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Büttner, Andreas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der Weg zur Krone: Rituale der Herrschererhebung im spätmittelalterlichen Reich — Mittelalter-Forschungen, Band 35,1: Ostfildern, 2012

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.34718#0026

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Herr schererhebung und Ritual

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ren Untersuchung des Gegenstandes mittlerweile erreicht ist, mag das unlängst er-
schienene zweibändige Werk »Theorizing Rituals. Issues, Topics, Approaches, Con-
cepts« zeigen, in dem nicht mehr die Rituale selbst, sondern die Theorie ihrer
Erforschung behandelt und analysiert werden.'"
Gleichzeitig zog das Ritual als Forschungsparadigma jedoch schon früh umfas-
sende Kritik auf sich,^ die um die Jahrtausendwende auch in der Mediävistik aufge-
griffen wurde."" Im Zentrum stand zumeist der übermäßige, geradezu inflationäre Ge-
brauch des Begriffs und damit einhergehend seine Unschärfe und die mangelnde
Einheitlichkeit seiner Definition. Für den Sprachgebrauch der Mittelalterforschung
glaubte Rexroth allerdings als gemeinsame Merkmale herausfiltern zu können, dass es
sich bei Ritualen um »kulturspezifische, kollektive, formalisierte und repetitive Hand-
lungsweisen« handele.^ Auf einer allgemeineren Ebene versuchte Axel Michaels zur
Abgrenzung von anderen Handlungsformen fünf definitorische Kriterien aufzustellen
(Anlass, förmlicher Beschluss, formale Handlungskriterien, modale Handlungskrite-
rien, Statuswechsel)."" Anknüpfend an die schier unendliche Zahl von Ritualdefinitio-
nen machte Jan Snoek hingegen die Aufstellung einer solchen Definition selbst zum
Gegenstand seiner Untersuchung und schlug eine polythetische Ritualdefinition vor,
die eine Vielzahl von Kriterien benennt, die aber nicht alle oder in vollem Maße zutref-
fen müssen."^ In gewisser Weise scheint sich in der Mediävistik allerdings ohnehin eine
gewisse Übereinkunft hinsichtlich der verwendeten Terminologie eingestellt zu haben:
Wie bereits Rexroth ausführte und zahlreiche weitere Arbeiten jüngeren Datums be-
legen, lassen sich bestimmte gemeinsame und häufig auftretende Merkmale benennen,
während die verwendeten Begriffe entweder gegeneinander abgegrenzt oder synonym
benutzt werden können, ohne dabei eindeutig definiert werden zu müssen."^

relle Prozesse in historischer und kulturvergleichender Perspektive« ergänzen. Als humori-
stisch-populärwissenschaftliches Werk erschien unlängst WiEPRECHT/SKUPPiN, Lexikon der
Rituale. Über die Krönung kann man hier erfahren, dass Aachen »lange Zeit die beliebteste
Kaiserkrönungsstadt« gewesen sei und »ab 1356 ... die Zeremonie minutiös durch die Goldene
Bulle Karls IV.« geregelt wurde (S. 131). Mit »Wissenschaftsritualen« beschäftigt sich das
24. Heft der Zeitschrift »Gegenworte« (2010).
31 KREiNATH/SNOEK/STAusBERG (Hg.), Theorizing Rituals.
32 GooDY, Against »Ritual«. Siehe neuerdings auch die Vorschläge von HANDELMAN, Conceptual
Alternatives to Ritual.
33 Vgl. REXROTH, Rituale und Ritualismus, S. 393 mit Anm. 6.
34 Ebd., S. 393. Als »Lesarten« ließen sich dann eine >funktionalistische< und eine >interpretative<
unterscheiden: Rituale dienen entweder dazu, ihren Gegenstand (Person, Gruppe, Sache) zu
verändern oder den Beteiligten Wissen über die »Sinnhaftigkeit der erfahrenen Welt« und die
kosmischen Zusammenhänge zu vermitteln.
35 MtCHAELS, »Le rituel pour le rituel«, S. 29-39.
36 SNOEK, Defining »Rituals«.
37 Vgl. Bojcov, Qualität des Raumes, S. 129-137; PARAviciNi, Zeremoniell und Raum, besonders
S. 13-15; ALTHOFF, Veränderbarkeit von Ritualen, S. 157f.; ALTHOFF, Macht der Rituale, S. 10-14
(S. 12: »Eine Sensibilität für die fließenden Übergänge zwischen den mit solchen Begriffen anvi-
sierten Phänomenen scheint daher sinnvoller als eine rigorose Begriffsbestimmung, die die
komplexen Befunde der Empirie künstlich trennt und so Erkenntnismöglichkeiten beschnei-
det.«); REXROTH, Rituale und Ritualismus, S. 393f.; SCHENK, Zeremoniell und Politik, S. 65-75;
STOLLBERG-RinNGER, Symbolische Kommunikation, S. 502-504; ScHWEDLER, Herrschertreffen,
S. 27-31; BERNiNG, »Nach alltem löblichen Gebrauch«, S. 15-24; DiNZELBACHER, Warum weint der
König?, S. 9.
 
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