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Heidelberger Zeitung — 1866 (Januar bis Juni)

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Nr. 126-151 Juni
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https://doi.org/10.11588/diglit.2795#0630

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die Anträze dcs Abg. Turban bezüglich der
Frage, ob ein Vertaffungsgeseh vorliege. Die
Commission lrägt darauf an, die Bcstimmungen
der §§ 6, 23, 23u und 24, welche eine Ab-
Lndcrung der Verfaffung in sich enthalten, in
das erste Gesetz über die Verantwortlichkeit der
Minister. welches ohnehin ein Verfaffungsge-
setz ist, übcrzutragen und zwar als Zusatz zu
8 65a, als 67v, 676 und 67e. Die AntrLge
werden genehmigt. Die Gesetze kommen zur
Abstimmung nnd werden mit allen gegen vicr
Stimmen (v. Feder, Kayser, Kopfer u. Wundt
von Heidelberg) angenommen.

Karlsruhe, 11. Juui. (50. öffentl. Siz-
zung der zweiten Kammer.) Die Tagesord-
nung führt zur Berathung des Berichts dcs
abwesendcn Abg. Buhl über den Fortgang
des Eisenbahnbanes und die hierauf in den
Jahren 1864 und 1865 verwendeten Mittel
und über das Eisenbahnbaubudget für die Pe-
riode 1866 und 1867. — Frick nnd Sckaaff
tadeln die zu luxuriösc Einrichtung der Bahn-
höfe zu Konstanz und Kehl. — Ministerialrath
Muth: Es sci im Allgemeinen Grundsatz der
Bauverwaltung, mit möglichstcr Sparsamkeit
einfache, aber anständige Hochbauten herzustel-
len, in größeren Städten und an Grenzorlen
jedoch, wo viele Fremde sich einfindcn, müsse
man elwas mehr thun; daS sei andern Ländern
gegenüber nothwendig. — Len; und Fride-
rich machen auf einige Mängel dcsDurlacher
Bahnhofü aufmerksam; Friderich wünscht ein
zweites Geleise von Wilferdingen biö Pforzheim.

— Ministerialrath Poppen gibt zu, daß der
Durlacher Bahnhof an mehreren Mängeln leide,
aber eö sei die dringende Aufforderung heran-
getreten, mit aller möglichcn Sparsamkeit zu
verfahren. — Sachs und Fedcrer machen
auf die üble Lage des Königsbacher und Schall-
ftädter Bahnhofes aufmerksam. Ueber das Bud-
get deö Eisenbahnbaues sür 1866 und 1867
eröffnet der Vorsitzende eine allgemeine Bespre-
chung. — Kirsner, Vorstand der Budget-
commission, erklärt, daß sich die Commission
die Frage gestellt habc, ob eine Minderung
dieses Budgety vorgeschlagen werden solle; sie
habe aber diese Frage verneint, weil sie gar
keinen Maßstab habe über die Dauer der ge-
genwärtigen politischen Verhältniffe; die Com-
mission wolle aber im Vertrauen zur großh.
Regierung dieser das Maß der Minderungen
überlaffcn; aber dabei den Wunsch aussprechen,
den Eisenbahnbau so viel als immer möglich
zu befördern und ja nicht zu ängstlich zu sein.

— Roder spricht sich in gleichem Sinne aus.

