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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

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303

Nekrolog.

304

lernen gebe. Aber die Lösung des auf vier Jahre
abgeschlossenen Lehrvertrages war nicht blos mit recht-
lichen, sondern auch mit schwer in's Gewicht fallenden
sinanziellen Schwierigkeiten verbunden. Jndeß gelang
sie, wenn auch mit Opfern, und nachdem dies gescheheu,
trat der Bater dem Herzenswunsche des Sohnes, sich ganz
der Kunst zu widmen, nicht länger entgegen, und dieser
bezog im Jahre 1857 die Wiener Akademie, nachdem
er sich vorher noch ein Jahr hindurch einer gründlicheu
Vorbereitung unterzogen, die ihm den Besuch der
höchsten Kunst - Anstalt zu einem fruchtbringenden
machen sollte.

Der Prosessor an der Akademie K. Mayer hatte
Kurzbauer's Begabung, als dieser noch bei Reiffenstein
beschäftigt war, für eine ganz ungewöhnliche erklärt,
aber es schien, daß er sich in seinem Wohlwollen für
den jungen Menschen getäuscht hatte. Allerdings galt
Kurzbauer während seines sechsjährigen Besuches der
Akademie als einer ihrer besten Schüler, erhielt 1861
einen Aktpreis und genoß ein dreijähriges Schulstipen-
dium; gleichwohl begann für den jungen Künstler
nach seinem 1861 erfolgten Abgange von der Akademie
eine Zeit der getäuschten Hoffnung und der bittersten
Sorgen.

Kurzbauer konnte sich nicht entschließen, jetzt, wie
allgemein üblich, eine Meisterschule zu besuchen, und
so kam es, daß er sich die nächsten drei Jahre erfolg-
los abmühte; war er doch mit sich selbst nvch nicht
darüber in's Klare gekommen, welche Richtung er ein-
schlagen sollte! Kurzbauer's erste Arbeiten wurden
vvn der Kritik gar nicht, oder besten Falles nur leicht-
hin erwähnt. Noch war das Talent nicht zum Durch-
bruch gekvmmen. Aber die Entscheiduug nahte; das
Jahr 1867 brachte ihm ejnige Anerkennung, und da-
mit wuchs des jungen Künstlers Muth. Vorüber
war die Zeit des Schwankens und der bangen 11n-
klarheit; die frische Kraft, sich selber überlassen, erfaßte
schließlich das Rechte. „Die Märchenerzählerin",
eine figurenreiche Koinposition, bahnte Kurzbauer den
Weg in die Schule Piloty's, in welcher er aber nur
zwei Jahre, 1868 bis 1870, verblieb.

Der Eintritt in. diese Schüle bezeichnete eiue neue
Phase seines Lebens, wenn auch die materielle Seite
desselben keineswegs eine sonnige war. Bewarb sich
doch Kurzbauer vier Jahre lang ohne den gewünschten
Erfolg uni eiu Stipendium, und die Unterstützung aus
dem väterlichen Hause floß nur spärlich! Nun aber
entstanden mehrere kleine Genrebilder, die sich steigender
Auerkennuug erfreuten, und mit seinen „Ereilten Flücht-
lingen" trat Kurzbauer im Frühlinge des Jahres 1870
aus den Reihen der Schüler in die von Meistern,
deren Werke würdig befunden wurden, in einer der
ersten Kunst-Sammlungen der Welt, in dem Belvedere
zu Wien, Aufnahme zu sinden. Jn dem genaunten
Bilde kamen bereits alle Vorzüge seiner Darstelluugs-
weise in hervorragendster Weise zur Geltung, wenn
auch die technische Durchbildung theilweise noch die
letzte Vollendung vermissen ließ.

