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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,1.1903-1904

DOI Heft:
Heft 1 (1. Oktoberheft 1903)
DOI Artikel:
Bielschowsky, A.: Goethes Lyrik, [1]
DOI Artikel:
Batka, Richard: Wunderhornklänge
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https://doi.org/10.11588/diglit.7715#0029

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Selig wer sich von der welt
Dhne lsaß verschließt,

Linen Mann am Busen hält
Und mit dem genießt,

N)as dem Menschen unbewußt
Gder wohl veracht
Durch das Labyrinth der Brust
wandelt in der Nacht.

Wenn das Mondlied mit einer Wurzel in dem traurigen Ende
des Fräuleins von Laßberg ruhte, so wächst ein anderes mit allen
daraus empor. Es ist der „Fischer", der die Naturgewalt des
lockenden Wassers schildert. Goethe selbst schrieb in den Tagen, wo
er beschästigt war, einen Parkwinkel mit Spaten und Hacken zu
einem Andenken an die Tote umzuschasfen, an Frau von Stein:
„Wir haben bis in die Nacht gearbeitet, zuletzt noch ich allein bis
in ihre Todesstunde." Er warnt Frau von Stein, deren melancho-
lische Stimmungen er kannte, zum Flusse hinunterzugehen. Denn
„diese einladende Trauer hat was gefährlich Anziehendes wie das
Wasser selbst, und der Abglanz der Sterne des Himmels, der aus
beiden leuchtet, lockt uns".

Lockt dich der tiefe Lsimmel nicht,

Das seuchtverklärte Blau?

Lockt dich dein eigen Angesicht
Nicht her in ew'gen Tau? —

Wir haben hier den Fall, daß aus einem Anlaß zwei Lieder
hervorspringen, die nach verschiedenen Seiten ihr Gesicht wenden;
nicht bloß, weil das Erlebnis gehaltreich genug war, um verschiedene
Stimmungen, Bilder, Gedanken aufzuregen, sondern weil das eine
in der harmonischen Seele Goethes als Gegenstück das andere for-
derte. Dem verderblichen Naturzauber des Wassers, in dessen Fluten
ein trügerisches Mondbild glitzert, stellt sich gegenüber der heilende
des wahren Himmelsgestirns, das sein Licht über Busch und Tal
ergießt. A. Bielschowsky.

(Schluß folgt.)

MunctsrkornklLnge.

Ein neuer Liedmeister? Ein neues Tongenie? Fast möchte man
üngläubig bei dieser srohen Botschaft den Kops schütteln. Denn die
in großen Worten schwelgende Reklamesucht unserer Zeit knausert nicht
mit solchen Ehrentiteln, und dann — gibt es nach der üppigen Blüte
des deutschen Liedes von Schubert bis Hugo Wols noch viel von der
Zukunst zu hoffen? Aber die „dreißig Lieder aus des Knaben Wunder-
horn", die Lauterbach und Kuhn in Leipzig soeben haben erscheinen
lassen, belehren uns, daß wir in der Reihe der Charakterköpse der
Tonlyrik fortan einen neuen zu zählen haben: Theodor Streicher.

l- Gktoberheft t9os

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