Staatsrath Mathy: Die politischen Ver-

hältniffe HLtten sich auf dem Geldmarkte sehr
fühlbar gemacht, ein Blick auf den Kurszettel
mache dies klar. Die Mittel zu den Eisen-
bahnbauten seien durch Anleihen aufzubringen,
nachdem jetzt die Militärbedürfniffe die vor-
handenen Quellen verslopft haben. Bei der
Frage der Einstellung der Bauten handle es
sich um drei Gattungen von Linien, 1) solche,
welche nahezu vollendet sind; diese sollen voll-
endet werden, abev nur die unumgänglrch noth-
wendigen Bauten zur Ausführung kommcn;
2) solche, bei welchen die Arbeiten in Accord

wenige angstliche Gcmütber dachten an die Mög-
lichkeit eines BombardemcntS unserer Stadt, wel-
ches auch von allen hiefigen Consuln als völker-

alledem wurden abcr auch wir ängstlich ünd ich

preußischen Minister Herrn Lcwenhagen Rücksprache
zu nehmen, der in allen Unterhandlungen diescs
unglücklichen Krieges eine hervorragende Rolle ge-
spielt hatte und der mehr als irgend ein Anderer
im Stande war, die Lage der Dinge richtig zu
beurtheilen. — Jhm stellte ich unsere Lage und
unsere Sorgen vor und bat ihn um seinen Rath.
Er schwankte keincn Augenblick, mir mitzutheilen,
daß nach der Ansicht aller seiner Collegen ein Bom-
bardement von Valparaiso nicht zu befürLten sei
und daß aber auch im Falle einer solchen Even-
tualität die Zollgebäude, welche nur neutrales
Eigenthum enthielten, unberührt bleibe,! würden!
Hterdurch beruhigt, kehrte ich nach Valparaiso zurück.
(Fortsetzung folgt.)

gegcbcu sinö; da könuc mau dic schou begou-
nenen Acbciten nicht liegen laffen, man müffe
sie auch vollenden, aber ebenfalls nur so weil
als unumgänglich nothwendig; 3) solche, wo
die Arbeitcn noch uicht begonnen seien; da
werde man gar nicht beginnen. Ungefähr 14
Mill. Gulden lägen im Boden begraben, diese
müssc man fruchtbar machen, wenn man großen
Verluften vorbeugen wolle. Das Einstellen der
Arbeiten in nachster Zeit werdc viel.mehr Geld
kosten, als der Fortbau, welch letzterer von jetzt
bis L-patjahr nur etwa 3 Millionen Gulden
kosten würde. Baden könne dieses Geld schon
schaffen, weil es müffc, weil es sich nicht zah-
lungsunfähig erklären könne. Redner fordert
auf, das Zuftandekommen des neuen Anleheus
kräftig zu unterstützen. — Kusel stellt den
Anlrag: die hohe Kammer wolle den dringen-
den Wunsch zu Protokoll erklären, die großh.
Regierung möge die begonnenen Eisenbahnbau-
ten so viel oieses möglich ist, wenn auch mit
augenblicklichen finanziellen Opfcrn, fortsetzen
laffen, oa diese Opfer dic Höhe des durch die
Einstellung drohenden Schadens nicht erreichen
werden. Dieser Antrag wird von Heilig,
Schaaff, Friderich, Paravicini, Roder, Moll,
Beck, Tritscheller und Kirsner untexstützt und
schließlich einstimmig angenommen.

Heilig gedenkt der Bahnlinien seiner Ge-
gend, und wunscht, daß die Regierung bei noch
nicht begonnenen Linien doch wenigstens die
nölhigstew Borarbeiten der Zugslinien vorneh-
men laffen möge. — Ministerialrath Muth
sagt zu, dies in Erwägung zieheu zu wollen.

(Schluß folgt.)

