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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,1.1903-1904

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Heft 11 (1. Märzheft 1904)
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Avenarius, Ferdinand: Zur Reichstagsverhandlung
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Kühnemann, Eugen: Kant
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https://doi.org/10.11588/diglit.7715#0755

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hältnismäßig wenigen aus allen Völkern, die für künftige Welt-
märkte die Urteile und damit die Werte vorbilden, uns nicht ganz allein
nach Wernerscher Auslefe bemesfen, dafür ist das noch Mögliche ge-
fchshen. DieKünstler befreienfich durch den „Künstlerbund" vom Kunstgenos-
senschaftswesen, die Laien erkennen diese neue Macht an und lehnen
dic preußische Hoskunst als Führerin nationaler Kunstpolitik ab —
das sind zwei Vorbedingungen zur Erstarkung der deutschen Kunst im
Jnnern. Lüngst aber ist es ein Erfahrungssatz, daß nur die aus
eigenenr Volkstum, aus eigenem Zeitempsinden, aus eigenem Per-
sönlichkeitsgesühl erwachsene Kunst auch in der Fremde Bewunderer
findet, weil nur sie auch den Fremden wirklich bereichern kann. Und
so weist auch eine weitausschauende Kunst-Weltpolitik auf die Wege,
die zu beschreiten wir nun begonnen haben. A.

RANt?

Als das deutsche Volk vor kurzem den hundertjährigen Todestag
Herders feierte, geschah es aus dem Gesühl einer tiefen Dankbarkeit,
die über alle die Wechselsälle seines Ruhmes hin geblieben war.
So sehr er selbst in seinen Leistungen vergessen ist, er hüngt doch zu-
sammen mit den besten 'Erinnerungen in der Geschichte unserer Dich-
tung. Mit ihm hat das Genie seinen Einzug gehalten in die Werk-
statt der Litcratur, die Krast, die überall erst das Leben gibt. Und
wenn ihm selber nun nicht gegeben war, ihm, der das Ohr besaß für
die Seele und die Lieder aller Völker, der mit den Gestalten
der Weltliteratur lebte, — wenn ihm nicht gegeben war, im eigenen
Liede sortzuleben in seinem Volk, oder seine Gestalten lebendig auf-
zurichten neben denen unserer Meister, seinen Anteil scheint er doch
zu haben au allen den dichterischen Gaben, die unser Herz ersreuen. Und
wie die Dichtung jedem verstündlich, eine recht eigentlich volkbildende
und volksverbindende Krast ist, so bleibt uns das Gesühl, daß Herder
zu uns allen gehört, auch wenn wir ihn nicht mehr lesen, fast nichts
mehr von ihm kennen.

Wie anders ist die Stellung Kants, der wenige Monate nach
seinem genialen Schüler, seinem späteren erbitterten Gegner, aus der
Welt ging, so alt und sertig aus ganz vollendeter Lebensarbeit weg-
gerusen, wie Herder unbefriedigt, einen neuen Anfang ersehnend vor
der Zeit dahingerasft wurde. So kurz hintereinander feiern wir sie
wie zum Zeichen jener tiesen Gemeinsamkeit, die diese beiden 5kräfte im
Dienste Eines großen Werkes zusammen brauchte und die nur für sie
persönlich durch widrige Fügungen zeitweilig ausgehoben war. Kant
besitzt nicht einmal die Popularitüt, die wir Herder zusprechen. Wohl
hat er einen Kreis der Eingeweihten, der an ihm als einem Wohltäter
ohnegleichen hüngt. Jch denke hier gar nicht an die Fachphilosophen,
die in ihm die Probleme ihrer Schulwissenschaft sinden, überhaupt nicht
an die Schulwissenschast, sondern an die, denen er sür ihre lebendige
Vildung Wege gegeben und Nichtung gewiesen hat als der große Be-

* Rede, gshalten bei Ler Kantfeier in Posen. Wie wir im vorigen tzsste
durch rote Zettel mitteilten, war es leider unmöglich, diesen Beitrag des Rektors
der neuen Possner Akademie noch ins vorige Hest zu bringen. Rw.-L.

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