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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,1.1903-1904

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Heft 5 (1. Dezemberheft 1903)
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Aus Berlioz' Memoiren
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Avenarius, Ferdinand: Sprechsaal: noch einmal Lienhard - aber unsre Schuld ist's nicht
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https://doi.org/10.11588/diglit.7715#0400

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eine Arbeit, die sie zu machen beabsichtigen. Nichts tann so lächev-
lich sein, als ihr emsiges Aufschürfen, wenn nicht die Geduld, mit
welcher sie deu Gang bahnen und das Gewölbe aufbauen; bis zu
dem Augenblicke, wo der Kritiker, durch diese Maulwurfsarbeit gs-
reizt, plötzlich eineu Strahl kalten Wassers losläßt, der dann die
Grube und manchmal auch den Grubenarbeiter überflutet. Deshalb
leg ich, wenn es sich um die Beurteilung meiner Werke handelt, nur
Wert aus das Urteil von Leuten, die nicht unter dem Einfluß des
Feuilletons stehen. Die einzigen unter den Musikern, deren Beifall
mir schmeichelt, sind die Orchestermitglieder und die Choristen, weil
bei diesen das Talent des einzelnen selten der Prüfung des Kritikers
ausgesetzt ist, und sie daher gar keinen Grund haben, ihm den Hof
zu machen. Uebrigens muß das Lob, das von mir ab und zu auf
diese Weisc erpreßt wird, den Empfängern wenig schmeicheln. Der
Zwang, den ich mir auferlege, um gewisse Werke zu loben, ist so groß,
daß die Wahrheit zwischen meinen Zeilen durchblickt, wie bei außer-
gewöhnlichen Anstrengungen der hydraulischen Presse das Wasser durcy
das Eisen der Maschine durchsickert. Balzac hat an so und so vielen
Stellen seiner bewunderungswürdigen menschlichen Komödie recht treff-
liche Dinge über die zeitgenössische Kritik geschrieben,- allein, indem er
auf die Jrrtümer und Fehler der Kritiker aufmerksam machte, hat
er, wie mir scheint, die Verdienste von solchen, die ehrenhaft bleiben,
nicht genug hervorgehoben, für ihre heimlichen Leiden kein richtiges
Verständnis erweckt.

^precksaal.

stsock einrnal l^ienkarck — aber unsre 8ckulä isl's nickl.

Um alles in der Welt — nochmals Lienhard? Es mutz eben sein. Lien--
hard hat in der „Demschen Welt" den feierlichen Appell an mich veröffentlicht,
was er dort in einem Schlutzbrief sagt, auch unsern Lesern zur Wiederher-
stellung seines „ethischen Bckdes" wortwörtlich mitzuteilen. Da lätzt sich nichtS
machen, dem nachzukommen ist Ehrensache. Aber ich lehne alle Verantwortung
sür irgendwelche Folge daraus von mir ab. Nicht i ch habe das Persönliche,
das Moralische in diese Polemik hereingezogen: durch die Verdächtigungen
meiner Berufsehre in seinem Aufsatz über die „Literaturpolitik* des KunstwartS
hat Lienhard seinerseits mich zur Aufklärung gezwungen. Wer das Folgende
liest, der weih auch: es geschah nicht, um mich zu schonen, wenn ich mich noch
jetzt bereit erklärt habe, auf jedes weitere Wort zu verzichten, falls Lienhard
auch nur jenen letzten Appell an mich zurückziehe. Er hat's nicht gewollt — ich
rufe Lienhards entschiedensten Parteigänger Frievrich Lange von der „Deutschen
Welt"' zum Zeugen dafür an. Und so muß in Widerlegung neuer Verdrehungen
und Verschleierungen gesagt werden, was, kleinlich an stch und an sich ohne
jedes öffentliche Jnteresse, höchstens eine allgemeine Bedeutung hat: es zeigt,
wie ein Mann bei uns ausschauen kann, den eine Anzahl von Gutgläubigen
Jahrelang nur großer Worte wegen als „Führer* betrachtet hat. Ueber
mancherlei Sachliches, was 'gelegentlich Lienhards hervortrat, sprech
ich ein ander Mal und ohne ihn mit hereinzuziehn. Da ich aber weder über
Lienhard im besonderen, noch über herzensfeine Standpunkte, Lwiges und
Ewigeres, Seelenzucht, Durchflammungskräfte, große Linien und andre Nebel-
Kultur Sonderhefte einrichten kann, so darf ich mich heute Gottseidank auf
seine Angriffe und Verteidigungen gegen mich beschränken.

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1. Dezemberheft
 
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