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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0256

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111.3 Konnubium und Heiratspolitik

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dieser Phase mit slawischen und skandinavischen Herrscherhäusern eingingen, wobei
bei den Pommern eine Tendenz eher zur östlichen, also slawischen, und bei den Meck-
lenburgern, Werlern und Rugiern eher zur skandinavischen Richtung hin erkennbar
scheint. Offensichtlich spiegelt sich darin die zu dieser Zeit auch politisch und lehns-
mäßig stärker auf diese Räume als auf das Reich hin erfolgte Ausrichtung der Fürsten
wider. Zwischen 1320 und 1480 überwiegen neben der Masse der Ehen mit »Regionalko-
lorit« weiterhin Heiraten in diese Räume, wenn man bei den wenigen Fällen, die unter
diese Kategorie fallen, überhaupt von »überwiegen« sprechen kann: Aus Schleswig
holte sich 1417 ein Werler seine zweite Frau. Die vermeintliche Ehe Johanns II. von Meck-
lenburg-Stargard mit einer Tochter des Großfürsten von Litauen, die vor 1416 geschlos-
sen worden sein muß, steht ganz für sich, ist aber sicher in dem Kontext der damaligen
Verwicklungen und Verbindungen zu sehen, die Erich von Pommerns Streben nach ei-
nem domüntw; man's Ldü'c/' im gesamten Ostseeraum auslöste. Aus Schweden, Dänemark
und Schleswig wurde je eine Frau in das Haus Mecklenburg-Schwerin verheiratet, als
dieses im 14. Jahrhundert machtpolitisch dorthin ausgriff. Die auch in diese Zeit fal-
lende Verheiratung einer Tochter mit dem Hause Luxemburg diente der Rückendeckung
dieser nordischen Politik. Die Ehen der Pommern-Wolgaster und Pommern-Stettiner
verharrten fast ganz auf regionalem Niveau - die einzige Ausnahme, nämlich die um
1371 geschlossene Ehe Swantibors I. mit der Tochter des Nürnberger Burggrafen Anna
von Zollern, erklärt sich über die damals engen Beziehungen der Stettiner mit dem
Hause Luxemburg, in dessen Umfeld die Zollern wirkten, und nahm Swantibors Tätig-
keit als königlicher Hofrichter ab 1399 dynastisch vorweg^" -, während bei Pommern-
Stolp die durchweg vorkommenden Eheverbindungen mit Polen und polnischen Satelli-
ten ins Auge fallen: In der ersten Generation handelt es sich um Bogislaw VIII. und seine
1343 geschlossene Ehe mit Elisabeth von Polen, die, wie gesagt, die Töchterehen mit den
Häusern Luxemburg und Habsburg nach sich zog; in der zweiten Generation heiratete
Bogislaws ältester Sohn Kasimir IV. in erster Ehe Kenna von Litauen und in zweiter
Margareta von Masowien, während sein Bruder Barnim V. um 1397 Hedwig von Li-
tauen ehelichte; Bogislaw IX. als Angehöriger der dritten Generation bekam 1432 Maria
von Masowien zur Frau, nachdem er zuvor lange Jahre als Kandidat einer Ehe mit Hed-
wig, der Tochter des polnisch-litauischen Königs Wladislaw Jagiello, gehandelt worden
war. Die Einbeziehung der Stolper Herzoge in die damaligen polnisch-litauischen Groß-
machtbestrebungen sowie die Auseinandersetzungen zwischen Polen und dem Deut-
schen Orden scheinen hinter dieser starken dynastischen Vernetzung zu stehenV Es
bleibt zu fragen, ob es für den Deutschen Orden langfristig von strategischem Nachteil
war, daß er naturgemäß keine ähnlich enge dynastische Brücke zu den Stolpern aufzu-
bauen vermochte. Immerhin lockte er stets mit der Zahlung umfangreicher Geldmittel,
die für die Stolper den Vorteil hatten, daß sie vielleicht weniger lang verpflichteten als -
zumindest theoretisch - eine lebenslange Ehe. Überhaupt sind die Stolper - und dies
gilt es angesichts ihres sonst in der Forschung eher geringen Stellenwerts zu betonen -
die einzige der hier in Betracht gezogenen Linien, deren männliche Angehörige rein
zahlenmäßig mit sechs zu zwei Ehen mehrheitlich nicht im von uns definierten südli-

250 Siehe dazu die Bemerkungen in Abschnitt IV.5. - Anna von Zollern war eine Tochter der geb.
Gräfin von Henneberg-Schleusingen Sophia. Im Zuge seiner Heirat schloß Swantibor mit dem
Markgrafen von Meißen und Thüringischen Landgrafen Balthasar, der ebenfalls 1374 eine Toch-
ter Sophias, Margarethe, geheiratet hatte, Vereinbarungen über die Aufteilung ehemaliger hen-
nebergischer Gebiete. Die Eheschließung hatte also obendrein auch noch einen Erbschaftshin-
tergrund. Siehe dazu HStA Dresden, Bestand 10001 Altere Urkunden, Sachbetreff Pommern.
251 Vgl. dazu Abschnitt 1.3.3.1.
 
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