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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,1.1903-1904

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Heft 8 (2. Januarheft 1904)
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Unsre Noten und Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.7715#0609

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<Lnsre j^oten unck VilÄer.

Wir bringen zur Erläutsrung des Rundschauartikels über die Wund e r-
hornlieder von Gustav Mahler eine Probe daraus und zwar das drei-
teilige Lied „Jch ging mit Lust durch einen grünen Wald" (Form: L/r),
das gleichzeitig wieder dartun mag, datz den Neueren die Trauben schlichten,
volkstümlichen Ausdrucks keineswegs immer zu hoch hängen, wie man uns
glauben machen will. Jn Lem entzückenden Mittelsatz in 6-äur wird die Fein-
heit der melodischen Linienführung ganz besonders auffallen. Und abermals
entsteht die Frage: Wie kommt es, datz dergleichen Lieder sast nie össentlich
gehört werden? Wie kommt es, datz dergleichen mühelos verständliche und
technisch nicht sehr anspruchsvolle Gesänge in der Hausmusik noch keine Rolle
spielen, datz elender Schund ihnen Wege und Stege versperren kann?

Unserm Schwind-Hefte vorgesetzt ist ein sehr bezeichnendes Bildnis
unsres Meisters nach Lenbach — was wir sonst noch zeigen, sind selbst-
verständlich samt und sonders Werke Schwinds. Alles Reden über einen Künstler
htlft ja nichts, wenn man ihn nicht selber vernehmen kann, man muß ihn
sehn — wie unser Richterhest ein Bilderheft wurde, so sollte auch das
Schwindheft eins werden. Aber das ging hier nicht so glatt wie dort: bei
Richter genügt es, die Holzschnitte reden zu lassen, um seine Art mannigfaltig
zu spiegeln, seine Holzschnitte, die für den Druck im Text gedacht, entworsen
und ausgesührt waren, bei Schwind dagegen mutzten wir sast alles verkleinern
und auf besondere Beilagen drucken. Jst trotz dieser „Uebersetzungen" das Ge-
samtbild klar? Wer sichs ergänzen will, wird unsre Schwind-Mappen und
die Ausgaben seiner Märchen-Zyklen zur Hand nehmen.

Um bei der Betrachtung Schwinds von Beginn an den Umfang im
Auge zu halten, den sein Schaffen erreicht, setzen wir an erste Stelle die
„Erdgeister, die den Mond anbeten" — welcher Weg von den Scherzen
der „Fliegenden" bis zu diesem mächtigen Akkorde hierl

Und nun beginnen wir ruhig mit „Kleinigkeiten". Was Schwind für
die „Fliegenden Blätter" und die „Münchner Bilderbogen" gezeichnet hat, ist
von dem Berlage Braun L Schneider zu einem stattlichen „Schwind-Album"
vereinigt worden, das in vorzüglichen Luxusdrucken an Wert natürlich Un-
gleiches, einiges aber von Schwinds Allerbestem enthält, so den lustigen Fabu-
lierbogen vom „Gestiefelten Kater". Die Schwindschen „Münchner Bilder-
bogen" sind auch als ein besonderer billiger Band zu bekommen. Wir geben
daraus den „Herrn Winter", der, den Stechpalmenkranz um die Kapuze,
mit dem Weihnachtsbäumchen nach Leuten ausschaut, die ihn brauchen können.
Ganz nahe an Ludwig Richter erinnert dann „Das Haber-Mueß", ein
Blatt zu Hebels allemanischem Gedichte, sür ein damaliges Prachtwerk — es
ist aber schon um entftanden, also älter als gerade diejenigen Bilder
Richters, an die es am meisten erinnert, und so ist Lie Verwandtschaft, soweit
sie nicht über Künstler wie den Grafen Pocci geht, sicherlich eine „Urverwandt-
schast" Auch unser nächstes Blatt zeigt sie noch. Sind diese „Sieben
Schwaben" nicht ein humoristisches Prachtstück ersten Ranges? Welch ein
Prachtvieh schon dieser Hase, als Gestalt an sich sowohl wie als „Ausdruck",
da üie Kriegsrüstung gegen ihn in Aktion tritt! Und der Spieß! Und erst
seine Träger, in der Mannigfaltigkeit ihres Wuchses, ihrer Tracht, ihrer Eigenart
und ihres Denkens doch voll Ernst zu dem großen Werke vereint. Wieder ein
Nüisel unsrer Kunstpslege: wie die „Erdgeister" noch nie vor unsrer Schwind-

5!H

Runstwart
 
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