Das Ansehen, das die Genremalerei in unseren
Tagen genießt, beruht zum großen Theile darauf, daß
sie gelernt hat, die Kulturgeschichte in ihren Kreis zu
ziehen, dem EntwickelungSgang des Menschengeschlechtes
durch alle Stadien nachzuspüren, und daß man es rück-
haltlos ausspricht, daß die Kenntniß der Sitten und deS

häuslichen Lebens für die Beurtheilung eines Volkes zum
Mindesten ebenso werthvoll ist wie die Kenntniß seiner
blutigen Kriege und unblutigen Staatsaktionen. Um
aber Kulturgeschichte zu maleu, genügt es uicht Ko-
stüme und Geräthe mit photographischer Treue dar-
zustellen, genügt auch nicht der bloße Blick für das
Malerisch-Schone. Dazn bedarf es eines allzeit offe-
nen und hellen Blickes, eines tiefen Verständnisses für
die Welt im Großen und Kleinen, für die Eigenthüm-
lichkeiten, Tugenden und Schwächen der Menschen, für
ihr Hassen wie für ihr Lieben; dazu bedarf es des
hohen moralischen Ernstes, wie des auch das Pein-
lichste von der wenigst dunklen Seite nehmendeu
Humors. Die Zahl der Künstler, welche Kulturge-
schichte malen, kann hiernach nicht groß sein. Unter
ihnen nimmt Eduard Kurzbauer einen der ersten Plätze
ein. Nur Wenige erzählen so lebendig, schildern das
Leben so frisch, stellen charakteristische Züge so geschickt
an den Platz, auf dem sie am besten wirken können,
wie Kurzbauer.

Wie drastisch schildert er uns in den „Ereilten
Flüchtlingen" die Situation dcs jungen Pärchens, das
eben miteinander dem Ghmnasium und der Pension
entlausen und mit Extra-Post planlos in die weite
Welt hineingefahren ist, nachdem die Mutter des lieb-
lichen Backsischss der Sache ein Ende machen gewollt!
Wie niit kaltem Wasser begossen nimmt der „Abge-
wiesene Freier" seinen traurigen Abschied, denn das
hübsche Trvtzköpfchen ist nun einmal eigensinnig genug,
den langweiligen Burschen nicht zum Mann nehmen
zu wvllen. Jn seinem „Ländlichen Fest in Württem-
berg" gab uns der Künstler Gelegenheit, den Reichthum
der Kompvsitivn, die charakteristische Gestaltung seiner
Figuren und sein glänzendes svnniges Kolorit zu be-
wundern. Voll von leidenschaftlicher Bewegung tritt
dem Beschauer „Ein stürmischer Verlobungstag" ent-
gcgen. Noch harren die jungen Leute üngstlich der
Zustimmung des sich verstimmt abwendenden Vaters
des Jünglings, dessen Erkorene mit ihrer Mutter sich
in seinem Elternhause eingefunden hat. „Vor dem
Begräbniß" läßt all den unsäglichen Jainmer eines
Trauerhauses an uns vorüberziehen, das ein geliebtes
Wesen für immer scheiden sieht.

Kurzbauer's scharfes Auge mußte nothwendig
auch von den Erscheinungen Akt nehmen, welche die
politische Aufregung unserer Tage hervorbringt. Poli-
tische Wahlen haben heute eine zum Dcindesten ebenso
tief gehende Bedeutung wie in den Tagen Hogarth's,
und so lag es für den Künstler nahe genug, einen
so brauchbaren Stoff zu erfassen, wie er iu einer
„Wahlbesprechung" vorliegt. Aber Kurzbauer wollte
kein politisches Tendenzbild nialen, wenn auch sein
Bild keinem Zweifel Raum giebt, auf welcher Seite
er selber steht. Mit weiser Mäßigung zeigt er nur,
wie die Ueberredungskunst eines in hochgeachteter Stel-
lung befindlichen Mannes auf verschieden angelegte
Naturen wirkt, wie hier sich unbedingtes Vertrauen
dem Seelenhirten auch in Angelegenheiten unterwirft,
die mit seinem Berufe nichts gemein haben, während
hinwiederum der Geist der Neuzeit Anderen die alt-
gewohnten geistlichen Fesseln abgenonimen hat. Aber
Kurzbauer bedurfte, unr zu fesseln, weder zahlreicher
Figurcn noch starker Affekte. Sein anmuthiges „Weih-
nachts-Bildchen" zeigt nns ein Kind unter denr Christ-
 
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