte" vor. Die Salz-
burger Geistlichkeit controlirt nun die Befolgung
dieses Gebots in der Weise, daß fie jedem Betch-
tenden eine Brscheinigung, cinen Beichtzcttel ver-
abfolgt, welcher demnächst dem Gristlicben der be-
treffenden Pfarrei vorzulegen ist. Diese Controle
wtrd dadurch erlekchtert, daß eine große Zahl der
Hauseigenthümer den in ihren Häusern wohncnden
Miethern die Beichtzettel abverlangt und fie zu-
KreisverkSndigimgsblatt fiir den Kreis Hcidelberg nnd amtliches Verkündigungsblatt für die Amts^ und Amts-
Gerichtsbczirkc Heidelberg und Wicsloch nnd -cn Amtsgerichtsbezirk Ncckargcmünd.
Sonntag, 8. April 18««.
Bestellungen auf die „Heidelberger
Zeitung" nebst Beilage „Heidelber-
ger Familienblätter" für das mit I.
April 1866 begonnene 2. Quartal
werden fortwäbrend angenommen.
Die Expedition
^ NbchmaiS das Gefetz und das
öffentliche Gewiffen.
Unter den hohen Würdenträgern der Kirche
gibt es viele Rechtskundige. Ob ouch Freihcrr
von Ketteler seiner Zeit außer der Gottesge-
lahrtheit die Rechtswissenschaft studirt hat, wissen
wir nicht. (Der edle Hr. Baron begleitete- ja
früher eine Zeit lang die Stelle eines preuß.
Regieruugsrefcrendars.) Jm bejahenden Falle
muß er wohl vergesseu haben, daß der von ihm
angefochtene AuSspruch des Staatsraths Lamey:
„Das Gesetz ist das öffentliche Gewisscn des
LandeS", einer dcr ersten Sätze ist, die der
junge Jnrist, nur mit andern Worten, kennen
lernt und sich aneignet.
Das Gesctz ist nur der Aus'druck des allge-
meinen Rechtsbewußtseius. Dcr ihm entgegen-
stehende Willen des Einzelnen muß sich diesem
für Alle geltenden Auöspruch untcrwerfen. Der
Einzelne muß ehren, wqs die Gesammtheit
dnrch das Gesetz gewolll hat. Er darf uicht
seinen Willen an die Stelle dcs Willcns der
Gesammtheit stellen.
Die Form, in welcher der Gesammtwillen
das Gesetz ausgesprochen hat, ist in den vcr-
schiedenen Ländcrn und Zeiten eine verschiedene
gewesen. Bald geschah es in förmlich publi-'
citten Gesetzon, bald als Gewohnheitsrccht.
Beides aber war der Ausdruck der allgemeinen
Nechtsüberzeugung und als solcher Gesetz.
Die christlichen Kaiser in Konstantinopel
schrieben sich die ansjchließliche gesetzgebende
Gewalt zu. Auch ihre Gesetzgebung mit ihrer
Frömmigkeit gegcn »die allmächlig werdende
Kirche mit ihrer Verfolgung der Nicht-Recht-
gläubigen müssen wir für den Ausdruck der
damals allgemeinen Nechtsüberzeugung halten.
(Aberdoch mit einigerReservation!) Wirglauben
wenigstens nicht, daß, wenn wir noch im fünften
oder sechsten Jahrhundert n. Chr. leben 'würden,
Freiherr von Kettcler den Scctircrn erlauben
würde, unter Bcrufung auf ihr Gewissen eine
Ausnahmcstellung gegenüber den Gesetzen zu
beanspruchen.
Wenn wir die Wahrheit, daß das Gesetz der
Ausdruck dcr allgemeincn RechtSüberzeugung
ist, in das Volksthümlich - Verständliche über-
setzen wollen, so werdcn wir uns etwa so auS-
sprechen:
Die Gesetze entspringcn ans dem allgemeinen
Gewissen. Das Gewissen des einzelnen Men-
schen ist das von der Natur oder von Gott in
ihn gelegtc Gefühl für das Recht und gegen
daS Unrecht. Die Gesetze eines Volkes alr der
Ausdruck des allgemeinen Gewisseus sind darum
nicht immer die Meinung der Einzelnen, son-
dern immer nur im Ganzen das Gewisscn Aller.
