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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0356

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V.3 Rangbewußtsein und Repräsentation im Nordosten um 1500

341

ner Inschrift wird ihm der Beiname »der Große« verliehen. Auch der gescheiterte König
der Kalmarer Union Erich nahm im Selbstverständnis der pommerschen Fürsten als
einziger König der Dynastie einen wichtigen Stellenwert ein, wovon etwa die späteren
Stammbäume seines Hauses'* oder aber die reliquienartige Aufbewahrung seiner Hin-
terlassenschaften^* zeugen. Insbesondere ist für Pommern aber an Bogislaw X. und für
Mecklenburg an Magnus II. zu denken, die beide in der frühen Neuzeit zu politischen
Leitfiguren ihrer Länder avancierten, was sicherlich wieder mit der unter ihrer Regie-
rung erstmalig in besonderer Intensität erfolgten Propagierung der landesväterlichen
Rolle des Fürsten zusammenhing.'" Magnus' Regierung stellte so etwa für Mecklen-
burg - zumindest dem Lübecker Chronisten Reimar Kock zufolge - im nachhinein ein
gnMen ü'df dar.*^ Magnus wie Bogislaw umrankte also schnell der Mythos der Muster-
haftigkeit und normativen Kraft. "
In der wernng nnser /zerrsc/za/f sieht man den obersten Grundsatz politisch-dynasti-
schen Handelns, zu beziehen auf die Herrschaftsausübung als solche, die Steigerung
von Einnahmen und Besitz, die biologische Reproduktion sowie zu guter Letzt die
fürstliche Ehre.*" Dieses Ziel wurde durch ein straffes »Regel- und Disziplinierungssys-
tem« erreicht, das wir seit den grundlegenden Studien von Heinz Reif und Karl-Heinz
Spieß als »Familienordung« bezeichnen.*^ Die Propagierung und Implementierung ei-
nes Dynastiebewußtseins trug das ihrige zur Einhaltung dieser »Familienordnung«
durch die einzelnen Angehörigen der Dynastie bei. Das erleichterte es unter Umstän-
den, z. B. im Erbfall, einen Primogenituranspruch gegenüber jüngeren Brüdern durch-
zusetzen, wie es z. B. 1606 Herzog Philipp II. von Pommern gegenüber seinen Brüdern
Franz (* 1577-+1620), Bogislaw XIV. (* 1580-t 1637), Georg II. (* 1582-+1617), Johann Ernst
(*1586-+1590) und Ulrich (*1589-1622) erstaunlich reibungslos gelingen sollte.*^ Nicht
von ungefähr hatte derselbe in der Inschrift des 1603 von ihm zu Ehren seines Vorfahren
Barnim VI. in der Wallfahrtskirche zu Kenz gestifteten Wanddenkmals an die dynasti-
sche Räson appelliert und ließ er nun, im Jahr der Einigung, einen goldenen Gnaden-
pfennig prägen, welcher die Umschrift trug: saüzs patriae /rat nun Concordia cozz-
SiaNS.'^

271 Siehe dazu WERLiCH 2005c; BusKE 2001.
272 Kantzow berichtet u. a. von zahlreichen Kostbarkeiten Erichs, wovon er manches selbst noch ge-
sehen habe. Wenn auch nicht ganz glaubwürdig, so ist doch sein Bericht von einigem Interesse,
daß Bogislaw X. erst während seiner Pilgerfahrt in Venedig gewahr wurde, wie hoch die Venezi-
aner Einhörner schätzten, und daß er deshalb sogleich einen Boten mit der Anweisung nach
Hause sandte, das von Erich als eine Art Leuchter in die Schloßkapelle von Rügenwalde gege-
bene Einhorn non stunden [...] in gade Verwarang [zu] niieinen. Siehe dazu Kantzow 1897 S. 359
(hier das Zitat) und Pomerania, S. 361 (hier der Hinweis auf König Erich als Stifter).
273 Ganz ähnlich wie übrigens im frühneuzeitlichen Herzogtum Württemberg der auf dem Reichs-
tag zu Worms 1495 in den Fürstenstand erhobene Eberhard im Bart. Siehe dazu MERTENS 2000.
274 LAS, Bestand 1.12-1 Chroniken, Nr. 17.2, S. 373: Bei/ dä/?es /ärsfen dage i/i ein gäiden d'df iw sinein
fände gewesen, sedrgade mänfe, gadr/rede, neue scdadinge und ade ding wod/ede.
275 Vgl. zu diesem Aspekt auch den vorangehenden Abschnitt.
276 NoLTE 2005, S. 55; Srisss 1993, S. 398.
277 Siehe dazu Srisss 1993, S. 11; Rsir 1982, S. 89; DERS. 1982a, S. 125ff.; DERS. 1981, S. 277f.; DERS.
1979, S. 78ff. - Vgl. auch NoLTE 2005, S. 56f.; RoGGE 2002, S. 9. - Siehe dazu nochmals Ab-
schnitt 111.1.
278 Zu seiner Biographie siehe ScHLEiNERT 2004 sowie PYL 1888.
279 HoFFMANN 1933, S. 67 Nr. 39 samt Tf. VI. - Vgl. auch das Zitat der Umschrift in Personalien,
S. 277. - Zum Hintergrund vgl. künftig AuGE 2008c.
 
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