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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,1.1903-1904

DOI Heft:
Heft 11 (1. Märzheft 1904)
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Avenarius, Ferdinand: Zur Reichstagsverhandlung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7715#0750

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2ur Reiekstagsverkancllung.

Wir brauchen gar nicht in einen Jubelgesang auszubrechen, als
sei nnser Reichstag über Nacht das weiseste Kunstparlament geworden,
und dürfen doch sagen: der fünfzehnte und der sechzehnte Februar

sind Gedenktage für die Geschichte unsrer Kunst. Es war, als
klänge zwischen den Worten der verehrlichen Herren mitunter etwas
wie Schwalbengezwitscher durchs hohe Haus. Eine Schwalbe macht
keinen Sommer. Selbst einen Vorfrühling macht sie nicht. Ganz
die bisherige kalte Luft kann aber doch nicht wehen, wo sie sich
wohl fühlt.

Merkwürdig bleibt allerdings, wie wenig man auf allen Seiten
des Hauses über das eigentliche Wesen der Sezession unterrichtet war.
Jmmer wieder der Jrrtum, als handle sich's hier um eine ästhetische
oder gar um eine soziale „Richtung", ja, als bedeute die Sezession
die Vereinigung der modernen Jmpressionisten. Selbst in der Sezession
von Berlin sind Maler genug, die in Liebermann durchaus nur im
Geschäftlichen ihren Führer sehen und die ihn, gleich uns, als
Künstler lange nicht so hoch stellen, wie überraschenderweise sogar der
Zentrumsabgeordnete Spahn. Jnnerhalb all der deutschen Sezessionen
aber und nun gar des neuen „Künstlerbundes" haben die Jmpressionisten
nur die Bedeutung einer Richtung unter vielen. Gibt es größere
Gegensätze zu ihnen hinsichtlich des Technischen als Haider, hinsichtlich
des Geistigen als Klinger? Was hat Thoma mit Liebermann zu
tun? Was wieder Stuck oder der Lenbach-Verwandte Samberger?
Sind die Worpsweder Jmpressionisten? Jst Keller, ist Habermann,
ist Haug einer? Liegt des Grafen Kalckreuth Bedeutung in seinem
„Jmpressionismus"? Von Uhde bis zu Leistikow, L. von Hofmann
oder Schultze-Naumburg, welch ein Weg dem Gehalt wie der Ge-
staltung nach! Selbst mystische Symbolisten gehören zur Sezession.
Und Segantini stellte mit ihnen aus und Böcklin tat es. Konservatives
und radikalistisches Fühlen, Aristokratismus so oder so und Demo-
kratismus hierin oder dortdrin, moderne Technik und überlieferte, Hell-
und Dunkelmalerei, Naturalismus bis zum Aeußersten und Stilismus

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