Je nach dcm Grade der Bildung eines VolkeS
und dcn bei. demselben herrschenden Begriffen
wird das Gesetz nach Gegenstand und Jnhalt
ein ganz verschicdenes scin.
Und wenn wir dieses mit einem bündigen
Worte sagen und mit demselben zugleich die
nothwendige ConseqUenz andeuteu wollen, so
werden wir es am einfachsten mit den Worten
des Staatsräths Lamey thun.
Zedenfalls dürfte aus dem Gesagten hervor-
gehen, daß der fragliche AuSspruch keine Er-
findung des modernen Staates ist, sondern zu
allen Zeiten, weil in dcr Natur des GesetzeS
liegend, gegolten hat.
* Politifche Umsckau.
Heidelberg, 7. April.
* Die Antwort deS preußischen Ca-
binets auf die letzte österreichische Note ist in
Wien eingetroffen, und nach dcm bis jetzt be-
kannt gewordenen kurzcn telegraphischcn Jnhalt
so ausgefallen, wie man vermuthet hatte. Prcu-
ßen bestreitet die Anwendbarkcit von Art. 11
der Bundesacte, und weist wiederholt auf die
(wirklichcn oder vermeintlichen) Nüstungen
Oesterreichs hin. Die Situation ist daher wie-
der so ernst wie früher; Preußen scheint nicht
nachgeben zu wollen, und wenn sich Oestcrreich
nicht zu bedeutenden Concessionen herbeiläßt,
so können sich leider doch noch die Geschicke
erfüllen und dem deutschen Vaterlande großen
Jammer bereiten. Auch an den innern Krieg
in Nordamerika glaubtcn nur Wenige, bis die
ersten Schüsse bei Fort Sumter gefallen wareu.
Und selbst dann glaubte man noch nicht an die
lange Daucr des Bürgerkriegs. — Aber eben
auf jene österreichischen Zngeständnisse ist immer
noch einige Hoffnung zn baucn DaS Wiener
Cabinet hat namentlich anch von den preußisch-
italienischen Beziehungen eine genaue Kenntniß,
und muß wissen, daß cin solches Bündniß nur
mit Genehmigung Frankreichs zu Stande kommt.
Oesterreich tst durch andere Täuschungen Frank-
reichs schon zu sehr gewitzigt, um zu wissen,
daß es trotz aller von daher kommenden Neu-
tralitätserklärungen verrathen und verkauft ist.
In Erwägung dieser Verhältnisse setzt vielleicht
Oesterreich AlleS — was eS Ehren halber thun
kann — daran, um sich den Frieden zu er-
halten.
Nach der „Wiener Abendpost" vom 6. sei
der russische General Richter Tags vorher in
der österr. Hauptstadt eingetroffen, um dem
Kaiser ein Schreiben des Kaisers von Nußland
zu übergeben. Ein derartigeS Schreiben sei
dem Vernehmen nach von dem genannten Ge-
neral auch dem König von Preußen übergeben
worden.
Das „DreSdner Iournal" bestätigt die Exi«
stenz- eincr österreichischen Circulardepesche vom
16. März, welche die Anrufung des Bundes
in Aussicht stelle. Derselben sei jedoch, nachdem
auf deS Grafen Karqlyi mündliche Ansrage der
Graf v. Bismarck kriegcrische Absichten Preu-
ßens verneint habe, vorerst keine Folge gegeben
worden. Mit Karolyi's Note vom 31. Marz
stehe dicse Depesche in keinem Zusammenhang;
die erstere sei durch die preußische Circular-
depesche vom 24. März veranlaßt. UebrigenS
hättcn beide österreichische Schriftstücke bei der
überwiegenden Mehrzahl der deutschen Regie-
rungen die beifälligste Aufnahme gefunden.
Nach einer Corresp. des „Fr. I." aus Berlin
vom 4. April ist Bismarcks StellUng bedroht,
weil Personen seine Entlassung auf das drin-
gcndste anrathen, deren Worte ins Gewicht
fallen. Zu sagen, daß Bismarck's Positioy
schon erschüttert wäre, würde das. Richtigc nicht
treffen; allein niemals sci nachdrücklicker von
einflußreichster Seite Bismarck's Entsernung
angerathen worden, wie in den lctzten Tagen.
