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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,1.1903-1904

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Heft 11 (1. Märzheft 1904)
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7715#0774

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(Die Netzestrickerinnen und noch ein paar Alte kommen eilig.)

Die AIte (die scheu vor dem Hause gestanden, eilt freudig er-
regt herbei): Ach vater! — nein, o vater!

Die Iunge (indem sie alls glückselig lauschen):

Hört doch klingen!

Der Alte: was klingen?

Die Iunge: Ia, von unsern Lsöh'n klingt's nieder,

Als wenn es weit aus allen Ländern käme —

Alaus: Nein, hört doch! still!

Linsiedler: lvas klingt? N)as hört ihr klingen?

Rlaus: Die Lsarfe klingt —

Die Alten: Die Lfarfe klingt hernieder,

Als wenn es eines Gottes Tröstung wäre,

Die jubelnd käme —

Die Iunge: Ljört nur, hört, die bfarfe!

Alaus (verklärt auf den Einsiedler schauend, heimlich):

Und Vater — steh doch, steh!

Die Fischerleute (treten scheu zurück. Die Männer nehmen
ehrerbietig die Mützen ab).

Der Alte (demütig): Ls ist der Rönig!

^llgerneineres.

^unäsckau.

V Außenlektüre.

Was soll der Berufsmensch lesen?
Gemeint ist hier nicht Unterhaltungs-
lektüre, auch nicht, soweit sie ernst-
hafte Kunst ist, sondern das, was wir
in den wissenschaftlichen Uebersichten
unsres Ratgebers empfehlen.

Es ist natürlich, daß der Berufs-
mensch vor allem das eigene Ge-
biet gründlich und gediegen kennen,
die Sprache seiner engeren Fachwis-
senschaft beherrschen lernen muß.
Vielleicht kommt er dahin nicht leicht,
ohne auf die Probleme der Nachbar-
gebiete geachtet zu haben. Aber bis
dahin überwiegt jedenfalls die Wich-
tigkeit der eignen Berufswissenschaft.
Es kommt indessen ein bestimmter
Punkt, wo das nicht mehr der Fall
ist. Wenn er so weit gekommen ist,
daß er ein gewisses Freiheitsgefühl
in seiner Berufswissenschaft sein eigen
nennt, daß er an die Stellen ge-
langt ist, von wo aus die Hebel an-
gesetzt werden, daß er ihre Möglich-
keiten spürt, dann glauben wir, daß
er von da an mehr durch Bücher

aus anderen Geisteswissenschaften ge-
fördert wird, als aus der eigenen.
Er darf das Eigene nicht vernach-
lässigen, aber das Fremde ist von
nun an für ihn fruchtbarer. Ro-
bertson lernte Theologie ans Hux-
leys Chemie; er war freilich damals
schon ein tüchtiger Theologe.

Erst durch solche Außenlektüre
nämlich bemerkt der Berufsmensch
znmeist, daß es nicht daranf ankommt,
sich oder andern irgend ein religiöses
oder philosophisches oder naturwissen-
schaftliches System oder irgendwelche
Aesthetik oder ein Parteiprogramm
beizubringen, sondern: aus den un-
endlich vielen und starken Kräften,
die durch das Weltall gehen, so viele
an bestimmte Zentren, „Personen",
zn bringen, als dort gnt nnd fest
kristallisiert werden können. Eine
Menge Gelehrtheiten, Aberglaubcn,
Angewöhnungen des eignen Beruss
— toter Stoff — fällt ab. Er be-
merkt ihre Lächerlichkeit jenseit von
Katheder, Kanzel, Kanzlei; der Bc-
rufsmann wird Mensch. Das We-

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