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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

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Die akademische Kunstausstellung in Berlin, [2]
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Die akademischs Kunstausstellung in Berlin.

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förmigen grauen Ton getaucht, der für unseren Künstler
charakteristisch ist.

Unsere beiden ersten Knegsmaler, Camphausen
und Bleibtreu, haben uns mit glänzender Palette
den Sturz des napoleonischen Kaiserreichs, der eine
des ersten, der andere des zweiten, in einem niarkanten
Mvment veranschaulicht. Bleibtreu hat die Schlacht
bei Waterloo gewählt, den Augenblick, wo Napoleon
nach eingebrochener Abenddämmerung dem Drängen
seiner Generale nachgiebt, seine Garden, iu deren
Glieder das feindliche Granatfeuer furchtbare Lücken
reißt, verläßt und seinem Pferde halb widerwillig die
Zügel schießen läßt. Camphausen zeigt uns den dritten
Napoleon im Granatfeuer von Sedan. N'n^nnt pas
pn m.onrir an iniiion cks inös tronxss, — heißt es ja
in dem berühmten Briefe, den Napoleon an seinen könig-
lichen Besieger schrieb, und es wird auch anderweitig
bestätigt, daß der Kaiser sich in dümpfer Verzweiflung
dem feindlichen Feuer exponirte. Auf dem Bilde Bleib-
treu's sehen wir im Hintergrunde die tapfere Garde,
noch energischen Widerstand leistend, unheimlich vom
Feuer der platzenden Bomben beleuchtet. Hinter Na-
poleon III. ziehen Theile seiner demoralisirten Armee
vorüber. Ein Soldat ballt gegen den vom Glücke
verlassenen Jmperator wüthend die Faust. Den
schwierigsten Theil ihrer Aufgabe, an dem sich ihre
geistige Kraft zu erproben hatte, in den Angesichtern
— dic Figuren haben beiläufig ein Dritttheil Lebens-
größe — die Empfindungen wiederzuspiegeln, die in
dem verhängnißvollen Moment die Brust bei dem
Kaiser bewegen, diese Aufgabe haben beide Künstler
gleich vorzüglich und erschöpfend gelöst. Kcine Fiber
zuckt in dem ehernen, bronzefarbenen Antlitze des ersten
Napoleon, der sich theilnamlos gegen seine Umgebung,
gegen die Angst des Marschalls Soult, der seinem
Kaiser den Weg zur Flucht weist, von seinem schnau-
benden Rosse von dannen tragen läßt; aber die zu-
sammengepreßten Lippen und die starr in's Leere blickenden
Augen verrathen den Sturm der Gefühle, welche die
Brust des vom Strafgerichte Ereilten bewegen. Wie
anders sein Neffe! Ein heftiges Frösteln scheint seinen
Körper, der schlaff ini Sattel hängt, zu überlaufen.

' Seine Glieder schlottern wie die eines Menschen, der
vom Kanonenfieber geschllttelt wird. Einen Augen-
blick lächelt man über den bomnis äs 8säan, der stets
ein dankbares Objekt für die Karrikatur war. Wenn
man aber die dumpfe Verzweiflung gewahr wird, die
aus seinen glanzlosen Augen spricht, wird der komische
erste Eindruck in den Hintergrund gedrängt, und man
würdigt auch die ergreifende Tragik dieser Situation.

Ein zweites Historienbild von Camphausen, eine
Episode aus der Schlacht bei Fehrbellin, wie der große
Kurfürst, der sich zu weit in die Feinde hineingewagt,

von seinen Dragonern herausgehauen wird, ist wenig
mehr als eine gut gemeinte Jllustration, mit etwas
hölzernen Pferden und ohne hervorragende koloristische
Eigenschaften. Auf dem Napoleonsbilde zeugt dagegen
das Pferd, das ängstlich vor dem Geprafsel der platzenden
Granaten zurückscheut und auf das Gebiß knirscht, von
feinster Beobachtung.

Die übrigen Historienbilder der Ausstellung —
es sind ihrer, wie gesagt, herzlich wenige — Langen-
mantel's Verhaftung des französischen Gelehrten La-
voisier während der Revolution, Adamo's Auflösung
des langen Parlaments durch Cromwell, Knüpfer's
Götz von Berlichingen vor den Rathsherren von Heil-
bronn — bewegen sich auf conventionellem Pfade in
der Linie Piloty-Lindenschmit. Der deutsch-französische
Krieg ist ganz in den Hintergrund getreten. Einige
Kleinigkeiten abgerechnet, ist nur ein größeres Bild von
Braun in München vorhanden: der Einzug des Groß-
herzogs von Mecklenburg in Orleans, ein Nachtstück
mit effektvoller Beleuchtung. Geistreicher und liebens-
würdiger sind desselben Künstlers Farbenskizzen zn einem
langen, figurenreichen Friese, der für das Rathhaus
in Ulm bestimmt ist und die reizvollen Gruppen jenes
Festzuges dauernd festhalten soll, der im vorigen Jahre
zur Feier des Münster-Jubiläums stattfand und die
reiche Vergangenheit der ehemaligen freien Reichsstadt
in farbenreichen, fesselnden Kostümbildcrn vom 14. Jahr-
hundert ab wieder belebte.

Aus der reinen Luft des klassischen Alterthums
ist Alma Tadema Liesmal in die unheilgeschwängerte
Hofatmosphäre der merovingischen Könige hinabge-
stiegen. Er hat mit seinem neuesten Bilde, das er die
Morgengabe der Galeswintha nennt, noch weniger
Ehre eingelegt als mit dem schwächlichen Bildhauer-
modell vom vorigen Äahre. Das Gemälde ist nur
mit Hülfe des Katalogs verständlich, der uns einen
Abschnitt aus dem Gregorius von TourS mittheilt.
Aus ihm erfahren wir, daß die mißvergnügte Danie
mit den langen blonden Zöpfen und den ziegelrothen
Wangen, welche auf einem meisterhaft gemalten Leder-
Polster sitzt und hinter dem Vorhange des romanischen
Bogenfensters halb versteckt in's Freie blickt, die frühere
Gemahlin des Königs Chilperich, Fredegunde, ist. Bei
der Nennung dieses Namens steigt in der Erinnerung
des Geschichtskundigen eine langs Reihe von Greuel-
thaten auf. Dieses Scheusal durfte der Maler nicht
allzu angenehm gestalten. Aber es war gerade auch
nicht nöthig, sie so ganz und gar aller Reize zu ent-
kleiden. Unter dem dünnen Linnenkleide wird ein
hagerer Oberkörper mit platter Brust bemerklich, dem
sich zwei Oberschenkel von ungewöhnlicher Länge an-
schließen. Man glaubt eine Harpyie vor sich zu sehen,
die auf ibr Opfer lauert, und dieser Eindruck wird
 
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