Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

DOI Artikel:
Fabriczy, Cornelius von: Die antike Kunst auf dem Trocadero, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5791#0043

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
83

Die antike Kunst auf dem Trocadero.

84

ten. Endlich noch zwei Stücke, doppelt bemerkens-
werth wegen der Seltenheit dcr Fundorte und der Vor-
züglichkeit der Motive und der Ausführung: eine ganz
nackte Tänzerin, die durch einen Reif voltigirt, durch
den sie das eine Bein eben hindurchstrcckt (aus Athen),
eines der vollendetstcn Figürchen dieser außcrordentlichen
Sammlung, und die Groteske eines Fanstkämpfers (aus
Hermione in Argolis), der mit vvrgestreckten Fäusten
anf seinen Gegner losfährt.

Der Zahl nach die zweite, dem künstlerischen
Wcrthe der ausgestellten Figuren nach fast ebenbürtig
ist die Sammlung von Jules Grsau, den wir schon
als Besitzer der schönsten Bronzen kcnnen gelernt haben.
Besvnders bemerkenswerth sind darin: ein halbbetrunkcner
Silen, neben einem geleertcn Weinschlauch sitzend; eine
stehende, völlig verschleierte Frau, die starke Farben-
spuren zeigt, vergoldetes Obergewand, weißes Uuter-
gewand, beide mit blauen Bordüren; eine Kvra (Athen),
dem älteren strcngeren Stil angehörig, im dorischen
Peplvs; eine sitzende, üppige Frauengestalt, mit Amor
spielend, sehr detaillirt in Gewand- und Haarbehand-
lung, auch die Formen des Nackten mehr vollendet
als sonst gewöhnlich; endlich eine verschleierte Tänzerin
mit keck vorgestrecktem Fuß und schnippischer Miene.

Die Sammlung Bellvn (aus Rouen) enthält eine
Knöchelspielerin mit entblößtem Oberkörper, in Folge
Verbrennung auf dem Scheiterhaufen geschwärzt, aber
an Ringen inr Haar und am Finger noch Spuren
von Vergoldnng tragend, eine Figur von außerordentlich
schön bewegtem Motive; ferner eine vollständig be-
malte Spaziergängerin mit auffallend ausgearbeitetem
Gesichtsausdruck; eine liegendc halbnackte Frauenge-
stalt mit Muschelhorn in der einen Hand, den andern
Arm hoch erhoben (Aphrodite?); endlich die Maske
eines Greises von ergreifender Wahrheit der Dar-
stellung.

Höchst gewählt, wie alles was E. Piot ausstsllte,
ist auch seine kleine Sammlung von Tanagrafiguren;
darunter eine graziöse stehende Frauengestalt, die die
ursprüngliche Glasur noch fast unversehrt bewahrt hat;
eine in heftigem Vorschreiten begriffene Frau (Korinth)
in braunem Obergewand nnt rosa Bordüre, und einer
der ersten nach Frankreich gebrachten tanagräischen
Funde: eine ganz in das Himation gehüllte Gestalt,
den Arm in die Hüfte gestemmt, mit hochtoupirtem
Haar, geschwärzt durch das Feuer des Scheiterhaufens.

An Auswahl steht der Piot'schen Sammlung die
von O. Rahet nicht nach. Jhre Hauptzierde ist eine
Bacchantin von charakteristischem Ausdruck in Be-r
wegung und Gefichtszllgen, anßerdem von fast voll-
ständig erhattener Bemalnng. Noch werthvoller, über-
haupt eine der schönsten Tanagrafiguren der ganzen
Ausstellung ist eine fast ganz nackte Knöchelspielerin,

bei der die Behandlung der Motive und die Bildung
der Formen den Stoff, aus dem sie geschaffen, völlig
vergessen und sie uns als ein Werk der hohen Mar-
morskulptur erscheinen lassen. Zwei interessante frühe
Koragestalten, die eine davon blos Büste, (aus Athen
und Thisbe), ein schwebender Eros (Thisbe) und eine
ganz verschleierte, leichtbewegte Tänzerin (Thespiae)
seien nur slüchtig erwähnt, ebenso ein etwas größerer
Männerkopf (etwa 5 Centimeter hoch) mit llppigen
Locken und schmerzvoll emporgezogenen Brauen, sowie
eine Sokratesmaske von meisterhaster in wenigen Zügen
treffender Charakterisirung.

Mr. de Bammeville stellte unter vielen anderen
eine köstliche alte Amme aus, in einem Stuhl sitzend,
den Säugling im Arme, eine der besten Grotesken
sämmtlicher Tanagrafiguren, sodann eine Gruppe: ein
Sathr mit Thhrsos und eine Mänade mit Füllhorn
dahinrasend, vollendet besonders im Gesichtsausdruck
des Sathrs, den wildslatternden Gewändern nach schvn
spät. Bemerkenswerth ist sodann ein etwa 5 Centi-
meter im Durchmesser haltendes Medaillon, zwei sich
küssende Köpfe (bis an die Schultern) darstellend, der
eine fast ganz im Profil, der andere herausgeneigt, —
ein wunderliebliches Motiv.

Wir müssen die von Gaston le Breton, G. Dreh-
fuß nnd Hartmann ausgestellten Figuren übergehen,
um nur noch von den zahlreichen Stücken der Para-
vey'schen Sammlung einige anzuführen: eine auf einem
Stuhl sitzende, ihr Haar mit beiden erhobenen Händen
knüpfende vorgebeugte Mädchengestalt, mit einfachem
Peplos bekleidet, von großer Natürlichkeit des Motivs;
sodann eine an einen Felsen mehr hingelehnte als
sitzende Mädchengestalt, eine Schale in der Rechten
über dem nackten Schooß haltend, von herrlichstem
Fluß der Linien und statuarischer Behandlnng der
Fornien; die reichgeordnete Frisur zeigt rothe Fnrbe
und einen goldenen Reif; endlich eine Gruppe von
Amor und Pshche, sie in seinen Schooß gelehnt da-
sitzend, von keuschester Naivetät.

Von den Tanagrasiguren in Art der Produk-
tion und Verwendung verwandten, jedoch dem Alter,
dem Stile und selbst dem Materiale nach verschiedenen
kleinasiatischen Terracottcn, derenhauptsächlichste
Fundorte Smhrna, Milet, Ephesos, Tarsos sind,
sindet sich auch eine reiche, obwohl nicht so vollständige
Samnilung ausgestellt, wie von den ersteren. Auch
hier ragt die Lecuyer'sche Sammlung durch eine Reihe
von mehr als hundert Köpfchen hervor, (Anfangs
sammelte man nämlich an Ort und Stelle blos die
Köpfchen der Figuren) Götter, Menschen, Grotesken,
Masken darstellend, aus denen der Charakter dieser
Kleinkünst so recht herausleuchtet. Mit der scharfen
Detaillirung der Fornien und des Ausdruckes ist aus
 
Annotationen