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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0039

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I. Der Raum, seine Kräfte und seine Herausforderungen

klerus traten die klösterlichen und regularstiftischen Reformorden der Zisterzienser
und Prämonstratenser als weitere wirkmächtige kirchliche Kräfte, bald auch in den
Städten ergänzt durch die Bettelorden/" Ebenso wie die Städtegründung erlebte die
fürstlich geförderte Einrichtung von Stiften und Klöstern zum Zwecke der Mission und
des Landesausbaus im 13. Jahrhundert ihren Höhepunkt. Im Zuge des Landesausbaus
gelang diesen Institutionen der Aufbau eigener ansehnlicher Grundherrschaften. Doch
nicht nur wirtschaftlicherseits, sondern auch auf kultureller Ebene kam ihnen große
Bedeutung zu. Ebenfalls wesentlich im 13. Jahrhundert erfolgte der Aufbau einer eng-
maschigen Kirchspielorganisation, die überhaupt erst die Christianisierung des »plat-
ten Landes« gewährleistete und sicherstellte."' Die kirchlichen Institutionen stellten mit
ihrer wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Bedeutung eine große und - man
denke etwa nur an das Institut der weltlichen Schirmvogtei oder an die zentrale Lage
der Stiftsgebiete von Schwerin und Cammin innerhalb der fürstlichen Herrschaftsbe-
reiche - teils belastende, teils gewiß aber auch verlockende Herausforderung für die
Fürsten dar, welche ihre Handlungsmöglichkeiten einschränken oder erweitern konn-
ten und denen es sich immer wieder von neuem zu stellen galt.
Neben den kirchlichen Einrichtungen und den aufkommenden Städten etablierte
sich im 13. Jahrhundert als weitere maßgebliche politisch-soziale Kraft und als Herr-
schaftsträger der weltliche ländliche Adel sowohl deutscher wie slawischer Proveni-
enz."^ Zunächst wurde der Landadel im Rahmen des in diesem Raum Einzug haltenden
Lehnswesens von den Fürsten und Landesherren dominiert, doch wußte er sich bald zu
emanzipieren und auf der Grundlage von Eigengut, echten Lehen und Burglehen an-
sehnliche eigene Grundherrschaften aufzubauen.'" Anknüpfungspunkte hierfür boten
sich in der durch fürstlich-landesherrlichen Auftrag als oder aduocaü vollzoge-
nen und von Burgen aus organisierten Administration der Vogteien und ferme, in der
Aufteilung und Zersplitterung landesherrlicher Gewalt durch Nachfolgestreitigkeiten,
Landesteilungen, vormundschaftliche Regierungen oder längere fürstliche Absenz und
die so verursachten machtpolitischen Vakuen sowie in den finanziellen Problemen der
Fürsten, die zur Veräußerung von Grundbesitz und Herrschaftsrechten an den Land-
adel führten. Besonders im Fernbereich fürstlicher Herrschaft, im Grenzgebiet zu den
Nachbarmächten, trat dieser Adel mit der Landesherrschaft in Konkurrenz um grund-
und gerichtsherrliche Rechte."" Ausdruck der Konkurrenz waren die oftmaligen und
langwierigen Fehden zwischen Landesfürstentum und Landadel. Hinzu traten die Feh-
den, welche dieser untereinander und über die Grenzen des betreffenden Territoriums
mit Nachbarmächten austrug. Er stellte so häufig genug eine schwerwiegende Bedro-
hung für den Landfrieden dar, um dessen Wahrung und Aufrechterhaltung sich Für-
sten und Städte seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert unter wechselnden Vorzeichen
immer wieder bemühten."" Das Gewalt- wie Wirtschaftspotential des Landadels waren
Kräfte, derer sich die Fürsten immer wieder bedienten, die aber andererseits die fürstli-
chen Positionen gefährlich in Frage stellen und bedrohen konnten!"

111 Siehe für Mecklenburg ausführlich ULPTS 1995. - Für Pommern insgesamt immer noch grundle-
gend HooGEWEG 1924/25.
112 MÜNCH 2000, S.40f.
113 DERS. 2004,1998,1997^ 1995,1994a, 1990 u. 1990a. - Siehe auch ScHLEiNERT 2001, S. 37ff.; PLENSKE
1923. Vgl. hier den Abschnitt I.3.5.I.
114 HECK 1999, S. 80ff.
115 ScHLEiNERT 2001, S. 41; RuDERT 1997^ S. 356f.; MÜNCH 1997 u. 1996.
116 MoHRMANN 1972, passim.
117 Siehe neben der bereits zitierten Literatur dazu auch GÖSE 1998; HEINRICH 1984.
 
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