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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,1.1903-1904

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Heft 2 (2. Oktoberheft 1903)
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S., E.: Phantasieen über die Phantasie
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Bartels, Adolf; Eber, Leopold; Avenarius, Ferdinand: Sprechsaal: Wollen, Können und Kritik. In Sachen Fritz Lienhards
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https://doi.org/10.11588/diglit.7715#0101

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fährt er fort, läßt aber verschiedene Rangabstufungen unter seinen
Göttern eintreten, und der Mensch ist für ihn der Fetische höchster.
So gelangt auch der Schoßhund Riquet, eine der vortrefflichsten Roman-
figuren, die Anatole Franee je gezeichnet hat, zu dem Ergebnis, daß
alle Handlungen, für die ihn fein Herr, der Professor Bergeret, prügelt,
fchlecht und moralisch verwerflich sind. Machen es etwa die Kinder
anders? L. s.

§precb8aal.

(Unter sachlicher Verantwortung der Einsender.)

Mollen, Konnen uncl Rrilik. ün 8acben Lienbaräs.

Zu Webers „Wollen und Können" mögen mir einige Worte er-
laubt sein. Es war ja bisher nicht üblich im Kunstwart, daß fich
seine Mitarbeiter über Persönlichkeiten auseinandersetzten, das ge-
schah nur über Prinzipien. Jn diesem Falle scheint mir aber das
Hmäiatnr st altsra Mr8 am selben Orte unumgänglich zu sein, und da
Weber in seinem Aufsatz wenigstens an einer Stelle Ausführungen
von mir im Auge hat, so glaube ich einige Veranlassnng zu haben,
hier für die altsra x>ar8 zn reden.

Jch will von vorneherein bemerken, daß ich Weber in den meisten
seiner Einzelausführungen recht gebe. Aber ich halte sein Totalbild
Lienhards sür schies, ich behaupte, daß er die Schwächen Lienhards
mikroskopisch genau gesehen, aber die „höhere Ausgleichung" nicht ge-
sunden hat. Eine Ahnung davon hat er selbst — man vergleiche nur
seine vielen Vorbehalte: „Lienhards Werken solchen (allgemein-poe-
tischen) Gehalt rundweg abstreiten zu wollen, bedeutete in der Tat
eine Ungerechtigkeit"; „bei einzelnem, besser gelungenerem des Stückes
brauche ich mich hier nicht weiter auszuhalten, da ich Lienhard nicht
etwa jedwedes Talent absprechen will"; „deswegen gebe ich selbst-
verständlich zu, daß das allgemein-poetische Empsinden Lienhards auch
hier (im »König Arthur«) stellenweise trotz alles Phrasenwesens spür-
bar wird, ja, in viel stärkerem Maße spürbar wird als bei den Schild-
bürgern und dem »Till«; „auch ich halte die Lhrik Lienhards, da
es ihr manchmal in räumlich beschränkten Stimmungsbildern gelingt,
reinere Gestalt zu gewinnen, sür erfreulicher als seine Dramen." Aus
diesen Vorbehalten geht unbedingt hervor, daß man Lienhard auch
als „positive" Erscheinung behandeln könnte, daß das Endresultat
Webers, richtiger: der letzte Eindruck, der von seinem Aufsatz bleibt,
Lienhard sei ein äfthetisches Nichts, denn doch nicht ohne weiteres
haltbar ist.

Auch ich habe Lienhard von vorneherein nicht allzu sreundlich
gegenüber gestanden, ich vermißte in seinen Aufsätzen so gut wie
Weber bei aller Anerkennung der löblichen Tendenz doch das tiefere
Verstündnis sür das Aesthetische, das mir Lienhard ftets mit dem
Technischen gleichzustellen schien, während es doch zweifellos die einzig
mögliche Lebensform der künstlerischen Persönlichkeit ist. Nicht
Empfindung und Gesinnung, mögen sie noch so groß und so gut
sein, machen den Dichter, sondern seine spezifisch-ästhetische Begabung,
hinter der auch immer seine gänze, auch die sittliche, Persönlichkeit

2. Vktoberhest 1905

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