Ernst Kreidolf, Wurzelkobold. Aus den „Schwätzchen" (Köln, Schafstein).
Wer nach solchen Grundsätzen auswählt, kann freilich keinen bogenstarken
Katalog bieten. Aber eine der traurigsten Ursachen der Verslachung, die nicht
selten schon in der Jugend ihren Ursprung hat, ist ja eben die Vielleserei.
Sollte nicht auch sie am sichersten behoben werden, wo Eltern und Kinder sich
an demselben Kunstwerk erfreuen können? Wer einmal mit einem jungen
Freunde vor eine Landschaft getreten ist, deren Zauber er schon als liebe Er-
innerung in sich trug, wird zustimmen. Gemeinsames Erlebnis bedeutet
hier Vertiefung für beide Teile. So ist denn der geringe Umfang der
folgenden Auswahl gewollt.
Wenn in Deutschland überhaupt die meisten Bücher zu Weihnachten ge-
kauft werden, so gilt das von den Jugendschriften fast ausschließlich und da
wieder vor allem von den Bilderbüchern. Die Kleinen zu erfreuen ist ja
für uns Erwachsene des Weihnachtsfestes schönste Gabe. Ja, wenn da die Aus-
beute an echten Kunstwerken, die in Farbe, Zeichnung und künstlerischem Wollen
eine einigermaßen ernste Kritik bestehen können, nur etwas größer wäre! Ueber
allen Zweifel erhaben sind eigentlich nur die „Alten": Ludwig Richter, der
für Familien- und Kinderstube Einzige, mit seinem „Vaer de Gaern, „Aus
dem Kinderleben", seinen Jllustrationen zu Grimms und Bechsteins Märchen,
zu Reinicks „Märchen-, Lieder- und Geschichtenbuch", zu Scherers „Deutschem
Kinderbuch", u. v. a. Der Künstler soll dem deutschen Volke noch wieder-
geboren werden, der seinem Gemüte so nahe steht! Ludwig Richter veraltet nie,
trotz aller wechselnden Technik oder äußeren Erscheinung des Lebens; er ist uns
noch ganz, was er war. Es ist uns eine ganz besondere Freude, in diesem
Jahr zum erstenmal auf ein billiges Richterbuch hinweisen zu können. Bei
Dürr ist eine „Ludwig-Richter-Gabe" zum Preis von 1 Mk. erschienen, die eine
Auswahl von 16 Bildern enthält. (Das Vorwort von Avenarius ist nicht für
Kinder gedacht, der Leipziger Lehrerverein hat aber „Bildbesprechungen" für
Kinder als besonderes Heft dazu herausgegeben.) Der zweite bedeutende Meister
des Kinderbuchs istOtto Speckter; seine Bilder zu den Heyschen „Fabeln" sind
ja auch überall verbreitet, ein „Katzenbuch" und ein „Vogelbuch" mit Speckter-
schen Bildern hat Falke mit liebenswürdigen Versen herausgegeben, sein schon
der Technik nach von allen am feinsten und liebevollsten durchgeführtes Kinder-
buch, den „Gestiefelten Kater", hat Avenarius mit einem neuen lustigen Texte
als eine der billigen Kunstwart-Unternehmungen der Allgemeinheit wieder ge-
wonnen; seine seinsinnigen Bilder zu Andersen sinden wir in einer Auswahl von
Andersens Märchen, und in diesem Jahr sind seine 12 Bilder zu „Brüderchen und
Schwesterchen" neu erschienen. Oskar Pletsch, der dritte bekannte jener alten
Herren, reicht an Bedeutung weder an Speckter noch gar an Richter heran; seine
Phantasie und damit Lebensfülle ist ungleich geringer, seine Auffassung ungleich
2. Novemberheft fyoz
3(7
Wer nach solchen Grundsätzen auswählt, kann freilich keinen bogenstarken
Katalog bieten. Aber eine der traurigsten Ursachen der Verslachung, die nicht
selten schon in der Jugend ihren Ursprung hat, ist ja eben die Vielleserei.
Sollte nicht auch sie am sichersten behoben werden, wo Eltern und Kinder sich
an demselben Kunstwerk erfreuen können? Wer einmal mit einem jungen
Freunde vor eine Landschaft getreten ist, deren Zauber er schon als liebe Er-
innerung in sich trug, wird zustimmen. Gemeinsames Erlebnis bedeutet
hier Vertiefung für beide Teile. So ist denn der geringe Umfang der
folgenden Auswahl gewollt.
Wenn in Deutschland überhaupt die meisten Bücher zu Weihnachten ge-
kauft werden, so gilt das von den Jugendschriften fast ausschließlich und da
wieder vor allem von den Bilderbüchern. Die Kleinen zu erfreuen ist ja
für uns Erwachsene des Weihnachtsfestes schönste Gabe. Ja, wenn da die Aus-
beute an echten Kunstwerken, die in Farbe, Zeichnung und künstlerischem Wollen
eine einigermaßen ernste Kritik bestehen können, nur etwas größer wäre! Ueber
allen Zweifel erhaben sind eigentlich nur die „Alten": Ludwig Richter, der
für Familien- und Kinderstube Einzige, mit seinem „Vaer de Gaern, „Aus
dem Kinderleben", seinen Jllustrationen zu Grimms und Bechsteins Märchen,
zu Reinicks „Märchen-, Lieder- und Geschichtenbuch", zu Scherers „Deutschem
Kinderbuch", u. v. a. Der Künstler soll dem deutschen Volke noch wieder-
geboren werden, der seinem Gemüte so nahe steht! Ludwig Richter veraltet nie,
trotz aller wechselnden Technik oder äußeren Erscheinung des Lebens; er ist uns
noch ganz, was er war. Es ist uns eine ganz besondere Freude, in diesem
Jahr zum erstenmal auf ein billiges Richterbuch hinweisen zu können. Bei
Dürr ist eine „Ludwig-Richter-Gabe" zum Preis von 1 Mk. erschienen, die eine
Auswahl von 16 Bildern enthält. (Das Vorwort von Avenarius ist nicht für
Kinder gedacht, der Leipziger Lehrerverein hat aber „Bildbesprechungen" für
Kinder als besonderes Heft dazu herausgegeben.) Der zweite bedeutende Meister
des Kinderbuchs istOtto Speckter; seine Bilder zu den Heyschen „Fabeln" sind
ja auch überall verbreitet, ein „Katzenbuch" und ein „Vogelbuch" mit Speckter-
schen Bildern hat Falke mit liebenswürdigen Versen herausgegeben, sein schon
der Technik nach von allen am feinsten und liebevollsten durchgeführtes Kinder-
buch, den „Gestiefelten Kater", hat Avenarius mit einem neuen lustigen Texte
als eine der billigen Kunstwart-Unternehmungen der Allgemeinheit wieder ge-
wonnen; seine seinsinnigen Bilder zu Andersen sinden wir in einer Auswahl von
Andersens Märchen, und in diesem Jahr sind seine 12 Bilder zu „Brüderchen und
Schwesterchen" neu erschienen. Oskar Pletsch, der dritte bekannte jener alten
Herren, reicht an Bedeutung weder an Speckter noch gar an Richter heran; seine
Phantasie und damit Lebensfülle ist ungleich geringer, seine Auffassung ungleich
2. Novemberheft fyoz
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