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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,1.1903-1904

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Heft 2 (2. Oktoberheft 1903)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7715#0120

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läßt, entrollt er ein farbenpräch-
tiges Bild aus der Hohenstaufen-
zeit und aus dem Leben der ritter-
lichen Minnesünger. Durch alle seine
Epen aber schlingt sich eine goldene
Kette prächtiger lyrischer Gedichte
in wechselnden Tonarten. Wie ge-
wandt I. Wolsf zu erzählen ver-
steht, beweist sein l883 erschienenes
Werk „Der Sülsmeister" (d. h.
Salzpächter), ein geschichtlicher
Roman, der um das Jahr
also zu Ausgang des Mittelalters,
in Lüneburg spielt und den Kampf
der Zünfte mit dem Rate der Stadt
und dem Adel um die höchsten
Bürgerrechte schildert. Das neueste
Werk des Dichters ist „Die Hoh-
königsburg, eine Fehdegeschichte
aus dem Wasgau".

Es folgte auf diese Schilderung
die Charakteristik zweier auch nicht
ganz Unbekannter. Wieder in Original-
schrift und Größe:

„Gerhart Hauptmann, geb.
15. Dezember 1862 in Salzbrunn,
Dichter der Dramen: „Die Weber" —
„Hannele" — „Einsame Menschen" —
„Die versunkene Glocke".

Detlev von Liliencron, geb.
5. Juni 18H4 in Kiel, der namentlich
als Lpriker viel Ursprüngliches hat."

Damit sind Hauptmann und Lilien-
cron also abgemacht. Wann wird
dieses Buch abgemacht sein? Wie viele
Auflagen werden nach seiner vierund-
dreißigsten nochdie jugendlichenSeelen,
wie es im Vorworte heißt, „in die
Schätze deutschen Gsistes und deutschen
Gemütes" einführen? Wo man aus
Schlendrian den Schmarren noch dül-
det, wann endlich wirft man ihn
hinaus? A.

G Schreibende Frauen be-
streiten heute bekanntlich weitaus den
größeren Teil unserer Unterhaltungs-
literatur, und sie verweisen auf diesen
ihren vermehrten Anteil am geistigen
Leben mit einigsr Genugtuung. Die
Kritik darf in der Tat feststellen, daß
die Frauenromane nicht nur zahl-

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reicher, sondern im allgemeinen auch
besser geworden sind innerhalb der
letzten zehn bis zwanzig Jahre. Frei-
lich muß ich bekennen, daß meiner Be-
obachtung nach gerade die begabteren
Frauen nach einigen guten, manchmal
sogar ungewöhnlichen Versuchen auf
einen „toten Punkt" zu geraten pflegen,
wo bei ihnen an die Stelle des Schaffens-
dranges der literarische Ehrgeiz tritt.
Und dann geht es meist recht bunt
oder auch böse mit dem Wollen und
Können durcheinander. Da rütteln
einige krampfhaft an der Welt und
verlieren darüber das eigene Gleich-
gewicht. Andern wird das Schreiben
zur Gewohnheit, sie glauben sich Buch
um Buch schuldig zu sein, und so
merken sie kaum, wie sie von der Muse
ab und dsm Romanteufel anheim-
fallen. Alles Fehler, die bei den
Männern freilich ebenso häufig vor-
kommsn.

Jlse Frap an-Akunian erzählt in
ihrem Romane „Arbeit" (Berlin, Gebr.
Paetel) von einer Frau, die durch Ar-
beit zum Menschen wird in höherem
Sinne. Der Gatte, ein Arzt, wird eines
Verbrechens wegen zu jahrelanger
Zuchthausstrafe verurteilt. Josefine,
die ohne rechte Liebe zwar, aber aus
Gerechtigkeit an ihm festhält, studiert
und tritt ihm bei seiner Wiederkehr
als völlig Unabhängige, als Erhalterin
der Kinder und nun auch seiner selbst
entgegen. Eine wahrhafte Neigung zu
einem andern hat sie, demselben Drange
nach Gerechtigkeit folgend, niederge-
kämpft. Der Doktor, durch die Hast
auch geistig und sittlich entkräftet, vege-
tiert nun an ihrer Seite haltlos da-
hin; die Kinder entfremden sich ihr.
Sie findet nach mancherlei Zweifeln
Trost in ihrem Wissen und Tun für
das Wohl der Allgemeinheit.

Dieser Roman von der emanzipier-
ten Frau hinterläßt keinen erfreulichen
Eindruck. Die Entwicklung der Heldin
beruht meines Erachtens von Anfang
an auf der sehr gewagten Voraus-

Runstwart
 
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