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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,1.1903-1904

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Heft 8 (2. Januarheft 1904)
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Avenarius, Ferdinand: Schwind
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7715#0575

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Danken wir Schwind vor allem, indem wir ihn endlich nutzen.
Wie laut ertönt überall der Ruf nach einer nationalen, nach einer im
deutschen Wesen wurzelnden Kunst. Wollen wir sie, so brauchen
wir doch auch ein Publikum, das sie trägt und aus dem ihre Künstler,
von Jugend auf mit ihrem Geiste genährt, erwachsen können. Auch im
deutschen Hause sind viele Wohnungen, ganz gewiß, nicht nur Dürer,
sondern auch Holbein war deutsch, und von den Neuen sind's nicht nur
Schwind, Richter, Thoma, sondern auch Böcklin und Klinger, und eben-
so ist es ein realistisches Genie wie Menzel. Gott behüt' uns vor Ein-
seitigkeit, wo des einen Saat nicht aufgeht, mag's die des andern
tun, brauchen tun wir sie alle. Und so ist's doch wohl sonderbar,
daß Werke wie die Erdgeister unterm Mond erst jetzt für die
Schwind-Mappe des Kunstwarts überhaupt einmal photographiert
worden sind, aber es ist noch viel sonderbarer, daß die mit hun-
dert Zungen gepriesenen Schwindschen Märchenzyklen auch heute
noch nicht in billigen Ausgaben vorliegen, nun die Fortschritte der
vervielfältigenden Technik das doch erlauben. Reden wir nicht viel
drüber, geben wir einfach die Zyklen unter Bürgschaft unsrer Stiftung
oon Kunstwartswegen neu heraus. Vielleicht ist nun die Zeit gekommen,
da unser Meister auch mit ihnen wirklich zu vielen Tausenden sprechen
wird. So allgemein, wie Richter, wird er ja nie geliebt, nie verstanden
und genossen werden. Jm eigentlichen, wie im übertragenen Sinne, er
ist nicht „holzschnittmäßig", er ist, so einfach er ist, doch noch nicht ein-
fach genug dazu. Er ist in seiner Formengebung nicht nordisch genug
dazu, der Südwind von Jtalien her ist für den Norddeutschen wenigstens
zu merklich bei ihm. Wer aber durch solch Aeußerliches durchdringen
kann, dem löst sich's auch auf. Und auch der Norddeutsche wird des
Schwindschen Singens und Sagens je länger je mehr als einiger der
allerherrlichsten Gaben an heiterer Anmut genießen, die das süddeutsche
Wesen zu unserm gemeinsamen Nationalschatz je im Lauf der Jahr-
hunderte beigetragen hat. A.

I^ose Lläller.

Kus krieken von hlorike unä von 8ck>rvinct.

B o r b e m e r kun g. Es ist bekannt, daß Mörike und Schwind
als alte Herren einander gefunden und dann bis zu Schwinds Tode
in freundschaftlichstem Verkehre gestanden haben. Man möchte sagen:
sie mußten sich schließlich finden, wenn's in der Welt einigermaßen
ordentlich zuging. Jhr Briefwechsel, von dem wir später noch sprechen,
liegt schon lange gesammelt als ein Bändchen vor, gerade zu rechter
Zeit ist nun aber der erste Band von „Eduard Mörikes Briefen"
erschienen, die Karl Fischer und Rudolf Krauß bei Otto Elsner in Berlin
herausgeben. Dort Mörike in seiner Greisen-, hier Mörike in seiner
Jugendzeit' Hier lernen wir Knabenbriefe von ihm kennen, wir lesen
Briefe von ihm als Uracher Seminaristen und als Stiftler in Tübingen,
wir erkennen die wundersame Jnnerlichkeit seiner Beziehungen zu seinen
Berwandten, wir verfolgen das Schlingen seiner Jugendfreundschaften,
das sich bei Waiblinger löst, bei Hartlaub fest fürs Leben anzieht.

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Kunstwart
 
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