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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

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Arthur Fitger's neueste Wandgemälde
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571

Arthur Fitger's neueste Wandgemälde.

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Auch die koloristische Schwierigkeit des gelben Grundes
ist mit großem Talent überwunden und der Ton der
Figuren äußerst fein und vornehm, aber ihre hervor-
ragendste Schönheit liegt in der meisterhaften Kompo-
sition, im Schwung der Linien, in der Grazie der
Bewegung.

Eine weit großartigere und bedeutsamere Auf-
gabe indeß bot unserm Künstler der große Saal deS
Seefahrtshauses. Dasselbe ist eine aus dem 17. Jahr-
hundert stammende Stiftung, welche Wittwen und
Hinterbliebenen verunglückter und verarmter See-
fahrer theils Wohnung, theils Ilnterstützung bietet
und in deren großen Festsaale alljährlich die berühmte
sogenannte Schafsermahlzeit stattfindet, einBankett,
dargeboten von drei Rhedern und sechs Kapitänen
und begleitet mit manchen altherkömmlichen Bräuchen
und stehenden Gerichten.

Das ansehnliche, wcnngleich nicht architektonisch
bedeutende Gebäude ist erst vor einigen Jahren in
der Doventhorsvorstadt neu aufgeführt, da leider der
frühere alterthümliche Bau aus dem Anfang des 17.
Jahrhunderts der Anlage der neuen Kaiserstraße zum
Opfer fallen mußte. Biel großartiger alS dieser aber
hat sich der neue Bau entfalten können, denn draußen
vor dem Thore gab es andern Raum als im Häuser-
gedränge der Altstadt.

Die architektonische Eintheilung des besagten
großen Saals umschließt neun flache Mauerblenden
von ansehnlicher Größe, so daß die beiden schmalen
Wände drei und zwei, die Breitseiten je zwei Blenden
haben. Sämmtliche neun Felder füllte Fitger nun,
einer äußerst glücklichen Jdee solgend, mit einem zwei-
fachen, aber doch wieder zu einem bedeutsamen Ganzen
verschlungenen Bildercyclns aus, in allegorischen, zum
Theil über drei Meter haltenden Kolossalgestalten, an den
Schmalseiten die fünf Welttheile, an den zwei
andern die vier Winde darstellend. Könnte es für
einen Raum, in welchem die Feste einer den Welt-
handel vertretenden Körperschaft gefeiert werden, einen
passenderen und sinnigeren Schmuck geben? Aber voll
und ganz stimmen wir auch deni trefflichen Berichte
der Weserzeitung darüber bei, daß wahrlich eine eben
so tiefe poetische Kraft dazu gehörte, um diese geo-
graphischen und phyfikalischen Begriffe in charakter-
volle Gestalten zu verwandelu, wie eine gleich male-
rische Tüchtigkeit, um diesen allegorischen Figuren
warmes Leben einzuhauchen. Die Meisterschaft, niit
welcher beide Aufgaben gelvst sind, verdient die vollste
Anerkennung nnd fordert zu Vergleichen mit anderen
kühnen Allegorien heraus.

Hier können wir nun nicht umhin, offen zu gestehen'
daß wir im Allgemeinen allen Allegorien äußerst abhold
sind und dieselben höchstens an solchen Werken und in

solchen Räumen gestatten können, die ausschließlich für
ein gebildetesPublikiim bcstimmt sind. Jede der zahllosen
Germania's und Victoria's unsrer Kriegerdenkmale,
mag sie trauern oder jubeln, erfüllt uns mit aufrich-
tigem Bedauern, weil wir sicher wissen, daß solche
Perfonificirung unsere niederen Volksschichten, den
Arbeiter, Tagelöhner oder einfachen Bauer vom Lande,
als völlig nnverständlich, fremd und kalt berühren mnß.
Als Bremer frenen wir uns umsomehr, daß unser
tresfliches Kriegs- und Siegesdenkmal keine solch fleisch-
und blutlose Figur zeigt, sondern dafür einen pracht-
vollen, siegreich und mit hochflatternder Fahne über
den zu Boden geworfenen napoleonischen Adler dahin-
stürmenden deutschen Krieger, oder unsre Börse keine
langweiligen antik gewandeten Repräsentationen der
Mechanik, der Schifffahrt, des Land- und Bergbaues
und der Fischerei, sondern lebensvolle Gestalten eines
Maschinenbaners, Seemanns, Bauern, Bergmanns
und Wallfischfängers, an denen Jeder seine.wahre
Freude haben kann, weil Jeder das volle Berständ-
niß hat.

Das einzigste Mittel aber, wodurch der Künstler
uns mit seiner allegorischen Darstellung wahrhaft
versöhnen und befriedigen kann, ist eine bis in's Tiefste
durchgebildete Charakteristik, die dem Begriffe auf's
Umfassendste entspricht. Das hat keiner in so gewal-
tiger Weise bewiesen, wie der große Rubens, und
freudig müssen wir's gestehen, auch in diesen Bildern
sehen wir offenbar, daß ihr Schöpfer nicht vergebens
seine Hauptstudienzeit in Rubens' Vaterstadt, in Ant-
werpen, zugebracht hat, ja in der Auffassung nnd im
Kvlorit glauben wir sogar echte Anklänge an Rubens
wahrzunehmcn, wenn auch die Formenbildung, nament-
lich im Nackten, eher auf Anlehnung an italienische
Meister hindeuten mag.

Gehen wir jetzt zur Schilderung der einzelnen
Bilder über, wobei wir uns zunüchst an einen schon
vorhandenen trefflichen Bericht halten.

Jeder Welttheil ist durch eine aufrecht stehende
majestätische Frauengestalt dargestellt, in welcher jedoch
nur in gemäßigter Weise der Typus einer bestininiten
Rasse ausgesprochen ist. Durch zwei kleinere Knaben-
vder Jünglingsfiguren, sowie dnrch einige Symbole
ist die ethnographische oder kulturgeschichtliche Bedeu-
tung jedes Welttheils noch kräftiger betont. Allen
diesen Gestalten ist ein in gleicher Weise architektvnisch
behandelter Goldgrund und ein einfaches steinernes
Postament gegeben, wodurch namentlich der Eindruck
des Festen und Mvnumentalen gewonnen ist.

Ebensv sicher nnd klar, wie die Gesamnitanord-
nung, ist die Durchführung der Bilder ini Einzelnen.
Jedes hat seinen bestimmten Farbenakkord, die Europa
allein zeigt einen Neichthum brillanter, aber fein ge-
 
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