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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

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Ausstellung von Handzeichnungen alter Meister in Paris, [1]
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539

Ausstellung von Handzeichnungen altsr Meister in Paris.

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der Zeichnung. Drsi Blätter von Donatello (Feder-
zeichnungen in Bister) zeigen die markig lebensvolle
Komposition und sichere Zeichnung des Meisters, ins-
besondere die Skizze zu einem Theile der Grablegung
an der Kanzel von S. Lorenzo (d'Aumale). Fra An-
gelico ist in zwei Blättern, eineni Evangelisten und
einem Weltenrichter (dÄumale, Federzeichnungen in
Bister, lavirt) trotz aller liebevollen Treue des Natur-
studiums im Detail, in der Gesammtanlage noch be-
sangen, Filippo Lippi in einem Männerkopf (d'Aumale,
Schwarzstiftzeichnung mit weißen Lichtern auf grauem
Grnnde) knorrig und bestimmt, wie nur in seinen besten
Gemälden, unbedeutender in zwei Einzelgestalten. Vvn
Pesellino ist ein in Charakter und Ausfiihrung sehr
interessantes Blatt da: ein Mirakel des h. Antonius
vou Padua (d'Aumale, Federzeichnung in Blau, in
derselben Farbe lavirt, Lichter weiß aufgesetzt), eine
Studie zu dem Theile der in der Akademie zu Flvrenz
befiudlichen Predella zu Filippv Lippi's Geburt Christi
ebendaselbst; vvn Signorelli drei prachtvolle Studien-
blätter (d'Aumale, Malcolm, Gatteaup) zu Gruppen
und Einzelfiguren für die Fresken in Orvieto, welche
die herbe Kraft des Meisters tresflich charakterisiren;
von Botticelli die erste leicht hingeworfene Federskizze
zur Geburt der Venus in den Uffizi (d'Aumale) und
zwei Abundanzien, Studien zu dem Gemälde der ehe-
maligeu Sammlung Reiset (jetzt dÄmnale): die eine
(Malcolm, Federzeichnung auf rosa Grund in Bister,
weiß gehöht) von sorgfältigster, zartester Bollendung,
besondcrs der durchscheinenden Gewänder sowie der
Kvpfmodellirung, und sehr charakteristisch für die weib-
lichen Tppen des Meisters. Eine Folge von neun
Blättern (de Chennevibres und d'Aumale) giebt Feder-
zeichnungen von Berrocchio, zumeist leicht in Umrissen,
manchmal mit großer Delikatesse, dann minder genial
skizzirend, als erster Gedanke, hingeworfen: knieende
Engel, Studie zu dem Lionardo da Vinci zugeschrie-
benen Engel in der Taufe Christi der Akademie zu
Florenz, mehrere Blätter mit Pferdestudien (zum Denk-
mal Colleoni?), eine Madonna mit dem Kinde auf
den Knieen u. s. w. Es folgt Lionardo da Vinci mit
dreizehn Blättern, darunter die Federskizze eines Ge-
henkten, mid ausführlicher Beschreibnng seines sump-
tuosen Kostüms und Beifügung seines Namens „Ber-
nardi di Bendino Barontigni, Chalzajüolo" (de Chen-
neviöreS), drei Skizzen für eine Viktoria auf demselben
Blatte (Malcolm) theils Feder- theils Pinsel-Zeich-
nung in Bister, zum Theil stark lavirt und mit der
linken Hand ausgeführt, wie es die von links nach
rechts nnd vvn oben nach unten gezogenen Schraffirungen
zeigen, ein Blatt Rvthelstudien zu dem Christkinde der
h. Familie des Lvuvre (d'Aumale), das Prvfilbrustbild
eines phantastisch geharnischten und behelmten Kriegers

(Malcvlm, Silberstiftzeichnung), das Gesicht offenbar
nach der Natur höchst fein durchmodellirt, die erste
flüchtige Federskizze zu der „Anbetung der h. Könige"
in den Uffizi, doch Komposition und selbst Architektur-
anordnung des Bildes schon mit wenigen Verände-
rungen feststellend, die Gestalten nackt, mit der Linken
gezeichnet, in der Auktion E. Galichon vom Britischen
Museum auf 12,860 Frcs. getrieben, von L. Galichon
um 12,900 Frcs. erstanden. Das bemerkenswertheste
BlattLionardo's fedoch, zugleich eines der hervorragend-
sten der ganzen Ausstellung, ist ein Brustbild der Gio-
cvnda (dÄumale, 0,72 m. H., 0,54 m. Br., Schwarz-
stiftzeichnung, stark mit Weiß gvuachirt). Die Figur,
bis an den Leib sichtbar, in einem Armstuhl sitzend,
die Hände übereinander gekreuzt, das Gesicht ganz on
kuok dargestellt, ist völlig nackt, in derselben Anord-
nung und Lage wie daS Oelbild des Louvre; nur um
den rechten Arm legt sich eine leicht angedeutete Dra-
perie; es sind ganz und gar dieselben Züge, nur scheinen
sie um zehn Jahre jünger als im Bilde; die Haare
sind in einer Flechte über der Stirn zu einem kunst-
vollen Knoten geknüpft, Stirn und Gesicht selbst von
kleinen, krausen Löckchen umrahmt, der Kopf unbedeckt.
Die Modellirung ist auf das sorgfaltigste vollendet, der
Ausdruck von dem vollen Zauber des seelischen Lebens
erfüllt. Auffallend groß — wie auch im Louvrebilde,
also offenbar eine individuelle Eigenthümlichkeit wieder-
gebend, — ist die im Uebrigen sehrschön geformte Rechte
gebildet. Es existirte ein Gemälde nach diesem Blatte in
der Galerie Fesch und ein zweites besitzt die Eremitage
zu St. Petersburg, beide jedvch ohne hinreichenden Grund
Lionardo zugeschrieben. Dagegen trägt eine aus der
Sammlung Louis - Philipps's in den Besitz Lord
Ward's gekommene liegende, nackte Figur in natür-
licher Größe, auch wieder die Züge der Gioconda, und
gab, da sie unzweifelhaft Lionardo angehören soll,
Ch. Clsment (s. dessen Niollsl-^nAs, Usonurä st
UuLsI, 3. säit., p. 223) Anlaß zur Vermuthung
eines intimen Verhältnisses zwischen dem Künstler und
der schönen Florentinerin, die nun durch die hier aus-
gestellte Zeichnung, deren Provenienz der Katalog leider
nicht weiter angiebt, fast unzweifelhafte Bestätigung er-
fährt. Das Brustbild eines jungen Mannes (Ra-
vaisson, farb. Pastellzeichnung) in blonden Haareu und
Barett und schwarzem Mantel, kennzeichnet sich, be-
sonders in der gefährlichen Nachbarschaft des ebe'n be-
schriebenen Originalblattes, trotz der gegentheiligen An-
gabe des Kataloges in feinem mangelnden seelischen
Ausdruck und in der kalten technischen Behandlung so-
fort als nicht dem Meister angehörig.

Sechs Blätter bringen sodann eine Reihe von
weniger ausgeführten Köpfen von Lorenzo di Credi
(Malcvlm und dÄumale) mit Siberstift in der zarten
 
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