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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

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Die internationale Kunst-Ausstellung zu München, [1]
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Die internationale Kunstausstellung zu München.

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den Namcn der betreffcnden Länder, woruntcr sich
freilich auch Afrika, China und Japan verirrt haben;
Professor A. Heß und Ferd. von Miller, Syrius Eberle
und Th. Dennerlein, W. Rümann und I. Hirt, svwie
der hmnoristische Thierdarsteller A. von Wahl hatten
diesen Theil der Dekvration übernommen. Der ganze
Einbau war noch nach den Entwürfen des Münchener
Architekten A. Schmidt ausgeführt, Grdon hatte sich
diesmal fern gehalten. Ilnterhalb der Kuppel mit
dem Oberlichte reihen sich die Medaillons dsr bc-
deutendsten alten deutschen, niederländischen, vlämischen,
italienischen und französischen Meister an einander; die
Porträtähnlichkeit scheint freilich Nebensache dabci ge-
wesen zu sein. Die königlichen Schlösser haben die
nöthigen Gobelins hergeliehen, und die Dekorations-
zwecken gewidmeten, theilweise geopferten Marmor-
werke gruppiren sich rings um die plätschernde Fon-
taine und halten die Ehreuwache an den verschiedenen
Thllren. Auch einzelne Gemälde sind hier aufgehängt
worden. Schrader's „Mrs. Claypole beschwört ihren
Bater Oliver Cromwell nicht nach ber Krvne zu
trachten", ein stimmungsvolles Bild von bedeutender
Wirkung, die leuchtende Landschaft des Jtalieners
Vertunni „Auf dem Nil nach Sonnenuntergang",
H. Corrodi's „Procession in Sorrent" und H. Flüggen's
„Mecklenburgische Hirtenkinder" zählen zu diesen be-
vorzugten und trotzdem häufig übersehenen Gemälden.
Das erste plastische Werk, welches den Besucher em-
pfängt, ist Barzaghi's „Aus dem Wasser geretteter
Moses", eine Arbeit von großer Vollendung in der
Ausführnng der Einzelheiten; das lockige Haupt der
juugen Aegypterin sowie das Knäblein im Korbe sind
überaus anmuthig, der Gesammteindruck befriedigt
weniger. Zwei lebensgroße Marmorstatuen von dem
Kreuznacher C. Cauer: „Die Hexe"und „Die Quelle"
blicken zur Rechten und zur Linken aus dem Gebüsche
hervor; schads, daß die Tische der Katalogverkäuferinnen
unmittelbar vor ihnen anfgeschlagen sind; die Auf-
fassung „der Quelle"—das junge Mädchen horcht an
einerMuschel — fordert unwillkürlich zuVergleichen mit
den Schöpfungen der französischen Schule auf. Suß-
mann-Hellborn's schwerfällig gedachtes „Dornrös-
chen", dessen zar'teGestalt ganz in dem tiefen Sessel und
unter dem Rosengewirr verschwindet, die dämonisch
dreinschauende „Rosamunde" mit dem Todtenschädel
von dem Mailänder Branca, das überaus lebendig
aufgefaßte Gypsmodell eines „Gänsediebes" von Diez
und „Pico della Mirandola" als Knabe von dem Mai-
länder Villa, sind rings um den Springbrunnen zwi-
schen dem Laubwerke vertheilt. — „Deutschland" prangt
es in Goldlettern über dem Haupteingange in der
Mitte, das Ausland befindet sich zur Rechten, Oester-
reich, nebst dem Reste der deutschen Kunst, ohne An-

betracht des Landstriches, zur Linken. Der Architektur,
den Aquarellen »nd der graphischen Kunst wurden
zwei Reihen von Kabinetteu zugewiesen; die Galerien
blieben diesmal leer; selbst der Zugang zu der Tri-
büne, von der man eine schöne Uebersicht des Ganzen
genoß, wurde nach der Eröffnungsfeierlichkeit abgesperrt.

An den beiden sehr ungleichen Marmorstatuen
„Phryne" und „Blinde Fliege" von dem Mailänder
Barzaghi vorüber, betritt man den Mittelsaal, wo
die Büste des Prinzen Luitpold die fremden Besucher
gastfreundlich empfängt, und der Blick zunächst von
Ferd. Keller's umfangreichem, der großherzoglichen
Galerie in Karlsruhe gehörigem Gemälde „Markgraf
Ludwig Wilhelm in der Schlacht von Szlankament"
gefesselt wird; einzelne Köpfe erinnern an Slingeneyer's
„Schlacht bei Lepanto". Der Schweizer Koller hat
noch einmal sein kolossales, schon 1876 hier ausgestellt
gewesenes Thierstück „Vieh auf der Alp bei nahendem
Gewitter" eingesandt. Die „Kindesmörderin" von
Gabriel Max, ein in jeder Beziehung schönes Damen-
porträt von dem Hannoveraner Friedr. Kaulbach, die
von der Berliner Nationalgalerie hergeliehene „Par-
forcejagd" von dem verstorbeneu Pvlen Gierymski und
ein altdeutsch aufgefaßtcs Porträt von dem Münchener
Fr. Aug. Kaulbach bilden Brennpunkte der Aufmerk-
samkeit, während ein entsetzlicher sterbender Christus
von Piglheim in München immer wieder die staunende
Frage hervorruft, warum die sonst so strenge Jury
solche Geschmacksverirrungen zugelassen habe. — Diese
kurze Rundschau beweist, wie wenig die scharfe Grenze
der Geburtsländer eingehalten ward, und dieselbe freie
Vertheilung sindet sich im gauzen Ausstellungsraume
wieder. Jmmerhin wäre es bei dem knappen Hilfs-
mittel eiues alphabetisch geordneten Kataloges wünschens-
werth gewesen, die Werke je eines Künstlers näher ver-
eint zu sehen. Rudolph Jordan's geniale Schöpfungen
„Schiffbruch in der Normandie" und „Das Ankertau
an's Land gebracht", sind beispielsweise durch die ganze
Breite des Glaspalastes getrennt, wührend sie sich als
Pendants ergänzen würden.

Besondere Glanzpunkte für die deutsche Abtheilung
lieferte die Berliner Nationalgalerie mit anerkennens-
werther Bereitwilligkeit. Da finden wir Gentz' sonnen-
hellen „Einzug des Kronprinzen in Jerusalem",
Scherres' „Ueberschwemmung in Ostpreußen", Schmidt's
„Spreelandschaft", Osw. Achenbach's „Marktplatz von
Anialfi", Bochmann's volksbelebte „Werfte in Süd-
Holland", die „Abenddämmerung" Dücker's, Defregger's
„Heimkehrende Sieger", Menzel's „Eisenwalzwerk",
Hoff's „Taufe des Nachgeborenen", Hertel's „Sturm
an genuesischer Küste" und Josef Brandt's vielan-
gesochtene „Tartarenschlacht". Auch andere Kunst-
institute und Sammiungen habeu ihre besten Schätze
 
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