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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,1.1903-1904

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Heft 7 (1. Januarheft 1904)
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Rundschau
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Unsre Noten und Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.7715#0567

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„da die Ausbildung im Vlasen längere
Zeir m Anspruch nimmt, einige Postil-
lione die nötige Fertigkeit überhaupt
nicht erlangen und falschs Signale
störend wirken/ Zunüchst aber han-
dslt sich's nur um Bsrlin, und es gibt
mehrere Oberpostdirektionen im Reich.
Werden die andern folgen? Wenn ja,
nun so wird eben wieder ein Stück
deutscher Landschastsschönheit schwin-
den, wsil was Zahrhundert auf Jahr-
hundert ohne weiteres gegangsn ist,
heute Lei sortgesch'ittensr Zivilisation
zu schwierig wird, und wir werden
uns zur Velebung der Landstraßen
künftig mit Dampfgepseis und Auto-
mobilgekeuch begnügen. «.Da die Aus-
bildung im Blasen längere Zeit in
Anspruch nimmt." Ein schöner Trost
bleibt allerdings: Wenn wir das
Posthorn draußen nicht mehr hören,
wo's am Leben war, werden wir's
erst recht in unsrer Musik ausdrahten,
um mit Rührung im Opernhause
anzuhören, was draußen vergehen
„mußte".

Nicht nur vom Standpunkle der
Drahtkultur aus ist die Entwicklung
betrachtenswert. Wir töten die male-
rische Schönhsit unsrer Städte und
Dörfer, wir verderben die Schönheit
unsrer Wälder, wir verwandeln unsre
Straßen und Wege zu Linealen, wir
treiben sorgsältig alle guten Geister
aus, üie da singen und sagen, das
Leben bestehe noch aus mehr, als unsre
Bureauweisheit sich träumen läßt —
alles das nur aus „prakrischen" Grün-
den, also doch wohl der höheren Glück-
seligkeit zulieb. Dann aber verwun-
dern wir uns darüber, daß die Freude
an der Heimat, daß das Vaterlands-
gesühl ermüdet. Geht das so wsiter,
so braucht's vielleicht ksinsr Sozial-
demokratie, um das vielgeschmähte
-große Zuchthaus" zu errichten, an
dem wird schon von der heutigen Ge-
sellschaft von ihrem schönen grünen
Tische aus wacker gebaut.

G Erläuterungstaseln für
Straßennamen.

Zn DreLden hat man bsschlossen,
in den Straßen, die nach Personen
genannt sind, künstig je an ihren
erstem Hause eine Tasel mit ein
paar Worten anzubrmgen, die sagen,
was der war, nach dem die Straße
heißt, und wann er lebte. Zum
Beispiel bei der Kellerstraße: „Diese
Straße ist genannt nach Gott-
sried Keller, Dichter, gestorben in
Zürich Dresden kommt damit

als erste Stadt in Deutschland einem
Wunsche nach, der vom „Allgemeinen
deutschen Sprachverein" ausgeht. Man
schließt jetzt an diese Mitteilung die
ebensalls alte Bitte, die Straßen mit
kurzen Namen zu belegen, z. B- statt
„Kaiser Wilhelm-Straße" nur „Wil-
helmstraße" zu sagen, zumal man ja
nun das Weitere der Tafel überlassen
könne. Auch das ist sicherlich ein-
leuchtend, wir aber möchten an etwas
erinnern, was uns noch viel wichtiger
scheint. Wir alle sind doch gewiß da-
für, alte „historische" Straßennamen
zu erhalten, solche Namen, die nicht
gelegentlich neuer Bebauungen vom
grünen Tisch aus „verliehen", sondern
die dereinst wirklich entstanden
sind, die sich gebildet haben, gebil-
det, weil sie die Oertlichkeit bezeich-
neten, beschrieben. Das unge-
lehrte Volk nun weiß heutzutage nichts
mehr damit anzufangen, wenn es z. B.
in und um Dresden „Elbleithe" liest
oder „Brüdergasse" oder „Frohngasse"
oder „Zahnsgasse" (Sanitätsgasse)oder
„Am See", wo kein Wasser ist, oder
in Berlin „Stechbahn" usw. Die
Namen werden ihm unverständlich
oder sie sind's schon geworden, und
durch ein Dekret von oben wird dann
am Ende abgeschasst, was den Heimats-
sinn lebhast besruchten könnte. Hier
wären Erläuterungstaseln unsrer Mei-
nung nach am allerdringendsten am
Platze.


t. Zanuarheft
 
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