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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,1.1903-1904

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Heft 12
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7715#0821

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I irevLlvr.

kunäsckau

K Heinrich von Reder feiert
nnn auch seinen achtzigsten Geburts-
tag, und unter den Alten, viel mehr
aber noch unter den Jungen Mün-
chens wird sich die Freude über des
alten „Wodans" ausdauerndes Ver-
weilen aus dieser Erde lebhast genug
bekunden. Reder gehörte schon zu
den „Krokodilen" der Geibelschen Zeit,
ward aber als Poet einer größeren
Gemeinde erst bekannt, als in den
achtziger Jahren die damaligen
Jüngstdeutschen um Conrad die in
vielem verwandte jugendfrische und
doch erfahrungsreiche Persönlichkeit
des Mannes zu schätzen lernten, der
als Soldat — Reder war Oberst —
den echtesten Lebensernst aus den
Kriegen kannte, als Maler auf das
Feinste zu sehen wußte, als Poet ein
Beherrscher der Sprache war wie nur
die besten der Jüngsten selbst und
als Mensch verständnisvoll sowohl wie
osfenherzig genug, um ein erwünsch-
ter Kritiker zu sein. Reder hat man-
ches hübsche Gedicht geschrieben und
manches gute Bild gemalt, seiue Wich-
tigkeit aber wird durch sein Selber-
arbeiten lange nicht umgrenzt. Schaut
er als alter Herr um sich, so sieht
er manchen Bund Früchte gereift,
deren Stamm er zwar nicht selber
gepflanzt, aber als einer der ersten
betreut hat. Zumal in München gab's
unter den Aelteren vor zwanzig Jah-
ren herzlich wenige, die bei der Ju-
gend von damals nicht bloß die
polternden, sondern auch die guten
Geister sahen.

G„Die Jagd nach Liebe."
Roman von Heinrich Mann.
(München, Albert Langen, 5 Mk.)

Als Heinrich Manns erster Ro-
man „Jm Schlaraffenland, ein Ro-
man unter feinen Leuten" erschien,
war man frappiert über diese saftige
Satire auf gewisse Berliner Kreise,
die sich da rücksichtslos mit Fuß-

tritten nach allen Seiten hin aus-
tobte. Sein zweiter großer Roman,
eine Trilogie, „Die Göttinnen", be-
stach durch seine sinnliche Kraft, die
fessellos aus allen Seiten loderte.
Sein neuster Roman enttäuscht der-
maßen, daß man sogar der Echtheit
der beiden andern nicht mehr traut.
„Die Jagd nach Liebe" ist eine Sa-
tire auf eine gewisse Münchner Ge-
schäfts-, Kunst- und Literaturboheme.
Kaum eine unter den vielen Gestal-
ten des Buchs, der nicht vom Autor
selbst durch ein paar beiläufige Be-
merkungen ein Steckbrief um den
Hals gehängt wird. Da ist Claude,
der Held des Romans, der hilflose
Sohn des Terrainspekulanten Ma-
rehn. Er gründet überflüssige Zeit-
schriften, veranstaltet alberne Thea-
teraufführungen, läßt Pferde rennen,
richtet sich ultramodern ein und ist
im übrigen nur dazu gut, von aller
Welt gerupft zu werden. Da ist der
lyrische Dichter Pömmerl, der „für
eine Berliner Zeitung eine Auto-
mobilfahrt durch Jtalien machte"
usw. Derartige Steckbriefnotizen, die
mit Kunst nichts zu tun haben, gehn
uns wider den Geschmack und geben
dem Ganzen von vornherein das üble
Niveau des Schlüsselromans. Aber
da sie nun einmal nach Manns
Geschmack sind, möchten sie hingehn,
wenn die Figuren nur sonst geschaut
und gestaltet wären. Das ist nicht
der Fall. Sehr bald kommt man da-
hinter, daß Mann die meisten der
Leute, die er durch seine Steckbrief-
notizen der öffentlichen Lächerlich-
keit ausliefert, offenbar gar nicht
kennt. Er weiß augenscheinlich von
den meisten unter ihnen nicht viel
mehr als die paar Cafshauswitze, die
sie selbst und gute Bekannte über-
einander machen. Es ist kaum noch
etwas Menschliches an ihnen. Was
er sie aus Grund dieses Cafshaus-

2. Märzheft tyOH

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