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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,1.1903-1904

DOI Heft:
Heft 3 (1. Novemberheft 1903)
DOI Artikel:
Göhler, Georg: Tantièmen für Konzertaufführungen?
DOI Artikel:
Kalkschmidt, Eugen: Vom künstlerischen Lichtbilde, [2]: das Bildnis
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https://doi.org/10.11588/diglit.7715#0159

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Zustände, deren Lächerlichkeit die Komponiften, die nicht gerade auf dem
hohen Roß der Mode sitzen, bei näherem Ueberlegen selbst einsehen und
nicht herbeisehnen müssen? Weil dem so ist, hoffe ich, daß sie sich von dem
Zwange der Anstalt frei machen und den Künstlern, die durch Aufführung
ihrer Werke das Kunstleben im Volke bereichern und mit neuen Anregungen
befruchten wollen, nicht mit dem Sammelbeutel und dem Quittungsformular in
der Hand, sondern mit dem Bewußtsein entgegenkommen, daß auf beiden
Seiten Opfer gebracht werden müssen.

Zu Gezänk wird's, fürcht' ich, bei solchem Geschäftsbetriebe bald kommen.
Mögen diesem wenigstens die vornehmen Elemente des deutschen Musikerstandes
und des deutschen Musikverlags fernbleiben! Sie haben Besseres zu tun, um
der Kunst und den ernsten Künstlern aufzuhelfen. Georg Göhler.

Vom künslleriscken Licklbilcte.

2. Das Bildnis.*

Jn den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, als die
Photographie aufkam, war sie ein ziemlich umständliches Handwerk.
Der Photograph mußte sich die Platten für die Aufnahme selber
„gießen", d. h. lichtempfindlich machen, und dann war seine Chemie
noch so schwach, daß er sein Objekt an die zehn Minuten und länger
vor dem Apparat festhalten mußte, um es zu fangen. Mit den Jahren
nahm ihm eine geschäftige Jndustrie einen Teil seiner Vorbereitungen
ab und half ihm die Arbeit in jeder Weise zu kürzen. So gewann
er Zeit, sich als „Künstler" sühlen zu lernen und sich mit allerhand
äußerlichem Aufwand eines solchen zn schmücken. Seine Kunst be-
tätigte er in der willsährigen „Auffassung" und in der „Retusche",
namentlich des Bildnisses. Manchen Leuten war diese Kunst ein
Greuel; sie empfanden es als unnatürlich, wenn sie „bitte recht freund-
lich" dreinschauen sollten. Den meisten aber war sie willkommen, denn
sie war immer so, wie die Leute sie wollten. Dann war sie billig
und also auch den kleinen Leuten lieb und ihnen erst recht, denn die
hatten sich vordem wohl nur einmal im Leben, und oft nicht ein-
mal das — leibhastig aufs Papier bringen lassen. Nun reichte es, das
zu tun zur Konfirmation, zur Verlobung, zur grünen, silbernen und
goldenen Hochzeit. Da konnte es denn nicht ausbleiben, daß bald
auch in der kleinsten Stadt ein photographisches „Atelier" aufgetan
ward und seinen Mann weit reichlicher nährte, als vordem die Werk-
statt des Stechers und Lithographen den seinen; ja, an den größeren
Orten machten geschickte Photographen einen „Umsatz", der demjenigen
selbst angesehener Maler sast gleichkam und ihn manchmal sogar über-
tras. Hatten die Maler, hatten die Kunstfreunde nun recht, wenn sie
klagten: der photographisch angebundene Blick sei unfähig zu einem
Aufschwung in die befreiende Weite des künstlerischen Horizontes? Wenn
sie der Photographie vorwarfen, das Auge der ganzen Generation
verdorben zu haben? Hatten sie recht, wenn sie wünschten, es möchte
gar keine Photographie geben oder aber keine Leute, die sich photo-

* Der Aussatz über die Landschaft in der künstlerischen Photographie
ist im zweiten Julihefte (Kw. XVI, 20) erschienen.

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