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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,1.1903-1904

DOI Heft:
Heft 2 (2. Oktoberheft 1903)
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Avenarius, Ferdinand: Höhendunst: eine höchst nüchterne Betrachtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7715#0077

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Hökenäurisl.

Line höchst nüchterne Betrachtung.

Nun ist's schon anderthalb Dutzend Jahre her, die Wellen der
„Kunst fürs Volk-Bewegung" quirlten und kräuselten erst eben auf,
man wußte nicht recht, man fühlte nur so, und was von Blasen kam,
zerplatzte meist bald wieder. Unter den ersten Versuchen, zu helfen,
waren die „Beiträge zu einer Volkskunst", die Schwindrazheim mit
ein paar hambnrgischen Kunstgewerblern und Lehrern herausgab. Be-
scheidene nnd teilweis dilettantische Entwürfe mit viel zu viel Zeich-
nerei und Ornament, aber immer mit Liebe gemacht, aus dem
Wunsche herans, dem Volke unter Anlehnung an „Bauernknnst" statt
der Bazar- und sonstigen nnsoliden „Ware" Geräte ins Haus zu
geben, die billig und doch persönlich seien, etwas zum Gern-Haben,
zum Traulich-Machen. Jn den Begleittexten Gegnerschast gegen den
Luxus, Ablehnung all der Jmitierereien, sei es von tenreren Stoffen,
sei es von alten Stilprodukten, Kampf gegen die Fexerei, Hinweis
aus die heimische Pflanzen- nnd Tierwelt auch sür den Schmuck. Alles
Ln allem: als Versnche einiger unbemittelter junger Jdealisten sicher
ersreuliche Zeichen der Zeit. Da rief kein Geringerer als der per-
diente Wiener Musenmsdirektor Albert Jlg gegen die Hamburger
Volkskunst-Leute zum Kampf. Der einleitende Satz ans seinem Artikel
taugt heute wieder für nns zur Einleitnng: „Es sind so jämmerliche,
dünne, mit elenden Farbendrucken ausgestattete Heftchen, daß unsre
Leser wohl zu der Frage berechtigt wären, aus welchem Grunde hier
in einem Referat über die neuesten kunstgewerblichen Literatur-Er-
scheinungen derlei Plunder besprochen werde, neben welchem der
Büchermarkt ja eine Fülle des Prächtigsten darbiete." Sind diese
Worte nicht ungemein bezeichnend für den Zeitgeist von damals? Als
ganz selbstverständlich eine Verquickung von Kunst und Pracht! Und
ein Zusammenwerfen von Ausstattung nnd Jnhalt! Dünne, schlecht
nusgestattete Heftchen — wie kann alfo wertvoll sein, was drin ge-
schrieben oder was drin abgebildet steht? Goethes Faust selbst müßte

.2 Gktoberpeft 1903

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