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Einleitung
Der Forschungsstand
Albrechts II. Biographie wirft mit ihren vielen für damalige Fürsten ganz charakteristi-
schen" und mit ihren mehr oder minder singulären" Zügen fast zwangsläufig die Frage
nach den Spielräumen fürstlichen Handelns im Mittelalter auf, gerade wenn man den
Erfolgen seiner Regierungszeit das zeitgleich kaum zutage tretende Wirken der mit ihm
verwandten Herren von Werte" oder die weitere, von »Erschöpfung und inneren
Wirren«" gekennzeichnete Entwicklung fürstlicher Herrschaft in Mecklenburg nach Al-
brechts Regierungszeit gegenüberhält. Und genau diese Frage nach den Möglichkeiten
und Grenzen oder auch den Koordinaten fürstlichen Handelns im Mittelalter steht im
Mittelpunkt der folgenden Untersuchung.
Die Frage nach den Koordinaten mittelalterlich-fürstlicher Politik ist keine unbe-
dingt neu gestellte. Ludwig Petry etwa erklärte schon 1955, teilweise in Fortführung von
Ansätzen Hermann Aubins, die Geschichte des pfälzischen Raums - natürlich unter
»Erfassung des genealogischen Lebensraumes« - als Ergebnis eines »politischen Kräfte-
spiels« miteinander verflochtener Nachbarlandschaften, das eine eigene Territorialdy-
namik entfaltet habe!" Das Bild vom »politischen Kräftespiel« benachbarter Räume, das
seitdem immer wieder in mediävistischen Darstellungen zur Veranschaulichung von
Funktionsweisen der Politikgestaltung im mittelalterlichen Reich dient", entwickelte
Alois Gerlich weiter zur Vorstellung »interterritorialer Systembildung«, die durch den
Fortbestand einer gewissen Anzahl sich einander überlagernder Kategorien charakteri-
siert gewesen sei, wozu er wiederum dynastische Elemente (Heiratspolitik und Bünd-
niswesen) als mitbestimmende Faktoren rechnete!" Kurz zuvor hatte Peter Moraw,
wnr e;'n Fürst aon soH&r&nrer KtMgtietf, Jn wocti uersciwMfzfer Hs sein Herr VHer; uenniffetsf dessen,
Hiss er d;'e RHiHr Mud deren Be7?er&erger ??n'f Eener uer/otgte nnd zn?n Ge^orsnm Hnciife, erwnr& er &ei/
denen Nnc/AoMnnen eine /;errdd;en Nnmen [...], hier nach RörcKE 1995, S. 106. - Siehe zum Nach-
ruhm z. B. auch BoRCHARDT 1991, S. 16.
6 Z. B. die Vormundschaftszeit, das Vorhandensein von Geschwistern und mehreren Kindern, die
Probleme herrschaftlicher Durchdringung des eigenen Herrschaftsbereichs, die Bedrohung
durch Hegemonialmächte und feindliche Nachbarn usw.
7 V. a. die Herzogserhebung und der Erwerb einer Königskrone für das eigene Haus.
8 Dazu grundlegend nun RucHHÖFT 2006.
9 So MÜNCH 2000, S. 45.
10 PETRY 1955, bes. S. 81,96, 98. - Interessant und fruchtbar zugleich ist die schon damalige Kombi-
nation des Bildes vom »Kräftespiel« mit der im Prinzip durch Aubin gemeinsam mit Theodor
Frings und Josef Müller begründeten (Kultur-)Raumforschung, welche sich in dem Gedanken
der »Nachbarlandschaften« widerspiegelt.
11 So beschreibt etwa WEiNFURTER 1992, S. 21 die Verfassung des hochmittelalterlichen Reiches als
»Regelsystem im Zusammenwirken - oder Gegeneinanderwirken - verschiedener Kräfte im
Machtgefüge des Reiches«. - Auch PETERSOHN 1979 nimmt den südlichen Ostseeraum »im
kirchlich-politischen Kräftespiel des Reichs, Polens und Dänemarks vom 10. bis 13. Jahrhun-
dert« in den Blick.
12 GERLICH 1986, S. 303ff. u. 309f. Unter dem Begriff »System« will Gerlich nicht einen determinier-
ten Ablauf von Entwicklungen bis hin zu einem unveränderlichen Endzustand verstanden wis-
sen. »... dies kann nicht in einer Gesetzmäßigkeit verstanden werden, wie sie naturwissen-
schaftlichen Methoden eigen ist. Die Variabilität menschlichen Wollens und die oft anzutreffende
Unberechenbarkeit im Handeln von einzelnen. Verbänden und Schichten lassen nie ein festes
Netz von Koordinaten zu, in das man Einzelfakten oder Trends einordnen und so ein für alle-
mal festlegen könnte. In der historischen Entwicklung gibt es Kategorien unterschiedlichster
Kraft der Daseinsformung« (S. 303f.). Die Vorstellung von »interterritorialen Systembildungen«
hegt sowohl Gerlichs konziser Studie zu den Häusern Habsburg, Luxemburg und Wittelsbach
im Kampf um die deutsche Königskrone zugrunde (DERS. 1960) als auch und mehr noch seiner
Einleitung
Der Forschungsstand
Albrechts II. Biographie wirft mit ihren vielen für damalige Fürsten ganz charakteristi-
schen" und mit ihren mehr oder minder singulären" Zügen fast zwangsläufig die Frage
nach den Spielräumen fürstlichen Handelns im Mittelalter auf, gerade wenn man den
Erfolgen seiner Regierungszeit das zeitgleich kaum zutage tretende Wirken der mit ihm
verwandten Herren von Werte" oder die weitere, von »Erschöpfung und inneren
Wirren«" gekennzeichnete Entwicklung fürstlicher Herrschaft in Mecklenburg nach Al-
brechts Regierungszeit gegenüberhält. Und genau diese Frage nach den Möglichkeiten
und Grenzen oder auch den Koordinaten fürstlichen Handelns im Mittelalter steht im
Mittelpunkt der folgenden Untersuchung.
