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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0032

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1.1 Der südliche Ostseeraum und sein äußeres Umfeld

17

Handeln und Verhalten der Fürsten konnte Konflikte aktiv heraufbeschwören; oder es
galt auf Offensiven von außen zu reagieren. Auf die jeweiligen Herausforderungen und
zwangsläufigen Unwägbarkeiten der Konflikte mußte wiederum angemessen geant-
wortet werden oder man mußte ihnen gleich vorab, sowohl in der Aggressoren- wie der
Defensorenrolle, Vorbeugen, was z.B. Einungen, Erbverbrüderungen, Freundschafts-
verträge und Schutzbündnisse mit anderen Nachbarmächten oder auch vasallitische
Verhältnisse in Anlehnung an eine übergeordnete Schutzgewalt gewährleisten konnten.
Sie schränkten die Handlungsfreiheit für die gegenwärtig wie zukünftig Handelnden
in der einen oder anderen Richtung aber gleich schon wieder ein.
Doch fragen wir nun konkret nach den Grundbedingungen des äußeren Raums:
Das vorhin kurz angedeutete Ausbleiben einer eigenen Nationsbildung der Nordwest-
slawen, stattdessen vielmehr die Integration ihres Siedlungsgebietes in das Reich in
Form von selbständigen, von slawischstämmigen Dynastien gelenkten Territorien »war
kein einer inneren Logik gehorchender Prozeß«, sondern nicht vorhersehbares Ergebnis
des jahrhundertelangen Ringens^ dieser Slawen und ihrer Erben mit den Nachbarmäch-
ten, mit Dänemark im Norden und Nordwesten, dem Reich und seinen Partikularmäch-
ten Sachsen und dann vor allem Brandenburg in Süd-Südwest sowie Polen und teilweise
auch dem Deutschen Orden im Osten. Diese bemühten sich in gegenseitiger Konkur-
renz und mit zeitlich wechselnder Vehemenz um einen möglichst weitgehenden Zugriff
auf dieses Gebiet, das sie offensichtlich, gerade auch seines anfangs noch heidnischen
Status wegen, als Reservoir für ihren eigenen Machtzuwachs auf faßten."' Die Spann-
breite dieser Zugriffe schwankte zeitlich-quantitativ und vor allem qualitativ lange
enorm, reichte von der Etablierung lockerer Lehnsverhältnisse"" bis hin zur Ausübung
direkter Herrschaft^. Bis zum 15. Jahrhundert, in dem ganz allgemein nach Jahrhunder-
ten einer sehr bewegten Territorialgeschichte eine gewisse Beruhigungsphase in der
Entwicklung der territorialen Einheiten eintrat und diese eine nunmehr verfestigte
Konsistenz erlangten^, bestand dabei jedesmal die Möglichkeit, daß die Herrschafts-
komplexe der slawischstämmigen Fürsten ganz von der Bildfläche des historischen Ge-
schehens verschwanden. Im allgemeinen Reichskontext wurde der Abtritt vom politisch
relevanten Geschehen in der Regel durch den biologischen Zufall oder auch noch durch
Bankrott verursacht, weniger offensichtlich durch kriegerische Auseinandersetzun-
gen.^ Im Falle der ehemals slawischen Fürstentümer spielten demgegenüber das Aus-
sterben der Dynastie, wenn man an das Ende des ursprünglich ostpommerschen Her-
zogtums Pommerellen zum Ausgang des 13. Jahrhunderts^ oder des selbständigen
Fürstentums Rügen 1325'" denkt, und bewaffnete Konflikte - erinnert sei an die Ereig-

47 Dazu mit Blick auf die gesamte Ostsee auch HOFMEISTER 1960. Zitat aus MÜNCH 1995a, S. 27.
48 Sinngemäß so auch PETERSOHN 1979, S. 1. - Für Pommern ebenso WERNiCKE 1997.
49 So ist die Lehnsnahme Bogislaws I. 1181 in Lübeck zu interpretieren. Barbarossa konnte keine
dauerhaft wirksame Lehnsherrschaft etablieren, Dänemark löste die Oberhoheit des Reichs be-
reits 1185 wieder ab. Dazu kurzgefaßt PETERSOHN 1983, S. 105-107 und die entsprechenden Aus-
führungen im Abschnitt IV.2.1.
50 Eine solche errichtete König Erich Menved zu Beginn des 14. Jahrhunderts z.B. über das Land
Rostock. Siehe dazu etwa MoHRMANN 1972, S. 84ff.; HAMANN 1968, S. 162f.
51 MEUTHEN 1996, S. 27ff., 134ff.; SCHUBERT 1996, S. 107. - Siehe zum Vorgang auch DERS. 1999.
52 Dazu etwa FRiTz 1999, S. 16.
53 SCHMIDT 2006, S. 94; STRZELCZYK 2002, Sp. 83; WEHRMANN 1982,1, S. 120f.
54 AuGE 2005a, S. 14f.; BENL 1999, S. 115f.; BRANic 1997 S. 15ff.; ScHROEDER 1997 u. 1969, S. 15f.;
WRIEDT 1963, S. 9f.; WEHRMANN 1923,1, S. 49; BARTHOLD 1842, III, S. 199f.; KOSEGARTEN 1834.
 
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