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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,1.1903-1904

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Heft 12
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Avenarius, Ferdinand: Heimatschutz
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https://doi.org/10.11588/diglit.7715#0796

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i7.Dlik(Z.

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„Unaufhaltsam, unablässig, allgewaltig drängt die Zeit" — wer
all die Hemmungen bedenkt, die eine große geistige Bewegung zu über-
winden hat, der wird immer wieder über die lebendige Kraft erst staunen
müssen, die der Gedanke der ästhetischen Kultur in diesen Jahren zeigt.
Zwar gibt es für reiselnstige Gesühle keine einflußreicheren Weichen-
steller als die Mode, die den Zug heute nach Osten und morgen nach We-
sten fahren läßt, das aber ist eben das Wundersame, daß die in der Mode
angeregte Bewegung wirklich nicht nur in die Breiten, sondern auch
in die Tiesen zu dringen scheint. Selbstverständlich nicht überall, selbst-
verständlich nur hier und da, aber schon das muß jedem genug scheinen,
der mit den Dingen rechnet, wie sie sind. Wie unsicher, wie tastend
an der Außenfläche waren selbst unter den Fachleuten noch die ersten
Gedanken zur Verbesserung! Wünsche nm Heranziehung der heimischen
Pslanzen statt des Akanthus zu dem in seiner eigenen Wichtigkeit
noch gar nicht angezweifelten Ornament — mit bescheidenen Vor-
schlägen solcher Art keimte vor Jahrzehnten in verlorenen Samen-
körnern da und dort zuerst der neue Geist. Dann Wünsche nach
besserenl Zeichenunterricht als Schulung im Sehen, Spott über die
Hetze von Stil zn Stil bei Kunst- und Baufreunden, erneute Betonung
der wirtschaftlichen Bedeutung der Kunstindustrie, Hinweise auf die
technischen Errungenschaften der Maler in Frankreich. Und wieder
eine Periode: Fordernng des Kunstgenusses für alle, der billigen Publi-
kationen, der Erziehung zum Knnstgenuß. Alles hochwichtige und, vor-
treffliche Dinge, die Keiner wird ausgeben woklen, aber alles nur
Mittel zum Zweck. Das letzte sah man an den meisten Stellen noch
gar nicht. Kunst als Sprache des Ethischen ward noch in diesen Jahren
immer nur von wenigen ersaßt. Und auch Kunst als Führerin zur
Natur ward selbst aus dem Dresdner „Kunsterziehungs"tage kaum
noch gestreift. Aber im Stillen wächst die Schaar derer, denen Kunst
um der Kunst willen auch nicht höher gilt als ein seinerer Sport, die
nicht nur zur Knnst, die durch die Knnst wollen, weil sie's nach
Leben verlangt. Und nun sind wir auch so weit, daß am 30. März

2. Märzheft 1904

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