Und 'die Dinge liegen nach unsern Informa-
tionen so: viel wahrscheinlkcher ist ein Bruch
des KönigS mit Bismarck, als-ein Bruch mit
Oesterreich, der den Krieg zur Folge hätte.
Die „Hamb. Nachr," bringcn ein Telegramm
aus Wien vom 6. April, dcmzufolge eine Ein-
stellung weiterer Dcfensivmaßnahmen angeord-
Schauerticher Selbstmord.
Ucber einen scbauerlichen Selbftmord in Wien
Pollak, Stieftochter des Schriftstellers Leopold
halb meineS Zimmers befindliche Fenster Jhrer
Wobnung macht stets einen so störenden Lärm; ich
wollte Sie daher um Erlaubniß bitten, nach der
kommenbsten Weise führre Frau Vinier Fräulein
Zda zu dem fraglichen Fenster. Dte junge Dame
gtng Anfangs mit langsamen Schritten gegen das
Kenster zu, beschleunigte dann plötzlich ihren Gang,
riß daS Fenster weit auf, schwang fich auf die
Brüstung und mit dem Rufe: „So ist'S recht!"
stürzte fie fich in den Hofraum hinab. Die zu Tode
erschreckte Nachbarin sank ohnmächtig zusammen.
. Die entsetzliche That war mit einer solchen Hast
vollkracht worden, daß fie grschehen war, bevor.
noch Frau Vinier eine Ahnung von dem Vorhaben
dcr unglücklichen Sclbftmörderin hatte. Frau Vi-
nier gewann bald die nöthige Fassung und schtckte
ihr Mädchen in die Wohnung deS Herrn Kompert
hinab, um dte Angehörigen der Unglücklichen von
dem Geschehenen tn Kenntniß zu setzen. Das im
Comptoir des Herrn Skcne beschäftigte Personal
hatte den Sturz der Unglücklichen bemerkt und war
in den Hofraum hinausgestürzt. Dort lag bereits
der zersckmetterte Körper der jungen Selbstmörde-
rin inmitten einer großen Blutlache, mit dem Ge-
fichte auf dem Pflaster. Der Schädel war zertrüm-
m'ert. Der linke Arm zersplittert. Ein leiseS Röcheln
hob ihre Brust. Man trug die Sterbende an den
Brunnen und begoß fie mit frischem Wasser. Jn
demselben Momente trat Dk. Kompert tn den Hof-
raum. Er kam von auswärtS, wußte noch nickts
von deni Vorgefallenen, und neugierig gemacht
durch dte große Änzahl der ty, Hofe befindlichen
Personen, war er hinzugetreten. Auch als er die
blutige Masse bemerkt hatte, ahnte er nicht, daß
eS setne Tochter war, welche die vielen. Leute so
bemerkten. Plötzlich fällt sein Auge auf den Shawl
des unglücklichen Mädchens. Mit einem Sckrei des
Entsetzens stürzt er über den unkenntlichen Ueber-
resten seines Kindes zusammen. Dte Leiche wurde
in die Kompcrt'sche Wohnung gebracht, woselbst
auch die Obduction vorgenommen ward. — DaS
Fräulein soll, wie die Obduction ergab, an Er-
weichung der Gehirnhäute gelitten haben.
Ein sehr charakteristischer Anfug
herrscht in dem frommen Salzburg zur österlichen
Zcit, über welchen wir .einer Correspondenz der
Wiener „Prcsse" in deren neuesten Nummcr Kol-
gendes entnehmen. Die katholische Kirche sckreibt
bekanntlich die „österliche Beichte" vor. Die Salz-
burger Geistlichkeit controlirt nun die Befolgung
dieses Gebots in der Weise, daß fie jedem Betch-
tenden eine Brscheinigung, cinen Beichtzcttel ver-
abfolgt, welcher demnächst dem Gristlicben der be-
treffenden Pfarrei vorzulegen ist. Diese Controle
wtrd dadurch erlekchtert, daß eine große Zahl der
Hauseigenthümer den in ihren Häusern wohncnden
Miethern die Beichtzettel abverlangt und fie zu-