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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,1.1903-1904

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Heft 8 (2. Januarheft 1904)
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7715#0596

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Jetzt wird einmal Tage gefaulenzt, dann wollen wir sehen,
was wir gemacht haben. Ohne Zweifel das achte Weltwunder. Wenn
nur Freund Mörike in einem guten Pelz und geheiztem Wagon die
Rundfahrt um die Welt, von Stuttgart nach München, zu wagen
zu bewegen wäre. Es ist gar leicht sagen: wir packen das Zeug in
eine Kiste- wenn's aber drum und dran geht, wird Einem grün und
gelb, und ob das aufgezogene Papier die Kälte aushält ohne Schaden,
weiß der Teufel. Die Gläfer sind ohnedem hin, Gläfer, deren An-
schaffung meine mangelhaften Kenntnisse im Einmaleins bedentend ge-
fördert haben wird. Jch weiß jetzt ganz genau und für immer, daß
9-9^-8( jst. So was merkt man sich. (Schwind, f869.)

fMelusinaf findet großen Beifall. Fast komisch ist es, daß
als ganz befondere Merkwürdigkeit immer hervorgehoben wird, daß
Einem ein Schauer über den Buckel läuft bei der letzten Umarmung,
oder daß einem das Herz aufgeht, oder kurz, daß fich der Befchauer
innerlich erregt fühlt. Wer mag ein Buch lesen, oder eine Musik
hören, oder ein Drama sehen, ohne einige Erregung zu fpüren? Und
in unsrer Kunst ist es eine Rarität! Da dank ich. (Schwind, MO.)


G Erfreuliches hatdieUmfrage
nach den meistverlangten Büchern er-
geben, die auch heuervom ^Literarischen
Echo"' an eine größere Anzahl von
Leihbüchereien und Lesekreisen ge-
richtet rvorden ist. Als meistgelesene
Autoren ergaben sich Beyerlein mit
^Jena oder SedanZ Elisabeth von
Heyking mit den „Briefen, die ihn
nicht erreichtenZ Frenssen mit seinen
drei Romanen, Klara Viebig mit
dem „MüllerhannesZ Thomas Mann
mit den „Buddenbrooks" und Omp-
teda- Das bedeutet noch keinen Jdeal-
zustand, aber einen ganz wesentlichen
Fortschritt, wenn man bedenkt, daß
dieses Leihbücherei-Publikum keines-
wegs eine Auslese bedeutst, daß das
beste Publikum vielmehr sich doch
wenigstens seine eigentlichen Lieb-
lingsbücher kauft und schenkt, so daß
sie in solchen Aufstellungen nicht mit-
wirken. Das „Echo" weist darauf hin,
daß jetzt zum ersten Male kein ein-
ziges ausländisches und kein einziges
literarisch wertloses Buch unter den
meistverlangten auftrete. Selbstver-
ständlich spielen Zufälligkeiten dabei
mit, denn daß der Geschmack einer

so großen Lesermasse so schnell sich
hebe, ist ja im Ernste nicht anzu-
nehmen — ganz sicherlich aber ist das
Ergebnis doch angetan, uns allen bei
der Arbeit Mut zu machen.

G „Der Halkyonier." Ein Buch
Schlußreime von Otto Erich Hart-
leben. (Berlin, S. Fischer.)

„Der Halkyonier will
nicht neue Dinge denken,

Er will euch alten Wein
in neue Schalen schenken —
in Schalen, stolz und zier,
daß Jhr vom Trinken rastet
und sie beschaulich froh
mit Aug und Hand betastet."
Darum also handelt sich's bei Hart-
lebens neuesten Versen, bei deren
Alexandrinern er sich „heiter schmückt"
mit des Angelus Silesius ^Heiligen-
kappe", um spruchartige Ansprachen
und Selbstgespräche Eines, der nach
den Jugendstürmen die Welt nun schaut
„mii stillgewordnem Schmerz und
lächelndem Vertrauen." ^Erkenntnisse^
sind aus solchen „Bekenntnissen* nicht
zu gewinnen, Stimmungen eher. Hart-
leben hat von je manchen geärgert und
er wird dies weiter tun, wer einen

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