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Büttner, Andreas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der Weg zur Krone: Rituale der Herrschererhebung im spätmittelalterlichen Reich — Mittelalter-Forschungen, Band 35,1: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34718#0179

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Krönungsordines

tuals, das heißt sowohl die durchgeführten Handlungen als auch die Formeln und Ge-
bete, weitgehend unverändert. Nur selten wurden Bestandteile neu hinzugefügt und
auch diese selbst waren in der Regel keineswegs neu, sondern gingen wiederum auf äl-
tere Vorlagen zurück. Der Krönungsordo und mit ihm das Ritual der Krönung mag so
als statisches Gebilde erscheinen, unberührt vom Wandel der Zeiten, ein sich immer
wieder aufs Neue gleichender Ablauf in vorgeschriebenen Formen.
In der Tat würde eine - oberflächlich durchgeführte - Verwandtschaftsbestim-
mung der verschiedenen Ordines sowohl für das römisch-deutsche Reich als auch für
die übrigen europäischen Monarchien und deren Vergleich untereinander eine hohe
Übereinstimmung ergeben. Die gemeinsamen Grundlagen gehen dabei noch auf die
Karolingerzeit zurück,^ nur vergleichsweise weniges, was sich am Ende des Mittel-
alters in den Ordines findet, ist jüngeren Datums. Man könnte daher mit Carl Erdmann
davon sprechen, dass in den Krönungsordines das gesamte Mittelalter über »im we-
sentlichen das karolingische Königspriestertum und die westfränkische Bischofs-
macht« zum Ausdruck komme. Und tatsächlich sind diese liturgischen Texte eines der
zentralen Vermächtnisse, die das zerfallene Karolingerreich den neu entstehenden eu-
ropäischen Monarchien des Mittelalters und der Neuzeit hinterließ.
Bei genauer Analyse der Texte erweist sich die Quellengattung der Krönungsordi-
nes - trotz ihres liturgischen Charakters - jedoch als durchaus dynamisch und vielfälti-
gen Wandlungen unterliegend. Dies trifft bereits auf die Verarbeitung der karolingi-
schen Vorlagen zu, als aus den besonders von Hinkmar von Reims für ganz konkrete
Anlässe geschaffenen Ordines^ allgemeine Bestimmungen für die Durchführung je-
der beliebigen Krönung wurden. Diese Lösung von den gegebenen Umständen des Ein-
zelfalls bedingte einen Wandel in der anzunehmenden Verwendung der Ordines: Sie
waren weniger in allen Einzelheiten ausgearbeitete Skripte für den Augenblick oder ein
Protokoll des Ablaufs, sondern, mit den Worten Reinhard Elzes, »allgemein gehaltene
Leitsätze oder Richtlinien, wenn nicht gar Produkte der Gelehrsamkeit, die höchstens
in beschränktem Maße als verbindlich angesehen wurden«.^ Dies machte gleichzeitig

gen der Königinnen siehe KRULL, Salbung und Krönung, S. 92, zwar überzeichnet, aber für
seinen begrenzten Untersuchungsgegenstand mit etwas größerer Berechtigung: »Was die Krö-
nungsformeln angeht, so ist darüber nur noch wenig zu sagen. Eine historische Entwicklung
hat nicht stattgefunden. Die Weihen und Gebete für die Salbung und Krönung der Königin ha-
ben im 15. Jahrhundert noch denselben Wortlaut, den sie schon zur Zeit der Sachsenkaiser hat-
ten.« Neben ERKENS, Königskrönung und Krönungsordnung, S. 40-42 stellt vor allem DAvm, Le
serment du sacre, S. 254f. eine lobenswerte Ausnahme dar, wenn er hinsichtlich des Krönungs-
eids des spätmittelalterlichen Ordo zunächst bemerkt: »Le contenu, dans l'ensemble, n'a guere
change«, dann aber hinzufügt: »Et, la n'y pas prendre garde, on pourrait meme etre tente de
conclure ä une similitude. Cependant, l'adjonction de quelques mots gä e lä, sans modifier con-
siderablement le tour general de la phrase, rectifie de fagon sensible la portee des engagements,
en les adaptant aux realites du XIV' siede« und diesen Aktualisierungen dann im einzelnen
nachgeht (allerdings im Vergleich mit dem von Eichmann bekannt gemachten Eid in den Hand-
schriften des Mainzer Ordo und nicht in der Fassung des Trierer Pontifikales).
374 Siehe oben, Kapitel 2.3, Anm. 79.
375 Vgl. Jackson (Hg.), Ordines coronationis Franciae, Bd. 1, S. 24-26.
376 Elze (Hg.), Ordines, S. XXIII. Welches Maß hierbei für das Spätmittelalter anzusetzen ist, wird
die folgende Betrachtung der verschiedenen Herrschererhebungen zeigen. An dieser Stelle sei
aber bereits darauf hingewiesen, dass für den spätmittelalterlichen Ordo eine steigende Ver-
bindlichkeit anzunehmen ist, ja im 15. Jahrhundert wurden soweit erkennbar die Krönungen in
fast allen Einzelheiten nach seinen Vorgaben vollzogen.
 
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