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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

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Arthur Fitger's neueste Wandgemälde
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Arthur Fitger's neueste Wnndflemälde.

stimmter Lokaltöne. Die sngcndlichc Herrschcrin, in
Weiß und Pnrpur gekleidet, mit dem Herrscherstab in
dcr Rechten, erhebt das gekrönte Haupt, das ein mnch-
tiger Adler überschwebt, stolz empor. Der zu ihrer!
Rechten sitzende Jüngling mit der Leier und den Attri-
buten der bildendcn Künste blickt begeistert aufwärts,
während der z»r Linten sitzende in tiefcm Sinnen sich
übcr cine Weltkügel bückt und zirkelt, denn die Kunst
und die Wissenschaft dienen der Herrscherin als Stützen
ihrer weltninfassenden Macht.

Melancholisch wirkt dagegen, trotz,aller Farben-
pracht, die greisc kvnigliche Matrone Asien in ihrem
violettpurpurncm Königsmantel nnd goldschiniinerndem
Gewande. Müde und wie träumend von längst ver-
gangener Herrlichkeit, blickt sie geneigten Hauptes auf
den ältesten Sohn, den gleichfalls träumerisch mit
Lotosblumen spielcnden schlaffen Buddhisten nnd schcint
den jüngeren, tiefer sitzenden, aber lebhaft emporblicken-
den Christen wie ihr Stiefkind zu betrachtcn, während
ein mächtiger und prächtiger Königstiger im Hinter-
grundc sein Haupt anfrichtet. So vereint dies Bild
den Ausdruck gesunkener Größe, jähen Gegensatzes der
Religionen nnd einer mächtigen gesahrdrohendcn Natnr-
gewalt.

Fast unheimlich aber ruft das Bild der Afrika
mit mahnenden Zügen dem Nahenden ein „Zurück"
entgegen. Das Hinterhaupt mit einem tief herab-
hängenden großen Gewande verhüllt, unten mit einem
seltsamen gelbschwarzen Stoffe bekleidet, erhebt das
dunkle Weib den rechten Arm gebieterisch abweisend.
Jhre Mahnung wird unterstützt durch dcn furchtbar
drohend zum Bilde herausschauenden Löwen, an den
sich finster blickend ein Neger lehnt, während sich ein
andrer angstvoll an die Muttcr klammert; er weiß es
ja, wie man trachtct, ihn derselben zu entreißen und
fortzuführen in Elend und Sklaverei.

Diescn drei alten Welttheilen gegenüber erblickt
man am anderen Ende des Saals die beiden Dar-
stellungen der neuen Welt.

Hier die jugendliche Amerika, hoffnungsfrendig
emporschauend und sich selbst den Schleier Vvm Hanpte
nehmend. Zu ihren Füßen der sleißige Pflanzer, die
reichen Früchte des jungsräulichcn Bodens sammelnd,
aber in tief ergreifcndem Gegensatz zu ihrer Linken
der arme rothhäutige Sohn des Landes mit der Todes-
wunde im Herzen sterbend hinsinkend.

Die größte Einfnchheit endlich, in Zeichnnng wie
in Kolorit, zeigt die Australia, ein zur Andeutung
der primitiven Kulturstufe nur wenig bekleidetes junges
Weib, das seine scheu und hilflos blickenden Knaben
zwar an sich zieht, aber sie zu keiner That ermuthi-
gen zu können scheint. Auch dieser negativc Gehalt
an Handlung muß einc ernste Stimmung erregen,

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wobei die Schönheit der Formen und die Amnnth dcr
Stellungen in diesem Bilde den Anblick des Rühren-
den noch erhöht, und eine innige Theilnahme auch
für die tiefste Stufe des Menschengeschlechts hervorruft.

Jm Gegensatz zu diesen Welttheilbildern sind
die Winde durch frei in der Luft schwebende geflügelte
Männergestaltcn mit ebenfalls begleitenden Knaben
dargestellt. Statt des Goldgrundes aber umgiebt sie
nur das Gewölk des Hiinmels, dessen Farbenstinnnung
dann dem jedesmaligcn Charakter des Windes ent-
spricht. Herrscht bei den Welttheilen echt statuarische
Ruhc, so ist hier Alles mächtigste Bewegung, vbwohl
unserer Ansicht nach noch mehr daS eigentkichc Vor-
wärtseilen zur Anschauung hätte kommcn müssen, wo-
gegen uns die vortreffliche, geradezu meisterhafte Cha-
rakterisirung wie die Strenge der Zeichnung mit anf-
richtigcr Befriedigung erfüllen.

Da ist zuerst der Nord als greiser Alter, eine
Krvnc von Eiszapfen auf dem Hanpte, Rcif und
Schnee im wallenden Barte, als ein echter uuge-
schlachter nordischer Eisriese in seincm unheimlich kalt-
grauen Schneegewölk mit geballten Fäusten sein Pol-
terndes Wessn treibend und mit seinen Adlerschwingen
die Luft peitschend. Kein Vvgel belebt dieselbe, nnr
der Nordstern glänzt einsam mit kaltem Lichte hoch
oben.

Aber welch einen wonnigen Gegensatz bildet ihm
gegenüber der liebliche Südwind, ein schöner gold-
lvckiger Jüngling niit sanstcr Regung seiner silber-
grauen Fittiche, mit leichtem Wallen des rosigen Ge-
wandes und die Hände wie ringsum segnend ausge-
breitet und in sonniger Luft daher schwebend, während
blumenstreuend und flötenblasend freundliche Knaben
nebst der frühlingverkündenden Schwalbenschaar ihn
begleiten; das ganze Bild ein wonniges Gewoge von
goldigen, rosigen und fcin grauen Farbentönen, als
ob ein glück- und schönheitserfüllter FrUhlingsmorgen
uns mit all seiner strahlenden Herrlichkeit umfangen
wvllte.

Dann in abermaligem Gegensatz Ost- und West-
wind. Jencr ein wildbärtiger kraftvoller Mann, mit
Heftigkeit seine Pfeile versendend, sein fuchsiges Haar
emporgcrichtet, Gewand und Gewölk voü eigenthüm-
lich Ielbröthlicher und fahlbrnuner Töne, daß wir an
Dürre und Staub denken müssen.

Und zn allerletzt dagegen der Regenbringer, der
West, eine glänzend weiße jüngere Mannesgestalt, aber
mit dunklen Rabenschwingen durch das schwergraue
Regengewölk mit seinen Begleitern einherfahrend, da-
von der eins des Regens symbolische Quelle, den
Wasserkrug trägt, während der andere eine lange sturm-
henlende Tnba bläst und einc weiße Möve vvr sich
herjagt.
 
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