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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0206

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11.3 Mobilisierung und Zentralisierung finanzieller Ressourcen um 1500

191

dezentral aufgebaut."' Die einzelnen Vogteien waren »selbständige Wirtschafts- und
Verwaltungsbetriebe«. Eine regelmäßige Abrechnung und Kontrolle oder eine Über-
sicht über Einnahmen und Ausgaben existierte nicht. Es wurde vielmehr zwischen Her-
zog und Vögten oder Einnehmern nur nach Amtszeit oder über eine bebliebige Reihe
von Jahren oder Monaten abgerechnet. Die Geldeinkünfte der Vogteien wurden nicht
zentral abgeliefert, sondern entweder direkt für die Bedürfnisse der Vogteiverwaltung
oder für den gerade in der Vogtei befindlichen, umherreisenden Hofstaat ausgegeben.
Zuweilen ließ der Herzog sich Einkünfte durch Anweisungen in kleineren Beträgen ab-
heben. Eine Trennung zwischen Landes- und fürstlichem Privatvermögen gab es selbst-
redend nicht. Lediglich Zölle und einige Einkünfte der Schweriner Vogtei waren offen-
sichtlich zur Abdeckung der dringendsten Bedürfnisse der Fürsten reserviert. Die
Verhältnisse glichen einer Wirtschaft »von der Hand in den Mund«.
Ab November 1478 liefen nun Einkünfte aus allen Gegenden Mecklenburgs zentral
bei der Vogtei Schwerin ein." Diese Regelung bildete die Vorstufe zur Schaffung einer
eigenen Zentralkasse bei der herzoglichen Kanzlei in Schwerin, deren Anfänge wir ab
1480 in der Person des aus Thüringen stammenden Kanzleisekretärs Johann Tigeler fas-
sen können. 1493 wurde ein besonderer Rentmeister berufen, Klaus Trutmann, der in
seiner Arbeit bald noch von einem Rentschreiber unterstützt wurde."" Die Einrichtung
einer Rentnerei war ihrerseits Teil einer größer angelegten Kanzleireform und -erweite-
rung, die sich wiederum in den Prozeß der Residenzbildung einordnete. Der Rent-
meister hatte den Herzogen - schon um bei einer gemeinsamen Regierung keinen Für-
sten zu benachteiligen - über alle Geldeinnahmen und Ausgaben Rechenschaft
abzulegen, wie wir etwa aus der Hofordnung von 1504 erfahren."" Zwar setzte erst der
Hausvertrag von 1518 ausdrücklich fest, daß der Rentmeister die Rechnungen der Vögte
abzunehmen und zu prüfen habe, doch wird die Abrechnung schon seit der Jahrhun-
dertwende in dieser Weise erfolgt sein.""
Mit dem Begriff »Amt« ist ein weiteres wichtiges Stichwort bezüglich der damali-
gen Verwaltungsreform genannt. Bogislaw löste die bisherige Vogteiverfassung durch
eine neuentwickelte Ämterverfassung ab.'" Die ersten Ämter wurden aus einzelnen
großen Vogteien oder durch Zusammenlegung mehrerer kleiner Vogteien gebildet. Ih-
nen war der »funktionale Doppelcharakter als regionale Zwischeninstanz landesfürstli-
cher Herrschaft über alle nicht eximierten Untertanen, also auch Adel und Städte, und

152 Dazu und zum Folgenden STEINMANN 1922, S. lOlff.
153 Ebda., S. 103.
154 Ebda., S. 104.
155 SANDER-BERKE 1997 S. 90: [...] Und der dafdea sofcd ged deiner /ander den ander verweisen, vorgeden
oder borgen. Sander eynen den sie deide wiiiigen doren fassen and descdd'essen. Der seiden sadf der der-
scdajjf da non genagiicde recdenscdajff fdan. Wie er dassefde enfpdangen and widder an fr /arsfiicden
nafz aasgeden dade [...].
156 SACHSSE 1900, S. 202: Wir woiien aacd eine?n Renbneysler ansers Gejaffens, der ans de/den ?nd P/iicd-
fen verwandt sein sode, daden, de?n affe and igiicde Gaffe, ge/eiie, eindonnnen, nafzange, von den A?npf-
ieafen and anderen an/ de/der anser Beaeid na/ anser oder seine Qaifnnfz verreicdf werden soffen, der
aacd neden ans and andern ansern Refden dfe Wir /efzafzeif ansers ge/niiens, dnrfza verordnen werden,
jeriicden von lde?n A?npf?nnnn fnsonderded recdenfscdn/ff soff nde?nen [...]. - Freilichblieb es weiter-
hin auch noch bei dem alten »System« der Anweisung auf einzelne Vogteieinkünfte und des
Abhebens kleinerer Beträge daraus. So erhielten fürstliche Beamte noch bis ins 17. Jahrhundert
hinein ihre Besoldung nicht etwa aus der Zentralkasse, sondern aus den Ämtern: STEINMANN
1922, S. 105.
157 Vgl. dazu ScHLEiNERT 2001, S. 59ff.; ScHiLDHAUER 1988, S. 53; SrAHN 1896, S. 14ff. Auch zum
Folgenden. - Zur grundsätzlichen Bedeutung von Vogteien und Ämtern für die Organisation
fürstlicher Herrschaft siehe SCHUBERT 1999, S. 224ff. u. DERS. 1996, S. 14ff.
 
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