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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,1.1903-1904

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Heft 11 (1. Märzheft 1904)
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Unsre Noten und Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.7715#0790

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Was anderes könnte uns bewegen, uns mit diesem Machwerk zu be-
fassen, als die wertvolle Musik, die Zumsteeg dazu geschrieben hat, und
worin er ein außerordentliches Talent für die Schilderung des Gespenstischen,
Nnheimlichen bekundet. Der Komponist hielt sich eben nicht an das schwache,
seder Anschaulichkeit und Gestaltung bare Gedicht, sonderu suchte für das
Stoffliche, die darin enthaltcnen Vorstellungen Töne zu finden. Jeder hört
auch leicht heraus, wie diese Musik auf Schubert („Des Mädchens Klage")
gewirkt hat.

Zu Ehren Kants nach einer vorzüglichenPhotogravüre aus Bruckmanns
Porträtwerk ein Bildnis von Döbler, man darf hier einmal sagen: wirklich
ein Bildnis serner Gestalt, seines Angesichts und seiner Persönlichkeit. Denn
von den gewaltigen Augen über die unscheinbare Gestalt bis zu den gleichgültig
hingelegten Händen ist alles lebendig darin. Und nun noch zwei Bilder zum
Abschied vom Winter, eh er sich Zn ferne Berge zurückzieht". Kampmanns
„Jm Zwielicht", das der Leser vom Karlsruher Künstlerbunde in einer grötzeren
Lithographie beziehen kann, möchten wir ihm als ein feines Werklein ans Herz
legen. Ja nicht an die Augen — es geht in seiner stillen Poesie nur dem auf,
der's aus eine gute Entfernung hin in der Hand hält und so ruhig eine kleine
Weile lang auf fich einwirken läßt. Dann fangen die gelagerten matt schim-
mernden Flächen an mit den aufrecht stehenden schattenhaften Bäumen in
Wechfelwirkung zu treten, und bald summen diese beiden Elemente des Bildes
miteinander durchs Auge zum Fühlen eine leise Melodie, eine ganz leise, eine
Begleitung sozusagen zu dem Lichtgetön aus den goldigen Fenstern oon den
Menschen her. Erst wsnn wir das hören, haben wir des Bildes Seele. Aus
Erler-Samadens Engadin-Bild tritt eine ganz andere Wirkung hervor. Nach
dem freundlich milden, fast möchten wir sagen: dem idyllischen Winter der
harte, der herrische, der über den Wohnstätten der Menschen lastet, als wollt'
er sie zu Särgen machen, erdrückend, unbewegt, datz ein heimliches Räuchlein
ganz gerade hinaufzittert, während die ungeheure Bergeinsamkeit rings
herein schaut. Wie das alte Turmgemäuer vorn mit dem seltsamen Stein-
getier die Stimmung des Beschauers gleichsam leitetl Aber Las Bild
hat auch außerordentliche Jllusionskraft. Wer dem nachgehen will, der schneide
sich aus einem dunkeln Blatt ein etwa drei Zentimeter langes Rechteck in Form
des Bildes aus und isoliere sich dieses, indem er das Rechteck nah vors Auge
hält — er wird erstaunen, wie perspektivisch das Bild dann selbst in der Repro-
duktion noch wirkt.

Berantwortlich: der Herausgeber Ferdinand Avenarius in Dresden-Blasewitz. Mitleitende:
für Mufik: vr. Richard Batka in Prag-Weinberge, für bildende Kunst: Prof. Paul Schultze-
Naumburg in Saaleck bei Kösen in Thüringen. — Sendungen für den Text an den Herausgeber,
über Musik an vr. Batka. — Druck und Verlag von Georg D. W- Callwey in München.
Bestellungen, Anzeigen und Geldsendungen an den Verlag Georg D- W. Callwey tn München.
 
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