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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,1.1903-1904

DOI Heft:
Heft 10 (2. Februarheft 1904)
DOI Artikel:
Gregori, Ferdinand: Zur Psychologie des Theaterpublikums, [2]: Beobachtungen eines Schauspielers
DOI Artikel:
Göhler, Georg: Felix Draeseke, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7715#0698

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Talkessel eingebettet sind. Konrad Lange identifiziert das Naturschöne
mit dem Kunstschönen, und in der Tat bewahrt sich das Publikum
auch vor gemalten Landschaften ein ziemlich sicheres Empfinden,
selbst im Theater. Sein Ohr weiß auch schon schlecht nnd gut ge-
sprochene Reden zu unterscheiden. So bleibt nur übrig, seine Phan-
tasie zu pflegen, die mit dem inneren Ohre und Ange ansmerkt,
seine Psyche zu verfeinern und sie dadurch für eine würdige Auf-
nahme dramatischer Kunstwerke zu bereiten. Vielleicht erleben wir
Schauspieler es doch noch, daß wir schon nach der Generalprobe sagen
können, ob's einen Erfolg, ob's einen Mißersolg geben wird.

Ferdinand Gregori.

Vraessks. 4.

(Schluß.)

Musikalisch ist die Tondichtung - so darf man sie nennen — eines der
interessantesten und eigenartigsten neueren Kunstwerke. Draeseke hat hier Dinge
versucht und mit Glück versucht, die nur ein solcher Kenner des ganzen Ton-
syftems wagen konnte. Klangverbindungsn, die so spezifisch seiner Ausdrucks-
weise angehören und so fortschrittlich sind, daß es unverständlich ist, wie man
— natürlich ohne Kenmnis seiner Werke! — behaupten kann, er sei aus einem
Lisztianer ein braver Klassizist geworden, weil er dcn Unsinn jener „üblen
Richtung" eingesehen habe.

Gar nichts derartiges hat er eingesehen, sondern immer weiter gelernt
und gearbeitet und sich nicht drum gekümmert, was die Bettelsuppenkoche um
ihn herum an Kritik gebraut haben.

Die Messe ist zu bedeutend, als daß man Einzelheiten besonders er-
wähnen könnte. Welche Wirkungen sie mit oft bewundernswert lakonischer
Ausdrucksweise erreicht, wissen hoffentlich in zwanzig Jahren die deutschen
Musikfreunde aus eigener, ost erprobter Erfahrung. Dem Komponisten wird
es freilich lieber sein, wenn sich statt an die Messe recht viele Chorleiter an
sein größtes Werk, den „Christus" wagen, der ihm als sein eigentliches
Lebenswerk gilt.

„Christus." Ein Mysterium in einem Vorspiel und drei
Oratorienl Jn dem aussührlichen Vorwort spricht Draeseke den Wunsch
aus, eine Gesamtaufführung des Werkes zu erleben. Er äußert sich gleich-
zeitig über den Charakter seines Werkes und über die Art, wie er sich die Auf-
sührung denkt.

Jch kann hier nicht ausführlich über die einzelnen Teile sprechen. Eine
gründliche Auseinandersetzung würde mehrere Einzelabhandlungen erfordern,
für die natürlich zunächst die Fachblätter die geeigneten Orte böten. Drum
hier nur einiges Allgemeine und Prinzipielle, das zugleich eine Art Gcsamt-
urteil über wesentliche Seiten von Draesekes Schaffen gibt.

Die Musik des Christus ist vielleicht mehr als die aller anderen Werke
eigenartig und eigenwillig, mit Draesekes Lieblingswendungen und Seltsam-
keiten durchsetzt, oft unverständlich für jemanden, der nach der Schablone dcr
Alten und der Neuesten — denn auch deren Kühnheiten sind zu drei Vierteilen
Schablone — jede Musik, die ihm vorkommt, beurteilt und sein Ohr nicht der
Musik, sondern diese seiner Gewohnheit solgen lassen will. Weil nun diese
Musik nicht wie das klingt, was die üblichen Referatschreiber als moderne

2. Februarheft

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