Die Frage nach den Koordinaten mittelalterlich-fürstlicher Politik ist keine unbe-
dingt neu gestellte. Ludwig Petry etwa erklärte schon 1955, teilweise in Fortführung von
Ansätzen Hermann Aubins, die Geschichte des pfälzischen Raums - natürlich unter
»Erfassung des genealogischen Lebensraumes« - als Ergebnis eines »politischen Kräfte-
spiels« miteinander verflochtener Nachbarlandschaften, das eine eigene Territorialdy-
namik entfaltet habe!" Das Bild vom »politischen Kräftespiel« benachbarter Räume, das
seitdem immer wieder in mediävistischen Darstellungen zur Veranschaulichung von
Funktionsweisen der Politikgestaltung im mittelalterlichen Reich dient", entwickelte
Alois Gerlich weiter zur Vorstellung »interterritorialer Systembildung«, die durch den
Fortbestand einer gewissen Anzahl sich einander überlagernder Kategorien charakteri-
siert gewesen sei, wozu er wiederum dynastische Elemente (Heiratspolitik und Bünd-
niswesen) als mitbestimmende Faktoren rechnete!" Kurz zuvor hatte Peter Moraw,
wnr e;'n Fürst aon soH&r&nrer KtMgtietf, Jn wocti uersciwMfzfer Hs sein Herr VHer; uenniffetsf dessen,
Hiss er d;'e RHiHr Mud deren Be7?er&erger ??n'f Eener uer/otgte nnd zn?n Ge^orsnm Hnciife, erwnr& er &ei/
denen Nnc/AoMnnen eine /;errdd;en Nnmen [...], hier nach RörcKE 1995, S. 106. - Siehe zum Nach-
ruhm z. B. auch BoRCHARDT 1991, S. 16.
6 Z. B. die Vormundschaftszeit, das Vorhandensein von Geschwistern und mehreren Kindern, die
Probleme herrschaftlicher Durchdringung des eigenen Herrschaftsbereichs, die Bedrohung
durch Hegemonialmächte und feindliche Nachbarn usw.
7 V. a. die Herzogserhebung und der Erwerb einer Königskrone für das eigene Haus.
8 Dazu grundlegend nun RucHHÖFT 2006.
9 So MÜNCH 2000, S. 45.
10 PETRY 1955, bes. S. 81,96, 98. - Interessant und fruchtbar zugleich ist die schon damalige Kombi-
nation des Bildes vom »Kräftespiel« mit der im Prinzip durch Aubin gemeinsam mit Theodor
Frings und Josef Müller begründeten (Kultur-)Raumforschung, welche sich in dem Gedanken
der »Nachbarlandschaften« widerspiegelt.
11 So beschreibt etwa WEiNFURTER 1992, S. 21 die Verfassung des hochmittelalterlichen Reiches als
»Regelsystem im Zusammenwirken - oder Gegeneinanderwirken - verschiedener Kräfte im
Machtgefüge des Reiches«. - Auch PETERSOHN 1979 nimmt den südlichen Ostseeraum »im
kirchlich-politischen Kräftespiel des Reichs, Polens und Dänemarks vom 10. bis 13. Jahrhun-
dert« in den Blick.
12 GERLICH 1986, S. 303ff. u. 309f. Unter dem Begriff »System« will Gerlich nicht einen determinier-
ten Ablauf von Entwicklungen bis hin zu einem unveränderlichen Endzustand verstanden wis-
sen. »... dies kann nicht in einer Gesetzmäßigkeit verstanden werden, wie sie naturwissen-
schaftlichen Methoden eigen ist. Die Variabilität menschlichen Wollens und die oft anzutreffende
Unberechenbarkeit im Handeln von einzelnen. Verbänden und Schichten lassen nie ein festes
Netz von Koordinaten zu, in das man Einzelfakten oder Trends einordnen und so ein für alle-
mal festlegen könnte. In der historischen Entwicklung gibt es Kategorien unterschiedlichster
Kraft der Daseinsformung« (S. 303f.). Die Vorstellung von »interterritorialen Systembildungen«
hegt sowohl Gerlichs konziser Studie zu den Häusern Habsburg, Luxemburg und Wittelsbach
im Kampf um die deutsche Königskrone zugrunde (DERS. 1960) als auch und mehr noch seiner