-s- Heidelberg, lO.Juni. Kürzlich brachte
die Bad. Landeszeitung, sowie auch heute die
Heidelberger Zeitung einen Artikel, wornach
den kath. Geistlichen unseres Landes jeder Ver-
kehr mit dem Orts-, Kreis- und Oberschulrat^
auf officiellem Wege strengstens untersagt ist.
Diese'aufgefrischte Verordnung kann der Lehrer-
stand nur mit Freuden begrüßen, wenn er be-
denkt, daß von genannter Seite kein Heil für
ihn zu erwarten ist. Ware dies der Fall, es
hätte sich schon längst unter der Herrschaft des
Clerus und der Geistlichkeit zeigen müffen.
Wenn auch nicht in Abrede gestellt werden
kann, daß viele ehrwürdige Persönlichkeiten
von geistlicher Seite sich der Schulreform gün-
stig gegenüberstellen, so geschieht dies nur aus
persönlichen Anschauungen, die wohl nicht an-
ders als der Ausfluß einer hnmanen Gesinnung
angesehen werden dürfen. Aber daß von der
Geistlichkeit, besonders der katholischen, als
Corporation etwas Ersprießliches zu hoffen sei,
kann wohl füglich in ^lbrede gestellt werden.
Denn erschreckende Bilder/ wie sie da und dort
von den Geistlichen heraufbeschworen werden,
sind zu sprechend, als daß man sich schmeicheln
dürfte, ein freundliches Entgegenkommen der
Regierung würde die Sache gründlich ändern.
Wir freuen uns, wenn man von geistlicher
Seite erkennt, welch gewaltige Hebel die Schul-
einflüffe auf die allgemeine Bildung sind, wer-
den aber nie wünschen, daß sie außer
dem ächtreligiösen Einfluß auf dieselbe wieder
zur Herrschaft über sie gelange. Die Erde
dreht sich doch, und wenn die Geistlichkeit in
das Zeitrad sallen will, sie oersuche es, daffelbe
zum Stillstehen zn bringen. Gelingt es ihr,
gut, so möge sie regieren, wo nicht, so möge
sie hübsch die erzbischöfliche Verordnung beach-
ten und lediglich auf ihrem Gebiete thun, was
ihres Amtes ist; aber im Uebrigen lasse sie
die Lehrerwelt in Ruhe, denn sie hat ihr schon
unruhige Tage genug bereitet. Und Du, Leh-
rerwelt, sei unverzagt; wenn Dir das Heil
aus der Regierung, dem Volk, der Gemeinde
und Dir selbst ersprießt, fo sehne Dich nicht
in das alte Egypten zurück, oor Dir liegt ein
Kanaan, wenn Du auch noch durch ein Stück
Wüste gehen mußt, nm in demselben zu Dei-
ner rechten Stellung zu gelangen!

G Hoidelberg, n. Juni. Der von uns
angedeutete Vortrag des Herrrr Scholl in der
hiesigen deutschkatholischen (freireligiösen)
Gemeinde hatte gestern eine sehr große Zu-
hörerschaft zusammengeführt, und übte dadurch
namentlich einen ganz eigenthümlichen Eindruck
aus, daß er, obschon ausschließlich auf reli-
giösem Gebiet sich bewegend, mitten in den-
gegenwärtigen politischen Kampf hinein-

