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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0278

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IV.l Die Sonderstellung der Fürsten von Rügen

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diese Forderung ohnehin eine eher theoretische war, da ganz allgemein durchaus im-
mer wieder Lehnsverhältnisse zwischen weltlichen Fürsten begründet wurden/"
Der Minnesänger und Dichter Heinrich von Meißen rühmte die Gastfreundlich-
keit an Wizlaws III. Hof/" Tatsächlich scheint der Fürst in seinem letzten Lebensjahr-
zehnt in seiner Stadt Barth eine Hofhaltung entfaltet zu haben, die den Vergleich mit
anderen Fürstenhöfen der Zeit nicht zu scheuen braucht. Hochrangige Gäste verkehrten
hier, wie z. B. Graf Albrecht II. von Anhalt 1324, Heinrich II. von Mecklenburg 1325 oder
im gleichen Jahr auch der Herzog von Sachsen.^ In Umfang und Versorgung des Hofes
gewährt uns eine erhaltene Küchenrechnung von 1325 einen tieferen Einblick/" Wir
wissen auch, daß zum Hof Marschall, Kämmerer, Fahnenträger, Waffenträger, Kastel-
lan, Arzt, Meier, Müller und Vogelfänger gehörten/" Kanzler, Notare und Schreiber
wirkten in Wizlaws sich nun voll entfaltender Kanzlei/"
Der Fürst verfügte in seinem Herrschaftsbereich über das Zoll- und Münzregal,
was - wie erwähnt - immer wieder als wichtiges Kriterium für die Zugehörigkeit zum
Reichsfürstenstand genannt wurde/* Das Konnubium der Rügenfürsten zeigt sie in en-
ger Verbindung zu reichsfürstlichen Häusern oder nord- bzw. osteuropäischen Königs-
dynastien/" Eine standesgemäße Versorgung als Geistlicher erhielt Wizlaws II. Sohn Ja-
romar, als er noch vor Erreichen des kanonischen Alters von 30 Jahren - wohl durch die
Einflußnahme des mit seiner Schwester Margarete etwas früher vermählten Bogislaw
IV. von Pommern - vom Camminer Domkapitel zum Bischof des exemten Bistums Cam-
min gewählt wurde, was Papst Nikolaus IV. zum 7. Oktober 1289 bestätigte/"

35 Dazu allgemein SriESS 2002, S. 43. Lehnsbindungen deutscher Fürsten zu geistlichen und aus-
wärtigen Lehnsherren waren demgegenüber kein Ausschlußkriterium, wie schon FiCKER 1861,
I, S. 72ff., feststellte. Letztere waren gerade bei Fürsten, deren Territorium an den Grenzen des
Reiches lagen, durchaus üblich: Dazu nochmals SriESS 2002, S. 43 und auch JÄSCHKE 1996.
36 Im übrigen werden die in der sog. Jenaer Liederhandschrift überlieferten Sprüche und Lieder,
welche man lange Zeit Wizlaw III. zuschrieb, von der jüngeren Forschung mittlerweile einem
anderen Autor zugeordnet. Siehe dazu SCHWARZ 1994, S. 1-10; THOMAs/SEAGRAVE 1967; WERG
1969. - Vorsichtig in der Verfasserfrage MERTENS 2002 und ablehnend WACHiNGER 1999. - An-
ders verhält es sich mit Briefen der Rügenfürsten, von denen tatsächlich einige wenige auf uns
gekommen sind. Siehe dazu KAUSCHE 1961 mit dem Wortlaut des von ihm näher besprochenen
Briefs auf S. 16.
37 PUB VI, Nr. 3782f., 3832, 3860. - Zum Hof Wizlaws III. siehe - auch für das Folgende - WERLiCH
2005, S. 37 und die dort angegebene Literatur.
38 PUB VI, Nr. 3860. - BERG 1999, S. 47-50.
39 GADOw 1929, Nr. 214.
40 Dazu insgesamt ScHOEBEL 1999; BEHM 1913.
41 In Geldnot geraten, verkaufte Wizlaw III. freilich 1318/19 den fürstlichen Zoll und die Münze an
die Stadt Stralsund, deren wirtschaftliches und soziales Gewicht innerhalb des Fürstentums
Rügen damit noch mehr als zuvor an Dominanz gewann. Siehe dazu die Ausführungen in Ab-
schnitt 11.2.
42 So war Otto, Herzog von Braunschweig-Lüneburg, seit etwa 1263 der Schwiegervater Wiz-
laws II., während z. B. Wizlaws III. Schwester Margarete spätestens 1287 mit Herzog Bogislaw IV.
von Pommern und seine Schwester Helena wohl 1288 in erster Ehe mit Johann III. von Mecklen-
burg und vor dem 27. Dezember 1302 in zweiter Ehe mit Graf Bernhard II. von Anhalt-Bernburg
vermählt worden war. Der Großherzog von Polen Wladyslaw III. Laskonogi hatte spätestens
Anfang 1202 eine Tochter Jaromars I. geheiratet, die wohl Lucia hieß, König Hakon von Norwe-
gen hatte sich 1299 mit Wizlaws II. Tochter Eufemia vermählt, und der Sohn König Birgers von
Schweden namens Magnus wurde im April bzw. Mai 1313 mit der ebenfalls Eufemia heißenden
Tochter Wizlaws III. verlobt. Dazu ScHEiL 1962, bes. Tf. 1.
43 PUB VI, Nr. 4011. - WEHRMANN 1920. Über den Status eines eiecfMS conü'n/MiMS freilich gelangte
Jaromar, der zugleich Pfarrektor der Stralsunder Nikolaikirche war (PUB VI, Nr. 4043), nicht hi-
naus, da er schon 1293/94 verstarb: ScHEiL 1962, S. 100.
 
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