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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

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Billung, Hermann: Der Pariser Salon, [4,1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5791#0376

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Der Pariser Salon.

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sein; die für den Knaben gewählten Proportionen er-
innern an Bosio's im Louvre aufgestellte Silberstatuette
Heinrich's IV. als Kind.

Der Preisgekrönte vom Jahre 1878, Hektor
Lemaire, sandte von der VillaMedicis „Mutterliebe",
eine Marmorgruppe, deren von dunkeln Adern durch-
zogenes Material leider die Wirkung bedeutend beein-
trächtigt, sowie ein Gypsmodell „Junge Frau mit
ihrem Kinde" herüber. Der' Jnhaber der Ehrcn-
medaille des Salons von 1878, Louis Barrias, por-
trätirte den genialen Ungarn Munkncsp; die schvne
Bronzebüste würde nicht weniger Effekt machen, wenn
der Maler das Antlitz in weniger tragische Falten ge-
legt hätte. Dem mytholvgischen Genre wcndete sich
Ch. Lenoir mit seinem Vvm Staate erworbenen „ssnns
limne laisunt ooinbnttrs clsux oogs" zu. Die halb
thierische, halb kindische Fröhlichkeit im Antlitze wie
in den Bewegungen ist fein und schvn nüancirt.
Jdrac's „Den Caduceus erfindender Merkur" belauscht
lächelnd das Spiel der Schlangen, ehe er sie zum
Symbole um seinen Stab fesselt. Der junge Meistcr
gehört zu dem jüngeren Kreise, er gewann 1878 den
Preis von Rvm; sein Mcrkur ward für den Lupem-
bonrg angekauft. Sein Vorgänger in der Billa Me-
dicis, Allar, der Sieger von 1869, wählte sich „los
ullisnx ä'Hoosts" zum Motive und behandelte das
dramatische Thema mit glücklichem Grisfe; sterbend
ruht die Königin zurückgesunken im Sessel, und die
beiden Kinder beugen sich voll bangen Zagens über
die theuere Mutter. Lagrange, der Laureat von 1870,
stellte das Gypsmodell einer vielversprechenden Bac-
chantenstatue aus; Lansou schickte aus Nom ein fleißig
ausgeführteS Haut-Nelief „Die Anferstehung"; Beide
lebten nicht umsonst unter dem sonnigen Himmel im Lande
der Kunst. Den Gegensatz der Körperkraft zum geisti-
genllebergewichte brachteCoutan in seinem vomStaate
erworbenen „Heiligen Christoph" vortrefflich zur Gel-
tung; der Kopf des gigantischen Heiligen sowie derjenige
dcs göttlichen, auf seiner Schulter sitzenden Knaben, sind
von glücklichem Ansdrncke, die Beine des Kindes da-
gegen schwächer. Cochey's für die landwirthschaftliche
Kolonie von Citeaup bestimmte Marmorstatue des
Abbs Rey mit einem Knaben wird der Anstalt zuni
Schmucke gereichen. Cordier, gleichfalls cin auf-
strebendes Talent, versuchte sich an einer Reiterstatue
in Gyps „1s rullisinsnt"; die Regierung hat sie er-
worben, obgleich die Croupe des Pferdes der Ueber-
arbcitung bedars. Zu den Ankäufen der Regierung
gehvrt auch Hugoulin's Marmorgruppe „Orest sucht
am Altare der Pallas Schutz"; die mächtigen Glieder
des Königssohnes haben selbst durch das Grausen deS
Vatermordes und die Flucht vor den Eumeniden nichts
an Kraft und Fülle eingebüßt. Gustav Dors sucht

immer Eigcnartiges; seine anf den Fnßspitzen stehende,
,,1'stkroi" genannte Aegypterin hält ihr Kind in jähem
Entsetzen mit beiden Arnien so hoch wie möglich in
die Höhe, um es vor dem giftigen Bisse der bereits
an ihrem Gewande emporzüngelnden Schlange zu be-
wahren. Das kleine dickbauchige Wescn sinkt schlaff
in sich zusammen, die junge Mutter scheint dagegen
in der bangen Svrge nn> mehrere Zoll gewachsen zn
sein; an Bewegung sehlt es der Gypsgruppe so wenig
wie Dors an Gewandtheit und Talent, im Detail
wären Retüuchen erwünscht. Der in Nom etablirte
Creole d'Epinay von der Jnsel Mauritius sandte
ein vielversprechendes „Lvolis!" ein. Gautherin's
in Marmor ausgeführte „Klotilde von Surville" und
Morice's „Rosa Mystica" sind anmuthige Schöpfungen.
Dampt zeigte sich mitseinem verschmachtenden „Jsmael"
auf dem besten Wege, sich dereinst als „Iiors oonoonrs"
über die Menge zu erheben.

Victor Hugo darf zufriedcn sein. Jn den oberen
Räumen war er durch Bonnat's Porträt, sowie durch
Radirungen und Bleistiftzeichnungen vertreten, unten
lieferten seine „Meerarbeiter" Carlier das Motto zu
seinem „Gilliatt". Das schaudervolle Entsetzen über
den unerwarteten Angriff des in einer Felsspalte
lauernden Riesenpolypen prägt sich in den Zügen wie
in der ganzen Haltung aus; an die Antike darf man
sreilich bei diesen modernen Schöpfungen nicht denken.
Um Boltaire, den Feuergeist nnd den Skeptiker in der
unschönen äußern Hülle, Plastisch darznstellen, muß man
nicht nur die Porträts der Zeit, sondern auch seine
psychvlogische Entwickelung studirt haben; Caills ver-
säumte das offenbar, denn seiner Statue des Philo-
sophen von Ferney fehlt das Relief des Seelenlebens.

Unter den Porträtbüsten befand sich, außer den
schon genannten, noch manches Hervorragende, der
Franzose ist darin Meister wie im Oelgemälde. Das
Ministerium der Künste hat wiederum die Büsten
eincr Anzahl von bedeutenden Staatsbürgern theils
für das historische Mnseum von Versailles, theils zur
Aufstellung an anderen geeigneten Orten ausführen
lassen. B'arre übcrnahm Berrycr, den zungensertigen
Redner, Jselin verewigte Clande Bernard's sinnige
Züge, eine besonders gelungene Arbeit, Louis-Noöl
ersah sich Decamps, Matabon das Denkerantlitz Feli-
cien David's. Das Marmorbildniß David d'Angers'
lag bei dem Sohne in guter Hand, im vorigen Jahre
stellte er die ihm theuern Ziige im Entwurfe aus,
diesmal das vollendete Werk neben einer Bronzebüste
des Schauspielers Got. Johanna Eymard de Lan-
chatres schmückte ihre vom Staate erworbene Bronze-
büste der Franyaise de Foix mit reicher Anmuth. Eine
wahre Perle, die Rivalin von Pnul Dubois' duftigem
Kinderporträt in den obcren Ränmen, schuf dieselbe
 
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