sührte. Er ging aus von der Thatsache, daß
nicht Wenige sich in diesem Kampf durch con-
fessionelle Rückfichten zur Wahl ihrer ein-
zunehmenden Parteistellung bestimmen lassen,
die einen mehr unbewußt, die andern, indem
sie es sogar offen aussprechen. Davor suchte
er zu warnen. Da aber natürlich in den Krei-
sen der freien Gemeinden und der ihnen nahe
Stehenden nicht davon die Rede ist, daß wenn
Jemand sich aus confessionellen Sympathien zur
katholischen Großmacht hingezogen fühlt, so
beschränkte sich der Vortragende auf den Nach-
weis^ aus der Kirchengeschichte, daß auch die
andere, von deren „protestantischem Be-
rufe" so viel gesprochen wird, nicht darnach
' angethan ist, diese Sympathien aus confes-
sioneller Rücksicht. zu verdienen. Es war
eine für die Zeil einer Stunde erschöpfende
Uebersicht der wichtigsten Vorgänge und Gebah-
rungen des preußischen Protestantis-
mus, und wir müssen uns sür unser Blatt
auf eine ganz kurze Andeutung der Haupt-
punkte beschränken. Herr Scholl begann mit
den königlichen'Versprechungen nach der
Leipziger Völkerschlacht, daß die protestantische
Kirche Preußens ihre volle Selbstständigkeit
erhalten solle, und wies nach, wie sie nicht ge-
- halten wurden, sowohl in der Frage der Sy-
nodalverfassung, als der zu reformirenden
Liturgie; er erinnerte dabei namentlich an
die Verwahrungen, welche unter A'_Hern Schlei-
ermacher gegen diese einseitiAA königlichen
Reformen einlegte, wobei das Volk so viel wie
nichts mitzusprechen hatte. Er erinnerte an
das preußisch-römische Concordat und die
Wiedereinsührung der Jesuiten in den zwan-
ziger Jahren; an die sanatischen Verfol-
gnngen der Lutheraner, aus Anlaß der
Union, an die Maßregeln gegen die „protestan-
tischen" oder „Lichtfreunde", die Absetzung
eines Rupp in Köuigsberg, Wislicenus in
Halle,,Uhlichs Suspension u. s. w. Er zeigte,
daß auch die neuen Versprechungen im Jahre
1848, die damalige Zusage einer „constitui-
renden Landessynode", trotz dem von
Schwerin vorgelegten Entwurf, unerfüllt blieb;
daß der Oberkirchenrath statt dessen die berüch-
tigten Schulregulative einführte, und das
Volksschulwesen damit dem vorwiegenden Ein-
fluß der Geistlichkeit preisgab; er besprach die
unprotestantischen Quälereien und förmlichen
Ausrottungsversuche gegen die freien reli-
giösen Gemeinden, ryelche 1856 sogar — auch
durch einen „Obertribunalrathsbeschluß" — be-
stätigt wtirden; von der Rechtlosigkeit, in
welcher sie bis zur Stunde noch belassen sind,
trotz aller Eingaben und Proteste, und schloß
seine kirchengeschichtliche Uebersicht mit der Er-
wähnung der allerneuesten Vorkommnisse, als
da unter anderem sind: Ketzergerichte ge-
gen Professoren der Theologie, in Halle, Greifs-
wald, Heidelberg, — Aufforderung zum Bruch
der Verfassung im Namen der Religion,.—
Zurücksetzung politisch freisinniger Geistlichen,
— confessionelle Friedhöfe, — und verderbliche
Resultate der Volksschulerziehnng, die
schon daraus zu ersehen, daß im Jahr 1865 vön
Rekruten immer einer weder lesen noch schrei-
ben konnte. — Zur Bezeichnung des Eindrucks,
welchen der Vortrag allgemein hervorbrachte,
erwähnen wir noch, daß von verschiedener Seite
der Wunsch geäußert wurde, daß er durch Druckfür
weitere Kreise möchte zugänglich gemacht werden.

Frankfurt, 10. Juni. Ueber die Be-
schiüsse der gestrizen BundeStagssitzung wird
noch folgendes Nähere mitgelheiit: Bayern be-
setzt für Mainz die höheren Commandostellen
und gibt 2000 Mann Truppen. Dazu stoßen
5000 Mann von der Reservedivision. ^ Zn
Rastatt besetzt Baden die höheren Commando-
stellen und gibt 1800 Mann Jnfanterie und
650 Mann Specialwaffen. Dazu stoßen 3000
Mann von der Neservedivision. Jn Frankfurt
bleiben die Bayern stehen uno werden nur je
nach Umständen verstärkt.

' Frankfurt, 11. Juni. Die hier abrücken-
den österreichischen Truppen kommen nach Öber-
Oesterreich, die preußischen nach Wetzlar;ähn-
lich verhält eS sich mit den von Mainz und
Rastatt hente und morgcn abrückenden Trup-
pen. — Morgen früh kommen zwei Bataillone
Wümarer als Besatznngslruppen von Mainz
auf ihrein Marschc nach Mainz hier durch.
 
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